Nicht loslassen können, weil jemand nicht sterben wollte?

vom 16.01.2016, 21:53 Uhr

Natürlich möchten die meisten Menschen nicht sterben, aber mein Großvater war bereit zu gehen, so ähnlich formulierte er es und teilte dies auch meiner Mutter mit. Er wurde 75 Jahre alt, die meisten Menschen haben wohl eine höhere Lebenserwartung, aber er hat schon ein gewisses Alter erreicht, was mich auch irgendwie innerlich beruhigt.

Bei meinem Vater sieht es irgendwie anders aus, ich kann einfach nicht los lassen. Er wurde nur 54 Jahre alt und hatte noch einige Pläne gehabt, denn wir wollten zusammen Sport treiben und er wollte mir auch noch Tipps zum Autofahren geben, bevor ich den Führerschein mache. Nun muss ich all die Sachen alleine machen, was mich sehr traurig stimmt.

Er wollte durchhalten, aber er ist in Anwesenheit meiner Mutter dann verstorben, er wollte noch nicht sterben, das wissen wir alle. Ich bin als Mensch eher pessimistisch und ich vermisse seine lebensfrohe, lustige und optimistische Art. Nachts kann ich nicht durchschlafen weil ich weiß, dass er zu jung war und noch nicht gehen sollte. Ich bin total fertig mit den Nerven und kann einfach nicht loslassen.

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» soulofsorrow » Beiträge: 9232 » Talkpoints: 24,53 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Es ist ja gerade erst mal eine Woche her. Da finde ich es nicht verwunderlich, dass du noch nicht loslassen kannst. Natürlich ist es sehr viel schmerzvoller wenn der Verstorbene noch jünger war.

Wenn du aber wirklich das Gefühl hast, dass du alleine nicht damit klar kommst, dann such dir doch einfach Hilfe. Eine Selbsthilfegruppe beispielsweise. Du schreibst ja hier sehr viel über deinen Vater. Also darüber sprechen willst du. Dann ist so eine Gruppe doch ideal. Die anderen werden dir von ihren Erfahrungen berichten. Einige kämpfen dann schon länger mit dem Verlust und können dir Hoffnung machen, dass es besser wird. Im Gegenzug kannst du vielleicht bald anderen helfen.

Ich denke wirklich, dass dir das helfen könnte. Darüber reden und erkennen, dass es anderen ähnlich geht. Und sogar noch schlimmer. 54 Jahre ist immerhin sehr viel mehr als anderen vergönnt war. Das macht das Schicksal deines Vaters nicht geringer oder soll es relativieren. Aber die Erfahrungen der anderen werden dir helfen.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Das alles ist noch nicht lange her und gerade beim Tod der eigenen Eltern hat man immer lange daran zu knabbern. Wobei ich schon verstehen kann, dass es dir besonders schwer fällt, wenn man mal sieht, wie er dann gestorben ist und vor allem wie jung er eben auch noch war. Dennoch wirst du irgendwann damit leben können, das braucht aber alles Zeit und es ist auch richtig so, dass du jetzt noch so stark trauerst.

Ich denke, dass niemand wirklich sterben will, sondern einfach nur, das manche Menschen irgendwann einsehen, das es keinen oder nur wenig Sinn macht das bisherige Leben fortzuführen, weil sie beispielsweise krank sind. In dem Alter, in dem dein Vater war, hat man Pläne, Hoffnungen und Wünsche für das eigene Leben.

Du kannst es deinem Vater nun eigentlich nur Recht machen, indem du für ihn mit Sport machst, deinen Führerschein bestehst und für ihn dein Leben mitführst, irgendwann wieder Spaß hast und lachst, was das Zeug hält. Denn er würde nicht wollen, dass du dein ganzes Leben in Trauer verbringst. Trauere jetzt intensiv, aber finde den Weg zurück ins Leben, wenn es so weit ist.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Das ist alles noch so frisch, da ist es vollkommen normal, dass man als Angehöriger noch nicht loslassen kann. Das ist ein Prozess, der braucht einfach Zeit. Für die Trauer gibt es keine Regeln, jeder geht anders damit um.

Ein gutes Beispiel sind Oma und Opa meines Mannes. Der Opa hatte panische Angst vor dem Tod. Mit Steinstaublunge und Lungenkrebs hat er sich ewig gequält. Er war lange Pflegefall und hat wirklich gelitten. Trotzdem hat die ganze Familie seinen Tod als Gnade gesehen.

Die Trauer war groß, aber es war das empfinden da, dass er endlich nicht mehr leidet. Die Oma hat ihn so lange überlebt, dass sie erleben musste, wie sein Grab eingeebnet wurde. Auch sie war die letzten Jahre schwer krank und hat gelitten.

Sie wollte irgendwann gehen. Sie hat sehr deutlich gemacht, dass jetzt kein Krankenwagen kommen soll. Trotzdem hat die Familie große Schwierigkeiten gehabt, die Oma wirklich loszulassen. Denn nach dem Empfinden der Angehörigen kam der Tod zu früh.

Und genau das ist der Knackpunkt. Ob der Mensch selbst sterben möchte, das nimmt wenig Einfluss auf die Trauer. Ein Tod, der zu früh und damit sinnlos erscheint, ist viel schwerer zu verarbeiten. Der Schlüssel ist immer die Haltung der Betroffenen. Je sinnloser und unfairer die Situation erscheint, desto schwerer ist sie zu verarbeiten.

» cooper75 » Beiträge: 13432 » Talkpoints: 519,92 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Ganz ehrlich, was du da berichtest klingt für mich schon sehr nach einem Trauma. An deiner Stelle würde ich mir schnellstens Hilfe in irgendeiner Form suchen. Ja, ich rede von Selbsthilfegruppen oder einem Psychiater. So etwas kann sich nämlich auch ganz schön fest fressen und zu einer richtig krassen psychischen Störung führen.

Das Loslassen, wenn jemand verstirbt, ist wohl generell nicht so ganz ohne. Und dabei ist es meiner Meinung nach vollkommen egal, ob derjenige jetzt "bereit war zu sterben" oder eben nicht. In dem Moment sollte man das wohl als Schicksalsschlag sehen und zusehen, dass man das verarbeitet.

» Rika Wächter » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Gio am 17.01.2016, 11:30, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

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