Nehmen junge Menschen die Inflation anders wahr?
Die Jugendlichen, die bisher kaum konsumiert haben, kennen die Preise von vor 2 oder 3 Jahren gar nicht. Das bedeutet, dass sie zum Beispiel gar nicht wissen, dass ein Döner mal 3 EUR gekostet hat. Sie sehen also nur die heutigen Preise, die ja deutlich teuer sind. Für die jungen Menschen sind diese Preise aber vollkommen normal. Spüren sie dadurch die Inflation nicht?
Früher hat ein Bier ja beispielsweise auch nur ein paar Pfennige gekostet. Heute ist es normal, wenn man mehrere Euro bezahlt. Schleicht sich so die Teuerung als normal ein?
Junge Menschen wachsen doch nicht in einem Vakuum auf! Meine Kinder bekommen jedenfalls spätestens seit der Grundschulzeit mit, dass sich Preise verändern und dass das manchmal den Spielraum in der Haushaltskasse verkleinert.
Dazu kommt, dass die gefühlte Inflation doch auch nicht hilfreich ist. Nur weil ich früher für eine Kugel Eis 30 Pfennig bezahlt habe und der Hundewelpe vom Züchter 850 Markt statt heute 1.500 Euro gekostet hat, ändert das nun gar nichts an der Inflation und deren Folgen heute.
Außerdem stellt sich die Frage: Wer nimmt die Inflation nicht anders wahr? Ich kaufe kaum Lebensmittel im Supermarkt, die meisten Sachen kommen in Großabmessungen von regionalen Erzeugern. Das war und ist viel günstiger. Wir verbrauchen kaum Strom und bezahlen kein Benzin. Folglich trifft uns die Inflation viel weniger als einen Geringverdiener, der für den Job auf das Auto angewiesen ist und weit pendelt und im Discounter einkauft. Es gibt schließlich nicht "die" Inflation.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ich die hohe Inflation der 1980er-Jahre als Kind und die auf hohem Niveau etwas abgeschwächte der 1990er-Jahre als Jugendliche und junge Erwachsene durchaus wahrgenommen habe. Warum sollte das bei den heutigen Kindern und Jugendlichen anders sein?
Ich glaube nicht, dass jüngere Menschen die Inflation anders wahrnehmen. Aus Erzählungen wissen sie doch auch, wie günstig früher eine Kugel Eis oder ein Döner gekostet hat. Aber nicht nur das, sie erfahren doch selbst die Inflation, selbst wenn sie nur Eis und Döner kaufen sollten. Der Döner wird fast jedes Jahr ein wenig teurer, die Kugel Eis kostet auch jedes Jahr ein paar Cent mehr. Da werden die Jugendlichen auch merken, was es mit der Inflation auf sich hat.
Klar sind heute Preise von z.B. 1,50€ für eine Kugel Eis vollkommen normal, während ich als Kind selbst noch eine Kugel Eis für 50 Cent kaufen konnte. Aber in 10 Jahren wird eine Kugel Eis vermutlich 2,50€ oder so kosten, und das ist die neue Normalität.
Die Generation, die heute die Jugendlichen sind, waren doch vor 2-3 Tagen auch schon da und dürften mitbekommen haben, was Lebensmittel gekostet haben. Meine Kinder sind klein und bekommen dennoch mit, was gewisse Dinge kosten und auch, dass sie teurer geworden sind. Da wir uns fast täglich darüber aufregen, kommen sie da gar nicht dran vorbei.
Ähnlich verhält es sich doch mit dem Taschengeld. Anhand dessen dürften die meisten Kinder oder Jugendlichen auch feststellen, dass sich etwas verändert. Hat man sich eben vor 2 Jahren am Kiosk ein Brötchen für 1,00€ gekauft, kostet das jetzt 1,20€, Tendenz steigend.
Also nein, ich denke nicht, dass Jugendliche die Inflation nicht bemerken oder anders wahrnehmen. Es mag sicherlich Ausnahmen geben, aber die Regel ist das nicht.
Ich glaube, dass junge Menschen die Inflation anders wahrnehmen, weil sie die niedrigeren Preise von vor ein paar Jahren gar nicht mehr erlebt haben. Wer heute Anfang 20 ist, kennt es nicht anders, dass viele Dinge einfach teurer sind. Für sie ist das der Ausgangspunkt. Sie haben nie erlebt, wie es war, als man für 20 Euro einen Einkaufswagen voll bekommen hat oder die Miete in einer Großstadt noch halbwegs erschwinglich war.
Für uns, die das alles noch im Kopf haben, fühlt sich die Preissteigerung natürlich drastischer an. Ich denke oft daran, wie ich früher für einen Wocheneinkauf viel weniger bezahlt habe oder dass ein Kinobesuch nicht gleich ein halbes Vermögen gekostet hat. Heute kann man fast schon schockiert sein, wenn man sieht, wie viel man für die gleichen Sachen bezahlen muss. Aber für die jüngeren Leute ist das einfach die Realität. Sie kennen die günstigeren Zeiten nicht und haben deshalb auch keinen direkten Vergleich, wie stark die Inflation tatsächlich zugeschlagen hat.
Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht auch merken, wie teuer das Leben wird. Es geht ihnen vielleicht eher darum, dass sie mit den höheren Preisen aufgewachsen sind und das als gegeben hinnehmen. Während für uns ältere Generationen der Unterschied zwischen damals und heute ziemlich offensichtlich ist, sehen junge Menschen das eben als den aktuellen Normalzustand.
@BrilleWilli Wieso kennt jemand, der heute Anfang 20 ist, die niedrigeren Preise nicht mehr? Der kennt doch die Preisentwicklung von mindestens 15 Jahren. Und es nützt ja nun wenig, auf die niedrigeren Preise von Anno Dazumal zu schielen, ohne die Einkommensseite zu betrachten.
Mal als Beispiel: 2017 bekam ein Berufseinsteiger nach der Ausbildung nach AVR Diakonie rund 2865 Euro pro Monat brutto, jetzt sind es etwa 3611 Euro. Dazu gab es 3.000 Euro Inflationsprämie. Es ist ja nicht nur alles teurer geworden. Die meisten Menschen haben auch mehr Geld als vorher. Und der Lebensstandard ist seit den 80ern als Beispiel auch ziemlich gestiegen, oder? Würde man so leben wie damals, würde es deutlich günstiger.
Natürlich nehmen junge Menschen, insbesondere Kinder die Inflation ganz anders wahr als wir Erwachsene. Das ihnen zur Verfügung stehende Budget ist ein ganz anderes, die dafür zu erbringende Leistung ohnehin. Ich persönlich bin wirklich ein Preisfuchs oder wie andere gerne sagen geizig, aber dennoch sehe ich bei meinen Kindern völlig unterschiedliche Auswüchse im Verständnis von Geld.
Meine Tochter ist ziemlich sparsam und holt sich gerne zu jeder Ausgabe eine Meinung ein. Nicht selten kommen selbst von ihr Äußerungen wie "das ist aber teuer", Problem dabei ist, dass sie die Ausgaben viel genereller betrachtet. Wenn ich ihr sage, dass 10 Euro für ein kurzlebiges Spielzeug teuer sind, heißt es in ihrem Verständnis dass 10 Euro allgemein teuer sind und selbst bei sinnvollen Sachen führen wir dann darüber eine Diskussion warum 10 Euro manchmal angebracht sein können und manchmal eben eine teure Ausgabe sind. Zur Einordnung meine Tochter ist acht Jahre alt.
Mein Sohn ist in dieser Hinsicht noch mal ein ganz anderes Kaliber. Mit 12 Jahren gehen Influencer an ihm leider nicht mehr spurlos vorbei und da diese immer mehr darauf abzielen Produkte zu platzieren oder eigene Produkte an den Mann zu bringen werden die Kinder damit heute sehr früh in Berührung gebracht. Gut und gerne sind diese Produkte völlig überteuert, was den Kindern aber zum einen so nicht bewusst ist, denn wenn das Geld alle ist kommt irgendwann schon das nächste Taschengeld, bis dahin treten eben keine laufenden Kosten auf, zum anderen schwingt ein gewisser gesellschaftlicher Druck mit, denn alle anderen haben es natürlich auch schon probiert und erzählen davon.
Das alles wird natürlich von der Inflation noch verschärft, denn zum Teil haben wir Erwachsenen ein total anderes Bild von der preislichen Einordnung mancher Lebensmittel oder Konsumgüter, unsere Kinder wachsen damit auf, dass das eben so normal ist und da können wir Älteren noch zehn Mal sagen, dass früher alles besser und günstiger war, davon wird es heutzutage auch nicht mehr billiger. Die von der Inflation geprägte Welt ist bereits die Realität der Kinder und wie auch bei uns damals ist die Meinung von Alten greisen die schon viel gesehen haben weniger wert als die eigenen Erfahrungen die man sammelt.
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