Negativ, wenn Probevortrag eindeutig zu lang ist?

vom 23.05.2017, 05:02 Uhr

An meiner Universität fand vor kurzem ein Vorsingen statt. Für die Laien unter uns, die das nicht kennen: Vorsingen bedeutet, dass die Stelle des Professors neu besetzt werden soll. Die Bewerber finden sich in der Regel zum so genannten "Vorsingen" ein und halten einen Probevortrag. Es werden dann auch kritische Fragen gestellt oder Fragen zur Person und hinterher debattiert die Berufungskommission darüber, ob der Kandidat geeignet wäre oder nicht. Wenn alles gut läuft, wird aus den Bewerbern irgendwann der Professor berufen.

Ich selbst war nicht anwesend, dafür aber eine Bekannte von mir. Ich fragte sie dann auch, wie das Vorsingen gewesen sei und welchen Eindruck die Kandidaten gemacht hätten. Sie meinte, dass die meisten Vorträge deutlich länger gedauert hätten. Vorgeschrieben waren 20 Minuten Probevortrag und 10 Minuten Diskussion. Die meisten Bewerber hätten aber 45 Minuten in Anspruch genommen und sich überhaupt nicht an die Zeitvorgaben gehalten.

Ich meine, dass man als Referent keinen Einfluss darauf hat, wie lang die Diskussionsrunde wird, sollte klar sein. Aber ich hätte jetzt erwartet, dass man sich an die Vorgaben zur Länge des Probevortrags hält. Im Studium wurde uns eingetrichtert, dass wir die Zeitvorgaben peinlich genau einhalten sollen, weil das sonst negativ gewertet werden würde. Wie ist das aber bei einem Probevortrag eines Bewerbers? Würdet ihr das grundsätzlich auch als negativ werden oder ist das nicht so schlimm? Findet ihr es vielleicht sogar eher positiv, wenn jemand länger spricht, weil man so einen besseren Eindruck von ihm bekommt?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Es ist für einen Menschen mit Fachwissen teilweise wirklich schwer einen Vortrag zu halten. Er möchte dann alle Punkte und Aspekte unterbringen und das führt wiederum dazu, dass der Vortrag länger wird. Generell finde ich es aber auch nicht negativ, wenn ein Probevortrag länger dauert. Bei manchen Menschen fällt es durch ihre Art zu reden auch eher auf, weil sie eine monotone Stimme haben, aber wenn der Vortrag gut strukturiert und interessant ist, hört man doch gerne auch etwas länger zu.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ganz im Gegenteil. Also sowas von ganz. Gerade Professoren sollte das Strukturieren, Beurteilen und Halten von Vorträgen alles andere als "teilweise wirklich schwer" fallen. Und warum? Weil das ihr verdammter Job ist, für den einige von ihnen auch extrem gut bezahlt werden. Genauso gut könnte man sich hinstellen und sagen: "Erzieherinnen tun sich im Umgang mit Kindern nun mal schwer", oder "Woher soll ein Taxifahrer auch wissen, wie lange man vom Busbahnhof zur Kongresshalle fährt?" :roll:

Es geht hier auch nicht darum, wie monoton die Stimme des Vortragenden ist, da hier ja auch kein Radiomoderator gesucht wird. Ich habe schon viele Vorlesungen von Leuten gehört, die wahrhaftig kein Thomas Gottschalk waren, aber inhaltlich und von der Struktur her war eben alles auf Top-Niveau und man hat dennoch gemerkt, dass es sich hier um eine Koryphäe auf dem Gebiet gehalten hat.

Hätte ich in diesen Fällen so etwas wie Entscheidungsgewalt inne, würde ich daher Professoren natürlich auch danach beurteilen, ob sie sich an zeitliche Vorgaben halten können oder glauben, über derlei Kleinigkeiten erhaben zu sein. Manche sind auch schlicht verpeilt und kommen immer vom Hundertsten ins Tausendste. Aber beides ist sowohl bei der Lehre nicht gerade von Vorteil als auch bei Forschungsprojekten, die auch oft kurz vorgestellt werden müssen oder sensible Deadlines haben, weil sonst die Kohle gekürzt wird. Ideal wäre es, wenn der Inhalt beeindruckt und der entsprechende Forscher auch die Fähigkeit hat, verständlich zu erklären und Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Das nennt man analytisches Denken und ist in dem Metier etwa so unverzichtbar wie ein Hobel für einen Schreiner.

Andererseits weiß ich aber natürlich auch, dass sich gerade Professoren im Hinblick auf Professionalität einiges herausnehmen können, wenn sie einen herausragenden Ruf haben und so der ganzen Hochschule einen gewissen Glanz verleihen. Dann ist es oft egal, wenn jemand schon ein bisschen senil ist oder keine Ahnung hat, wie lange 20 Minuten dauern.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Für mich ist das ein negativer Aspekt, wenn sich jemand nicht an die Vorgaben hält und dann länger Redet und Zeit beansprucht, als sie ihm zusteht. Auch wenn man Fachwissen hat, dann kann man damit auch jemanden über Wochen bequatschen aber die Kunst und der Job ist es, dass ganze in 20 Minuten über die Bühne zu bringen damit ein Eindruck entstehen kann.

Es ist ihr Job das zu machen und wer sich nicht daran hält, der hat die Vorgaben nicht erfüllt und ist in meinen Augen auch kein geeigneter Kandidat. Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder das macht was ihm gerade beliebt? Dann könnte man jeden Termin getrost vergessen und alle weiteren Planungen ebenfalls. Wenn diese Vorgabe besteht, dann richte ich meinen Vortrag auch auf 20 Minuten aus +-2 Minuten. Diskussionen kann man ebenfalls in 10 Minuten über die Bühne bringen, man muss keine 10 Minuten auf jede Frage antworten und ansonsten kann man auch einfach mal selbst Einhalt gebieten und verkünden, dass die Vorgegebene Zeit abgelaufen ist und daher keine weiteren Fragen möglich sind.

Ich kenne es ehrlich gesagt auch so, dass ein Moderator anwesend ist beim Vorsingen und wenn jemand meint außerhalb der Reihe zu tanzen und alles zu verlängern, dieser dann auch einen Strich vorschiebt und auch anweist zum Ende zu kommen wenn die Zeit abgelaufen ist. Selbst wenn es mitten im Vortrag ist, einfach damit jeder die gleichen Chancen hat und nicht der eine 2 Stunden redet und ein anderer dafür nur 20 Minuten hat.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



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