Natürliche Tierhaltung nicht immer zu bevorzugen?

vom 08.12.2015, 17:32 Uhr

Viele bevorzugen eine Tierhaltung, die ein wenig wie die Lebensweise der Tiere oder artverwandter Tiere in der Natur wäre. So wird etwa das Terrarium der Reptilien eingerichtet wie ein Stück Natur oder Katzen sollen eben nicht auf das Menschenklo, auch wenn man ihnen das antrainieren könnte usw.

Ich frage mich manchmal, ob diese Ansicht, nun unbedingt eine möglichst naturnahe Haltung herzustellen, nicht nur auf romantischen Vorstellungen der Halter beruht, die eben denken, das Tier bräuchte das. Wir Menschen fühlen uns nur deswegen, weil das der Urmensch mal so machte, ja auch nicht mit dürftiger Fellbekleidung und in einer Höhle lebend wohl. Vielleicht würde das beispielsweise die Katze gar nicht schlimm finden oder gar bevorzugen, wenn sie kein normales Katzenklo hätte.

Ist die naturnahe oder natürliche Tierhaltung wirklich immer besser? Oder redet man sich das ein, weil man gewisse Dinge aus anderen Gründen schöner oder erstrebenswert findet?

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Du würdest es also angenehm finden auf engsten Raum mit Menschen zu leben, die viel größer sind als du und dich dann nicht mehr raus lassen? Ich denke, dass man es einem Tier so angenehm wie möglich gestalten sollte. Gerade ein Tier, was in natürlicher Umgebung viel Bewegung hat, kann man ja nicht mal eben einschränken, in dem man es dann einsperrt und nicht laufen lässt. Das ist einfach nur unfair dem Tier gegenüber. Man sollte schon versuchen, dass das Tier ein schönes Leben hat.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Nimmt man die Katze, dann ist das Verhalten, wie sie ihr Geschäft verrichtet, angeboren. Es wird ihr nicht besser gefallen, wenn sie die instinktiven Abläufe nicht mehr machen kann. Genauso wie das Leben in einer Wohnung extrem langweilig ist. Dazu fehlt dann ohne eine zweite Katze jede Möglichkeit zur normalen Kommunikation.

Ähnlich ist es bei Tieren im Terrarium. Sie benötigen die Möglichkeit sich zu verstecken, unterschiedliche Temperaturzonen aufzusuchen und zu klettern. Da bietet sich das Abbilden des natürlichen Lebensraums an.

Als Mensch benötigst du doch auch bestimmte Lebensbedingungen. Würde man dir die nehmen, würdest du mit der Zeit verrückt. Müsstest du so aufwachsen, wären schwere Verhaltensstörungen die Folge. Warum sollte das bei Tieren so anders sein?

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Es kommt natürlich darauf an, ob es sich wirklich um artgerechte Tierhaltung handelt oder ob der Halter falsch informiert ist oder falsche Vorstellungen hat. Aber prinzipiell kann ein Haustier, anders als ein Mensch, dem man Dinge erklären kann, der für die Zukunft planen und abstrakt denken kann, natürlich nicht aus seiner Haut. Egal, um welche Tierart es sich handelt: wenn das Geschöpf seine angeborenen Verhaltensweisen nicht ausleben kann, sorgt das für Stress.

Und ein verantwortungsvoller Tierhalter möchte im Idealfall das arme Vieh ja nicht quälen, sondern ihm das bestmögliche Leben ermöglichen. Dazu gehört beispielsweise eben auch, dass man Arten, die von Natur aus alleine leben, nicht dutzendweise in Kisten sperrt oder im Rudel hält, weil man von allzu menschlichen Vorstellungen von "Einsamkeit" getrieben wird.

Bei "klassischen" Haustieren wie Hund oder Katze sollte man sich jedoch auch im Klaren sein, dass diese Arten seit Jahrtausenden domestiziert und planvoll gezüchtet wurden, sodass sie mit ihren wilden Verwandten nicht mehr viel gemeinsam haben. Nur weil eine Wildkatze oder ein Wolf auch im härtesten Winter draußen überleben (oder auch nicht), heißt das noch lange nicht, dass ein Stubentiger oder ein überzüchtetes, schlotterndes Schoßhündchen diese natürliche Tierhaltung bevorzugen würden. Man muss eben Kompromisse finden und die Bedürfnisse des Tiers über die des Menschen stellen. Letztere können sich schließlich nicht wehren.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Was soll denn an einem Katzenklo naturnah sein? Naturnahe wäre, wenn die Katze draußen leben würde ohne Klo.

Ich habe meine Hamster und Mäuse nie wirklich naturnah gehalten. In erster Linie deswegen, weil das auf so engem Raum nicht geht. Ein Hamster legt ja in der Natur mehrere Gänge an, einen als Klo, einen als Vorratskammer, einen zum Schlafen, etc. Das geht leider nicht in Privathaltung.

» Sternenbande » Beiträge: 1860 » Talkpoints: 70,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Wenn man als Mensch ein Tier hält, ist das immer ein Kompromiss. Es muss ja für beide passen. Wenn man sie wirklich naturnah halten würde, hält man sie gar nicht, um es mal ganz plump auszudrücken. Also die Haltung durch Menschen ist niemals natürlich.

Das, was dann beim Versuch, dem Tier gerecht zu werden, rauskommt ist bei Weitem nicht artgerecht oder naturnah. Auch ein Reptil in einem mit Pflanzen und Steinen gestalteten Terrarium ist meilenweit von seinem natürlichen Lebensraum entfernt. Meiner Meinung nach reden wir uns so etwas schön, in dem wir Worte wie "naturnah" und "artgerecht" verwenden.

Ich nehme mich da nicht aus. Ich halte fünf Tierarten und versuche da mehr oder weniger auch, dass sie artgerecht und natürlich leben. Aber letztlich bleibt das eine Illusion. Selbstverständlich sperre ich die Hühner abends in den Stall, die Kaninchen leben innerhalb eines Geheges und beim Hund ist es sowieso am allerweitesten von der Natur entfernt. Die liegt gerade neben mir im Bett.

Nicht jede dieser Abweichungen ist nur zu meiner Bequemlichkeit. Viele Kompromisse muss man eingehen, weil die Haltung sonst gar nicht möglich wäre. Viele Abweichungen sind allein zum Schutz der Tiere da. Einige aber auch, weil man es ihnen gönnt. Weil sie eben in Menschenhand nicht ständig der Natur ausgeliefert sein müssen. Die Natur kann ja auch mal recht grausam sein.

Ich gebe Dir also vollkommen Recht. Die naturnahe Haltung wäre für die Tiere gar nicht der Idealzustand. Wenn wir wirklich die Natur daheim imitieren würden, hätten unsere Tiere Fressfeinde, Stress bei der Futtersuche, Probleme einen Schlafplatz zu finden, jedes Jahr Nachwuchs und wären Wind und Wetter ausgesetzt. Aber so naturnah kann man ein Tier doch gar nicht halten.

Romantisierend finde ich den Versuch aber nicht. Tiere sind keine Menschen. Man kann das nicht vergleichen. Selbst ein domestizierter Hund lebt noch viel mehr nach seinen Instinkten als wir Menschen. Sicherlich wollen Katzen auch mal gerne stundenlang auf der Couch liegen, wenn es draußen schneit und nicht ganz "natürlich" draußen frieren.

Aber sie haben immer noch viele Grundbedürfnisse, die man mit dem Versuch einer artgerechten Haltung befriedigen sollte. Sie haben sich noch nicht so sehr von ihrer Natur abgewandt, beziehungsweise können das aufgrund fehlender Denkweisen gar nicht.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Wie willst du ein Tier natürlich halten, dass es in der Natur nicht geben würde, Bienenkönigin? Je weiter Tiere domestiziert sind, desto mehr sind ihre Bedürfnisse dem Menschen angepasst. Nur heißt es eben nicht, dass sie gar nichts mehr aus ihrem ursprünglichen Lebensraum benötigen.

Zig Hunde und Katzen könnten ohne Menschen nicht überleben. Hunde sind viel zu aggressiv und verletzen sich untereinander viel häufiger als Wölfe. Oft sind natürliche Geburten nicht mehr möglich. Unsere Fürsorge hat Verhaltensweisen ermöglicht, die auf sich allein gestellt tödlich wären. Selbst die innerartliche Kommunikation funktioniert nicht mehr.

Hochleistungsrassen in der Landwirtschaft würden draußen verhungern. Ohne Spezialfutter wachsen die nicht langsamer, die gehen ein. Trotzdem benötigen diese Tiere immer noch ein Mindestmaß an möglichst naturnaher Haltung.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



cooper75 hat geschrieben:Wie willst du ein Tier natürlich halten, dass es in der Natur nicht geben würde, Bienenkönigin? Je weiter Tiere domestiziert sind, desto mehr sind ihre Bedürfnisse dem Menschen angepasst. Nur heißt es eben nicht, dass sie gar nichts mehr aus ihrem ursprünglichen Lebensraum benötigen.

Nichts anderes habe ich geschrieben. Man versucht es, so natürlich wie möglich. Was man sich eben darunter vorstellt. Das ist bei einem domestizierten Tier sicherlich schwieriger als bei einem Reptil. Aber vollkommen erreicht wird der natürliche Lebensraum nie, weil das gar nicht möglich ist. Aber der Versuch ist gut und nicht romantisierend, weil Tiere eben keine Menschen sind. Wir widersprechen uns da gar nicht, Cooper.

Hochleistungsrassen in der Landwirtschaft würden draußen verhungern. Ohne Spezialfutter wachsen die nicht langsamer, die gehen ein. Trotzdem benötigen diese Tiere immer noch ein Mindestmaß an möglichst naturnaher Haltung.

Wo bei Massentierhaltung noch ein Mindestmaß eingehalten wird, sehe ich aber nicht. Vielleicht darin, dass sie Luft atmen?

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ich habe nicht gesagt, dass dieses Mindestmaß eingehalten wird. Ich habe nur gesagt, das es eingehalten werden müsste. Denn die Tiere überstehen schließlich noch nicht einmal die heutzutage sehr kurzen Mastzyklen ohne Schaden.

Das zeigt doch sehr deutlich, dass eine möglichst naturnahe Haltung dem Tier mehr bringt als eine Variante, bei der aus menschlicher Sicht die wichtigsten Bedürfnisse befriedigt werden. Denn bei natürlicher Haltung treten diese Probleme gar nicht erst auf. Das gilt für niedliche Haustiere ebenso wie für Nutztiere.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


cooper75 hat geschrieben:Ich habe nicht gesagt, dass dieses Mindestmaß eingehalten wird. Ich habe nur gesagt, das es eingehalten werden müsste. Denn die Tiere überstehen schließlich noch nicht einmal die heutzutage sehr kurzen Mastzyklen ohne Schaden.

Ach so. Ja, das stimmt. Selbst total überzüchtet sind es noch Tiere, die Bedürfnisse haben, die denen der Ursprungsform im natürlichen Lebensraum entsprechen.

Um auf den Ausgangsthread zurückzukommen: Ich finde es auch eher romantisierend, wenn man den Tieren ihre natürlichen Bedürfnisse abspricht und glaubt, dass sie wie Menschen eher Bequemlichkeit und Luxus bevorzugen würden. Damit vermenschlicht man sie und sieht sie in einem Licht, das man selber gerne hätte, weil es einem entgegenkommt. Das ist doch viel eher romantisierend.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


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