Nach Insight-Bericht Meinung über Einzelhandel ändern?

Auf YouTube gibt es ein paar Formate, in denen ehemalige Mitarbeiter Einblick in die Abläufe von Einzelhandelsgeschäften und Restaurants geben. Meistens handelt es sich dabei um bekannte Ketten, wie Aldi, Lidl, Rewe, Mc Donalds, Subway usw. User können dann Fragen stellen und bekommen eine offene Antwort.

Ich erwische mich dabei, dass ich nach solchen Berichten meine Meinung über die Läden ändere. Manchmal zum Positiven und manchmal zum Negativen. Ist euch das auch schon mal so gegangen oder wie reagiert ihr auf solche Berichte?

Brauchst du da wirklich sogenannte Insighter-Berichte? Es ist schon seit Jahren bekannt, dass vor allem in den Ketten nicht gerade die besten Arbeitsbedingungen herrschen. Vor Jahren musste eine Kassiererin im Aldi noch über 1.000 Produkte mit ihren Kassencodes innerhalb weniger Tage im Kopf haben.

Und wenn man sich in den Läden mal genauer umschaut, so wird man merken, dass immer weniger Personal die Abläufe bewerkstelligen muss. Wo früher mal 4 bis 6 Leute die Waren verräumt haben, sind es heute in Spitzenzeiten gerade mal 3 Angestellte, wobei einer davon auch noch die Kasse macht.

Ich finde Enthüllungsjournalismus in den meisten Fällen banal und langweilig, zumal da es ja nur darum geht, mit billiger Empörung vorübergehend Quote zu machen, bis die nächste Sau durchs Dorf getrieben wird. Soso, bei Aldi zu arbeiten ist kein Zuckerschlecken und auch nicht übertrieben gut bezahlt? Ja, woher glaubt ihr denn, dass der Kram so billig ist? Oder bei McD und Konsorten gibt es gepresstes Formfleisch aus Massentierhaltung? Sag bloß.

Und wenn die künstliche Erregung wegfällt, weil die Berichterstattung überraschend positiv ist und im Einzelfall auch mal mit ein paar Vorurteilen aufräumt, bleibt ja nur noch Langeweile übrig. Schön, dass Einzelhandelskette X nur noch fair gehandelten Kaffee anbietet und energiesparende Wursttheken eingeführt hat. Nur wieso sollte ich mir dazu "Insighter"-Berichte anschauen?

Auch Journalisten haben irgendwann ihre Tantiemen aus früheren RoRoRo-Büchern und dergleichen aufgebraucht und finden beispielsweise beim Privatsender RTL dann offene Türen für ihre Dienste vor.Team Wallraf Dass sogar derartige Filme im Fernsehen offenbar zu personellen Konsequenzen bei den aufs Korn genommenen Restaurantketten führen würden, wird dann von denen wiederum vehement dementiert.

Man kann nur vermuten, die Geschäftsleitung wollte dem Enthüllungsjournalismus nicht noch die Stange halten, sondern blieben lieber bei der Behauptung, sie hätten so oder so ohne "Team Wallraff" Veränderungen an ihren Geschäften vornehmen wollen.

Das mutet für mich an wie Heuchelei in höchster Potenz. Was anderes als radikale Veränderungen, in letzter Konsequenz auch auf dem Personalsektor, hatten denn die Fernsehmacher im Sinn? Das rückt diese Art von Enthüllungsjournalismus so ins Zwielicht. Einerseits Leute ans Kreuz nageln, wird etwas im Sinne der Veränderung tatsächlich dann in die Tat umgesetzt, wird wieder ein Rückzieher gemacht. Und das wohl nur, um nicht die Folgen einer eventuell einsetzenden Justiziabilität tragen zu müssen.

Hier kam aber offenbar die Geschäftsleitung in ihrer Darstellung dem Fernsehbusiness zuvor. Und die Frage, ob sich bei mir in der Einschätzung der Restaurants durch die Undercover-Berichterstattung etwas geändert hätte, kann ich jetzt, allerdings auf eine andere Restaurantkette bezogen, durchaus bejahen. Jetzt weiß ich auch endlich, wieso es mir nach einem Schnellrestaurantbesuch schlecht geworden war. Dabei sahen die Sachen doch so lecker aus. Vorerst mache ich einen großen Bogen um derartige "Restaurants". Lieber ertrage ich das Hungergefühl.