Mutter kümmert sich nicht um suizidales Kind

vom 05.06.2016, 01:59 Uhr

Eine Forenbekanntschaft erzählte vor ein paar Wochen etwas, was mit seitdem keine Ruhe lässt, weil ich die Handlungsweise der betroffenen Mutter nicht wirklich nachvollziehen kann. Die Handlungsweise des Forenusers allerdings auch nicht wirklich.

Die Klasse der Tochter meiner Forenbekanntschaft wurde durch einen Jungen besucht, der durch sein unmögliches Verhalten immer wieder aufgefallen ist. Er kasperte gerne rum, provozierte die Lehrer und Mitschüler und war generell sehr auffällig. Der Junge wuchs bei seiner Mutter auf, die wohl auch sehr schwierig war und der Vater des Kindes war verschollen oder sogar unbekannt.

Eines Tages versuchte der Junge in Selbsttötungsabsicht aus dem Fenster zu springen. Im Beisein des Lehrers und der Mitschüler. Die Schulleitung hat den Jungen daraufhin vom Unterricht befreit. Begründet wurde das damit, dass die Gefahr für die Lehrer, Mitschüler und vor allem dem Jungen viel zu hoch seien.

Der Junge wurde aber scheinbar nicht in der Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht. Statt des regulären Unterrichts, wurde der Junge dann den ganzen Tag im Hort betreut, den er sonst nur nach dem Unterricht besucht hatte. Die Mutter ist weiter arbeiten gegangen, als wenn nichts gewesen wäre.

Laut dem Forenuser hat der Junge wohl später noch mal einen ähnlichen Versuch unternommen. Eingegriffen hat der User allerdings nicht. Ich als Elternteil eines Kindes, in dessen Klasse sich vor den Augen der Kinder ein Mitschüler versucht das Leben zu nehmen, würde wahrscheinlich versuchen irgendetwas zu unternehmen.

Allerdings würde ich auch als Mutter einen solchen Versuch, egal aus welchen Gründen der Junge so gehandelt hat, nicht emotionslos an mir vorbei ziehen lassen, sondern würde alles unternehmen, damit es meinem Kind besser geht. Ich selber halte es für wenig sinnvoll, das Kind dann eben von anderer Stelle betreuen zu lassen. Ich würde professionelle Hilfe, akut auch im stationären Bereich, eindeutig präferieren.

Könnt ihr nachvollziehen, wenn sich eine Mutter nicht um ihr suizidales Kind kümmert und es einfach in den Hort abschiebt, weil die Schule eine Beschulung ablehnt? Welche Wege würdet ihr gehen, wenn euer Kind sich mit der Absicht, sich das Leben zu nehmen, aus dem Fenster springt?

» Fugasi » Beiträge: 1877 » Talkpoints: 1,33 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Wenn die Mutter vielleicht alleinerziehend ist und nicht anders klarkommen würde, kann man das eventuell etwas verstehen, dass sie für sich keinen anderen Ausweg sieht, aber rein menschlich gesehen und aus Muttersicht kann man das natürlich von außen nicht verstehen. Ich würde meinem Kind auch helfen und selbst wenn ich dann eine Weile arbeitslos werden würde, wäre mir das mein Kind wert, aber vielleicht will sie einfach die Grundlage nicht verlieren oder hat auch einfach die Situation falsch eingeschätzt.

Von außen kann man das aber sicherlich eh schwer bewerten, wenn man die betreffenden Personen nicht kennt. Ich als Mutter würde natürlich immer sagen, dass ich alles für mein Kind machen würde und dann eben auch professionelle Hilfe mit dem Kind zusammen in Anspruch nehmen würde, wenn das Kind in so einer Situation ist, aber letztendlich war ich auch noch nie in so einer Situation und ich denke, dass jeder Mensch auch mal schlechte Entscheidungen trifft. Vielleicht hat sie es einfach falsch eingeschätzt und unterschätzt.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Was gibt es daran nicht zu verstehen? Depression ist eine Krankheit, die familiär gehäuft vorkommt und es kann durchaus sein, dass wenn das Kind schon depressiv ist, die Mutter auch depressive Tendenzen hat. Wenn man Depressionen hat, weiß man zwar theoretisch was zu tun ist (als Mutter), man ist aber gefangen in seiner eigenen Gefühlswelt und hat nicht die Kraft sich aufzuraffen und das zu tun was richtig ist. Ich vermute daher ganz stark, dass die Mutter selbst psychische Probleme hat und daher gar nicht anders kann, als sich eher um sich selbst zu beschäftigen als mit ihrem Kind.

Ich habe selbst depressive Mütter beobachten können, wo die Kinder dann teilweise auch depressiv geworden sind. Die Mütter hatten nicht die Kraft sich zu kümmern, sie waren schon fast ausgebrannt durch die Arbeit um die finanziellen Mittel zu bekommen und dann noch die Kindererziehung da alleinerziehend. Ich finde das gar nicht verwerflich und kann solche Mütter sehr gut verstehen. Dabei handelte es sich um Mütter, die ansonsten sehr liebevoll waren und alles andere als tyrannisch oder ignorant. Es fehlt nur die Kraft, aus den eigenen depressiven Gedanken auszubrechen und leider ist es so, dass man mit Depressionen nur seine eigenen (negativen) Gedanken und Gefühle sieht und meint, dass es anderen gar nicht so schlecht gehen kann als einem selbst.

Daher finde ich es falsch, diese Mutter vorzuverurteilen. Mag sein, dass du anders gehandelt hättest als (gute) Mutter, aber weißt du überhaupt was Depressionen sind und wie man sich da fühlen würde? Ich wette mit dir, wenn du depressiv wärst, würdest du genauso handeln wie diese Mutter, leider. Als gesunder Mensch hat man immer leicht reden, man wird nie wissen wie es ist krank zu sein, wenn man diese Krankheit nie hatte.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Fugasi hat geschrieben:Könnt ihr nachvollziehen, wenn sich eine Mutter nicht um ihr suizidales Kind kümmert und es einfach in den Hort abschiebt, weil die Schule eine Beschulung ablehnt? Welche Wege würdet ihr gehen, wenn euer Kind sich mit der Absicht, sich das Leben zu nehmen, aus dem Fenster springt?

Da ich die genauen Hintergründe der Familie nicht kenne, kann man auch nicht wirklich viel dazu sagen. Aber ich als Mutter würde mit meinem Kind zu einer sozialen Einrichtung oder Beratung gehen, damit man die Ursachen für so ein Verhalten auf den Grund gehen kann. Ich wäre sehr beunruhigt, wenn mein Kind so etwas machen würde und ich würde jede mögliche Hilfe in Anspruch nehmen, damit das nicht noch einmal vorkommt, denn es ist ja in meinen Augen ein Hilfeschrei des Kindes.

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» EmskoppEL » Beiträge: 3423 » Talkpoints: 20,21 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich kann mir vorstellen, dass hier einiges zusammenspielt. Die Mutter könnte tatsächlich Depressionen haben oder einfach damit überfordert sein. Es ist einfacher, das von sich zu schieben und so tun, als ob kein Problem bestehen würde.

Auch ist Selbstmordversuch nicht gleich Selbstmordversuch. Vielen solchen Versuchen merkt man deutlich an, dass sie nur ein Hilfeschrei sind und der Jugendliche noch lange nicht an dem Punkt ist, dass er wirklich springen würde. Vielleicht hat er "nur" rumgeschrien, dass er es tun würde und hatte sich schon einen Stuhl zurechtgerückt. Das ist ein Unterschied zu Abschiedsbrief schreiben und ganz allein zu einem sehr hohen Hochhaus zu fahren etc.

Ich will das damit nicht verharmlosen. Aber das könnte zumindest schon ein Grund dafür sein, dass sich da niemand von offizieller Seite eingeschaltet hat. Ich hab mit etwa 15 Jahren auch mal Tabletten genommen, ich wachte nicht mehr auf und kam ins Krankenhaus. Aber die Menge war so gering, dass mir nicht mal der Magen ausgepumpt werden musste. Da hat auch nie ein Jugendamt nachgefragt, wie es mir geht.

Und meine Mutter hat sich da auch nicht groß drum gekümmert. Vielleicht hatte sie heimlich ein Auge auf mich, aber wir haben nie groß drüber geredet. Geschweige denn, dass sie mich in professionelle Hände gegeben hätte. Vielleicht nach dem Motto: sobald die Pubertät vorbei ist, wird´s wieder besser und sie würde das eh nie wirklich machen. Alles nur hysterisches Verhalten eines Teenagers etc.

Also ich denke, dass das so tausendfach jeden Tag passiert. Es ist einfacher, es herunterzuspielen und sich nicht damit zu befassen. Man muss ja auch bedenken, dass ein Kind, das sich das Leben nehmen will - oder auch nur als Hilfeschrei so tut - daheim nicht wirklich glücklich sein kann. Wenn es nur schulische Probleme hätte, aber eine wunderbare Beziehung zu den Eltern, wäre es nie so weit gekommen.

Also liegt da eh schon viel im Argen, man redet nicht viel miteinander, das Kind fühlt sich dort nicht sicher und geborgen und verstanden. Wie sollen das die Eltern an nur einem Tag um 180 Grad drehen?

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Weiß denn jemand, ob die Mutter sich nicht schon gekümmert hat? Du schreibst selbst, dass der Junge angeblich immer recht auffällig in seinem Verhalten ist. Es muss also keine ernsthafte Drohung sein, sondern nur ein Mittel zum Zweck, damit er im Mittelpunkt steht. Sich hinzustellen und auf die Mutter zeigen, wie ignorant sie sich verhält und sich nicht kümmert, ist es recht leicht.

Ob es wirklich so ist, weißt weder du noch deine Forenbekanntschaft. Wie es dort mit der Beschulung auf einer speziellen Schule aussieht, weiß ich nicht. Aber bei uns gibt es sogenannte E-Schulen. Dort werden die Kinder beschult, die eine erhöhte Aufmerksamkeit und Betreuung benötigen, die an einer normalen Grund- oder Oberschule nicht geboten werden kann.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


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