Muss ein Mensch sich alles von der Seele reden können?

Mir hat mal jemand gesagt, dass ein Mund dazu da ist, um alles auszusprechen, was ein Mensch fühlt. Dabei wurde mir immer gesagt, dass Menschen das auch brauchen, um sich einfach alles von der Seele sprechen zu können, weil man sonst an Probleme, Schwierigkeiten, Erfahrungen & Co wörtlich gemeint, platzen würde.

Ich bin persönlich aber der Meinung, dass ich eben nicht mit jedem darüber reden muss, wie es mir heute geht, was mich nervt oder stört. Doch meine Bekannten sehen das komplett anders. Sie sind der Meinung, man muss über alles und jeden „Furz“ reden. Der Gegenüber, den das betrifft soll man auch alles sofort sagen, damit man es nicht in sich reinfrisst.

Seid Ihr die Sorte „Menschen“, die gerne all ihre Probleme ausdiskutieren, besprechen und offen jedem erzählen, der Euch nach dem Wohlbefinden fragt? Oder denkt Ihr auch wie ich, dass nicht immer alles direkt auf den Tisch gepackt werden muss?

Es ist sehr gut, dass wir unsere Gefühle und Erlebnisse ausführlich mit anderen Teilen können. Es gibt viele Menschen, denen dies sehr helfen kann, weil sie sich durch Reden freier fühlen. Es ist jedoch nicht zwingend notwendig, dass man über alles redet. Es hängt schlichtweg vom Charakter ab, wie mitteilsam man ist. Ich persönlich kann vieles für mich behalten und brauche nicht zwingend einen Redepartner, um meine Probleme bewältigen zu können.

Ich würde hier schon differenzieren. Ich bin schon der Ansicht, dass jeder Mensch die Gelegenheit bekommen sollte, sich Dinge von der Seele zu reden, wenn er das Bedürfnis akut hat. Ich gehöre auch zu den Menschen, denen es direkt besser geht, wenn sie alles in Worte gepackt haben. Das Reden hilft mir, meine Gedanken zu sortieren und zu analysieren, warum ich so fühle und denke in Situation X und ich kann besser alles verarbeiten und damit umgehen. Wenn der Dampf raus ist, ist er raus und dann belastet mich etwas auch nicht mehr.

Allerdings gehöre ich nicht zu den Menschen, die sofort immer über alles reden müssen und ich unterscheide schon, mit wem ich darüber spreche. So ziehe ich bei Problemen eher das Gespräch mit dem Partner oder einer engen Freundin vor, ich würde mich nie bei einer Kollegin ausheulen oder bei einer Frau, die zufällig im Zug neben mir sitzt. Das finde ich dann albern. Ich gehöre zu den Menschen, die dann ein Pokerface aufsetzen bis sie die Gelegenheit hat, über bestimmte Sachen zu sprechen. Ich möchte nicht alles und jeden teilhaben lassen an meiner Welt und beziehe da nur die "Elite" mit ein.

Als zutiefst introvertierter Mensch mache ich mein Seelenleben am liebsten mit mir selber aus. Ich kenne mich selber am besten und bin, ehrlich gesagt, auch ein ziemlich egozentrischer Typ. Von daher kreisen sowieso viele meiner Gedanken um mich selber, und ich tue mich schwer damit, andere Leute damit zu belästigen.

In vielen Fällen liegt die Lösung eines Problems sowieso auf der Hand und/ irgendwelche anderen Leute können einem sowieso nicht dabei helfen. Ich habe immer das Gefühl, wenn ich einfach nur davon erzähle, was mich gerade bedrückt, ist es meinem Gegenüber entweder egal oder, wenn mich die Person mag, ist sie selber bedrückt, weil sie natürlich nicht möchte, dass ich Probleme habe.

Aber ich weiß natürlich auch, dass andere Leute ihre Probleme auf andere Art versuchen zu lösen und dass es vielen hilft, darüber mit Anderen zu sprechen. Meine Art muss schließlich nicht die einzig wahre und richtige sein. Deswegen halte ich es generell schon für positiv, wenn jemand zumindest die Möglichkeit hat, sich alles von der Seele reden zu können, egal ob es jetzt in irgendeiner Therapie oder bei Freunden und Familie stattfindet. Ich selber muss diese Möglichkeit ja nicht wahrnehmen, und habe bei mir auch nicht das Gefühl, irgend etwas in mich "hinein zu fressen", wie es so schön heißt. Man sollte nicht immer von sich selbst auf andere schließen, das ist das ganze Geheimnis.

Ich glaube nicht, dass man das verallgemeinern kann. Jeder Mensch hat ein individuelles Wohlbefinden und manche Leute fühlen sich eben wohl, wenn sie sich alles von der Seele reden können. Diese Leute reden über alles, selbst die intimsten Dinge, die ein normaler Mensch mit niemandem teilen würde, teilweise mit wildfremden Menschen. Noch schlimmer ist es, wenn es diese Menschen dann nicht mal interessiert. Schön ist es auch dann, wenn man in der Öffentlichkeit ist und sich dann zwei Leute zum Beispiel über ihre Ausscheidungen oder den jüngsten Scheidenpilz im Bus unterhalten.

Ich selbst gehöre eher zu den Menschen, die solche Sachen meist eher mit sich selbst ausmachen. Grade dann, wenn es Sachen sind, die nicht sonderlich wichtig sind, habe ich nicht das Bedürfnis sie jedem mitzuteilen und behalte sie dann lieber für sich. Auch dann, wenn es Banalitäten sind - ich frage mich da auch immer, ob es die anderen Menschen wirklich interessiert, wenn ich das jetzt erzähle? Wenn ich mir nicht sicher bin oder es sie nicht interessiert, dann behalte ich es für mich und gehe ihnen damit nicht auf die Nerven.

Wenn es jedoch etwas wichtiges ist und es mich zum Beispiel belastet, dann rede ich durchaus mit anderen Menschen darüber. Jedoch nicht mit irgendwelchen Beliebigen Menschen, sondern mit den Menschen, die mir am Herzen liegen und bei denen ich weiß, dass sie mir auch helfen können und sich für meine Probleme interessieren. Da habe ich das Gefühl, dass ich gut aufgehoben bin und habe auch kein Problem mein Herz auszuschütten. Jedoch würde ich dies auch nicht ausnutzen und auch nur Sachen ansprechen, die wirklich wichtig sind - genau so ist es für meine Freunde.