Musiktext als behindertenfeindlich empfinden?
Wohl jeder kennt das bekannte Lied von Geier Sturzflug "Bruttosozialprodukt". Gibt man es im Youtube oder einer anderen Plattform ein und hört es sich an, dann kennt man es sicher. Jedenfalls kommt ja im Text irgendwann einmal vor: "Sie amputieren ihm sein letztes Bein und dann kniet er sich wieder mächtig rein!"
Also ich habe das gleich auf Anhieb so verstanden, dass man eben immer arbeiten muss, egal ob man mit dem Kopf unter dem Arm daher kommt. Im Bayrischen Rundfunk durften Geier Sturzflug damals aber nicht auftreten, außer sie überarbeiteten die Zeile, die ich zitiert habe.
Der Grund war, dass die Zeilen angeblich laut Bayrischem Rundfunk nicht behindertengerecht waren beziehungsweise, ein Angriff auf die Menschen mit Behinderung darstellen würden.
Als sie aber dann auf Platz eins in den Charts waren, durften Geier Sturzflug trotzdem auftreten und mussten auch die Zeile nicht überarbeiten, die ja vorher als bedenklich abgestempelt wurde. Was haltet ihr davon? Würdet ihr da ebenfalls ein Problem im Text sehen? Wie interpretiert ihr das Lied?
Manchmal habe ich das Gefühl, dass manche Menschen zu viel Langeweile haben und aus lauter Langeweile überall Diskriminierung und Feindlichkeit interpretieren auch wenn das gar nicht so gemeint ist. Ich verweise auf die "Zigeunersauce" und auf die Schokoküsse, die entsprechend zensiert worden sind. Ich finde das langsam aber sicher ziemlich albern welche Ausmaße das mittlerweile annimmt. Ich hätte den Text überhaupt nicht als behindertenfeindlich interpretiert und kann auch gar nicht nachvollziehen, dass jemand darauf kommt.
Du lieber Himmel, das Lied ist von 1983! Wieso sollte man nach 35 Jahren noch ein Fass aufmachen, weil der Bayerische Rundfunk den (auch heute noch recht rotzigen und satirisch aufzufassenden Text) kritisch gesehen hat? Diese Rundfunkanstalt war noch nie besonders progressiv und der kleine Gassenhauer hat es ja trotzdem in die Charts geschafft und ist bis heute doch recht bekannt.
Unabhängig von derlei Banalitäten bin ich jedoch auch öfter hin- und hergerissen, wo die Zensur anfängt und wo die künstlerische Freiheit aufhört. Bei diesem speziellen Beispiel finde ich es relativ sonnenklar, dass jemand nur mit halbem Ohr zugehört hat, und die Kritik am völlig übersteigerten deutschen Arbeitsethos, wo sich selbst frisch Operierte und Greise ("Opa macht heut wieder Sonderschicht") freiwillig und lustvoll wieder in die Tretmühle stürzen, komplett nicht begriffen hat.
Und umgekehrt gibt es ja auch ein relativ aktuelles Beispiel für ebenso unverhohlenen wie preisgekrönten Antisemitismus in Liedtexten, der dagegen erst einmal keine Sau gejuckt hat, weil die verantwortlichen Kreaturen schließlich kommerziellen Erfolg damit hatten. Ideal wäre ein Mittelweg zwischen beiden Extremen, sprich, dass alle Beteiligten ein bisschen mitdenken.
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