Müssen Auge und Zunge bei euch synchron laufen?
Man sagt ja nicht umsonst, dass das Auge mit isst. Aber müssen bei euch bei einem Essen das Auge und die Zunge synchron laufen, also muss das Essen auch wirklich so aussehen, wie ihr euch den Geschmack dann vorstellt oder seit ihr so gestrickt, dass ein Essen, was nicht gut aussieht auch nicht schmecken kann?
Würden euch beispielsweise giftgrüne Nudeln einfach nicht schmecken, weil sie eben grün sind? Würden euch schwarze Pommes nicht schmecken, weil sie schwarz sind? Würde euch ein Resteessen, wo man alles aus dem Kühlschrank hinein gegeben hat von vorne herein nicht schmecken, weil es nicht gut ausschaut? Wie sehr müssen Auge und Zunge bei euch harmonieren?
In meiner Jugend haben eine Freundin und ich diesen Test wirklich mal gemacht. Wir haben einen einfachen Grießbrei gekocht und dieser schmeckte auch gut. Und dann haben wir ihn giftgrün eingefärbt. Die Zunge sagte, dass die Farbe auch nicht zu schmecken war. Aber schon nach kurzer Zeit sagte uns unser Kopf, dass wir den Grießbrei, den wir beide eigentlich gerne aßen, nicht essen sollten. Wir haben ihn dann stehen lassen. Wir konnten uns nicht überwinden, ihn zu essen, obwohl wir ihn selbst gekocht hatten und wussten, wieso er grün war.
Also ja, ich achte unterbewusst schon darauf, wie die Speise aussieht. Ich glaube, es kommt bei mir nicht so sehr darauf an, ob es lecker aussieht. Eine normale Teewurst, die an der Schnittstelle grau geworden ist, sieht ja auch nicht schön aus und trotzdem habe ich kein Problem damit, sie zu essen. Ich denke, es hat eher damit zu tun, dass der Grießbrei in meinem Beispiel eben keine natürliche Farbe hat und man es nicht kennt.
Bei Labskaus habe ich etwa ein ähnliches Problem. Ich weiß, was darin enthalten ist, und dass es mir schmecken müsste. Aber es sieht einfach aus wie Erbrochenes, es sieht nicht mehr nach Essen aus. Als wir letzt einen optisch misslungenen Auflauf mit ähnlichem Aussehen hatten, ging das aber. Und wenn ich mir jetzt mal ein blaues, grünes oder rotes Brot vorstelle, dann habe ich damit auch Probleme. Bei Nudeln wäre es nicht das große Problem, da es ja auch mit Spinat oder Tomaten eingefärbte Nudeln gibt. Es gibt ja sogar schwarze. Die habe ich aber schon so oft gesehen bzw. gegessen, dass das geht.
Das hängt doch von der Konditionierung an. Ich trinke seit Kindertagen eine giftgrüne Limonade, wobei ich damit nichts Negatives assoziiere. Für mich muss nicht alles perfekt aussehen, da für mich der Geschmack überwiegt. Daher verstehe ich auch Menschen nicht, die dann gefühlt Stunden lang den Teller dekorieren, damit alles hübsch aussieht. Die Optik ändert doch nichts an dem Geschmack, mal ehrlich. Gerade die gehobene Küche widert mich wegen der Optik ziemlich an. Das ist doch kein richtiges Essen, mal ehrlich. Es sieht nur hübsch aus, aber es ist so gar nicht schmackhaft.
Ich bin in dieser Hinsicht eher unempfindlich und kann durchaus auch ungewohnt und unappetitlich aussehendes Essen, das dennoch gut und schmackhaft zubereitet ist, ohne Probleme verzehren. Ansonsten hätte ich als Kind nicht mit Begeisterung jede quietschbunte neue Limo gekauft und hätte auch heute nicht so viel Spaß an Halloween-Grusel-Häppchen wie giftgrünen "Venusfliegenfallen"-Teigtaschen, abgetrennten Wurst-Fingern oder blutiger Hirnpudding-Masse. Auch würde es mir ansonsten wohl schwer fallen, mich auf schwarze Eiscreme oder Burger-Brötchen einzulassen. Noch dazu sahen meine ersten Kochanfänge in der Studienzeit auch manchmal so aus, als wären sie zum zweiten Mal auf dem Teller, und auch da konnte ich drüber hinwegsehen.
Allerdings gibt es Menschen, die so etwas überhaupt nicht vertragen. Eine Freundin von mir war da das Extrembeispiel, weil sie alles rigoros von ihrem Speiseplan gestrichen hat, wenn sie irgendeine negative Assoziation dazu geknüpft hatte. So konnte sie keinen Apfelsaft mehr trinken, weil er sie an Urin erinnert hat, verweigerte Eintopf aufgrund der Ähnlichkeit zu Erbrochenem und wollte keine Würstchen mehr essen, weil diese wie bestimmte Körperteile aussahen. Hätte man ihr in der Kindheit "Creepy Foods" oder Lebensmittelfarbexperimente vorgesetzt, wäre das sicherlich zu viel für sie gewesen.
Ich tue mich generell mit künstlich eingefärbten Lebensmitteln schwer. Grüner oder rote Nudeln sind da nicht so das Problem, ich hatte letztens auch lila Blumenkohl. Das geht bei mir alles. Ich tue mich aber schwer, wenn man auf Kindergeburtstagen auf einmal Regenbogenkuchen bekommt. Oder schwarze Burgerbrötchen sprechen mich auch nicht so an.
Es ist ein Unterschied ob etwas einfach nicht so aussieht wie die Gerichte, die auf Instagram inszeniert und präsentiert werden, oder ob etwas nicht aussieht wie das, was es eigentlich ist. Es gibt zahlreiche Beispiele und Untersuchungen darüber, wie sehr die Optik den subjektiven Geschmack beeinflusst. Da kannst du nicht behaupten, dass das bei dir nicht so sei, weil das ja nicht um bewusste Wahrnehmungen geht.
Berühmtestes Beispiel ist die durchsichtige Cola, die in den meisten Ländern ein großer Flop war, obwohl sie angeblich wie die schwarze Cola schmeckt und wegen des fehlenden Farbstoffs sogar "gesünder" ist. Nur schmeckt sie eben nicht wie Cola, weil dir dein Gehirn sagt, dass die durchsichtige Flüssigkeit keine Cola sein kann. Ich habe sie für eine Art Zitronenlimonade mit zu wenig Zitrone und zu viel Zucker gehalten.
Und wo wir gerade bei Cola sind - nimm mal den Cola Farbstoff und färbe damit Vanille Pudding ein. Wie viele Leute glaubst du wohl werden erkennen, dass sie da einen Vanille Pudding essen? Ich kann jedenfalls sagen, dass ich solche Sachen wie alle Menschen verwirrend für den Geschmackssinn finde und lieber Lebensmittel und Getränke in den gewohnten Farben habe.
Und muss mein Essen gut aussehen? Ich bemühe mich zumindest immer, dass die Sachen appetitlich angerichtet sind. Aber es gibt natürlich Gerichte, die optisch einfach nicht so viel her machen. Pilz-Risotto zum Beispiel. Der matschige Reis wird durch die braune Farbe der Pilze nun wirklich nicht attraktiver und frische Kräuter sind da auch nur Kosmetik. Aber schmecken tut es mir trotzdem.
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