Mobbing in sozialen Berufen?

vom 06.07.2018, 08:36 Uhr

Eine Bekannte von mir befindet sich im Studium und informiert sich gerade verstärkt über die möglichen späteren Arbeitsbereiche. Sie wird im pädagogischen Bereich arbeiten und meinte, dass wohl gerade in sozialen Berufen Mobbing unter Kollegen sehr häufig ist. Wie erklärt ihr euch das?

Man sollte ja eigentlich meinen, dass besonders Leute, die in diesem Berufsfeld arbeiten, solche Handlungen unter Kollegen verhindern können, bzw. dafür sorgen können, dass es gar nicht soweit kommen kann. Was könnten die Gründe dafür sein? Musstet ihr schon Erfahrungen dahingehend machen? Oder habt es anderweitig im Familien- und Freundeskreis mitbekommen?

» Viktoria_ » Beiträge: 398 » Talkpoints: 32,44 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Oh da kann ich Euch ein Lied von singen. Für einige unvorstellbar, aber ich komme ja aus einem sozialen Beruf. Doch hier ist Mobbing nicht unter meinen Kollegen direkt an der Tagesordnung, aber in etlichen anderen Bereichen. Die mobben sich, wo sie können, gönnen sich den Erfolg nicht, wenn jemand was besonderes erreicht hat und mehr. Ganz grausame Aktionen sind das mittlerweile. Unser Team ist da nur bedingt von direkt betroffen.

Doch ich habe in anderen Bereichen, wenn ich mal beim Jugendamt unterwegs war oder aktuell auch häufiger bin, weil viele Flüchtlingsfamilien auch betreut werden, Hilfe brauchen usw sowie Frauenhäuser gemerkt, dass selbst dort ein „Mobbing“ herrscht, was mir schleierhaft ist. Da wird über Ratschläge, die gegeben werden gelästert, weil man es selber anders getan hätte. Da wird man verantwortlich gemacht für Fehler, die passieren können, wenn Eltern nicht mit aktiv werden und man schiebt einem dann den Buhmann nach dem Motto „nichts im griff“ zu.

Lästereien und wer ist hier die bessere Sozialarbeiterin als Beispiel kommen häufiger vor. Bei einigen scheint es regelrecht ein Wettbewerb zu sein, wer wem am besten geholfen hat. Dann kommen auch mal so Seitenhiebe ums Eck nach dem Motto „die hat es nicht verdient, jetzt dort zu arbeiten“ oder die Missgunst ist zu spüren, wenn kürzer angestellte Kollegen einen besseren Draht zu Hilfesuchenden haben. Ekelhaft ist das.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Ich habe zwei Freundinnen, die im sozialen Bereich tätig sind. Bei einer davon kam es auch schon zu Lästereien und Mobbing am Arbeitsplatz. Man denkt eigentlich, dass man gerade durch die schwierige Situation in der Pflege zusammenhalten sollte. Aber vielleicht ist es auch gerade deswegen so, dass es häufiger zu Mobbing kommt, wenn das Personal eben überlastet ist.

Bei einer guten Freundin, die auf dem Jugendamt gearbeitet hat, gab es allerdings keine Mobbingvorwürfe. Ich kann selbst nicht sagen, ob es wirklich gerade in den sozialen Berufen so ist, dass Mobbing da viel häufiger vertreten ist. Ich würde sagen, dass das generell eher überall der Fall sein kann.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Ich frage mich gerade, ob das nicht eher was mit Stress, Unterbesetzung und Überlastung zu tun hat. Vielleicht auch mit entsprechender Bildung. Ich war mal eine Zeit lang in sozialen Berufen tätig und dort war das Mobbing sehr groß, weil die Mitarbeiter vergleichsweise (formal) ungebildet waren und irgendwie Pluspunkte beim Chef sammeln wollten, um besser da zu stehen. Hinzu kamen Stress und Überlastung sowie eine viel zu geringe Bezahlung. Ich habe es dort auch nicht lange ausgehalten und ziehe seitdem ein akademisches Arbeitsumfeld vor, da dort weniger Druck herrscht - zumindest meiner Erfahrung nach.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Viktoria_ hat geschrieben:Man sollte ja eigentlich meinen, dass besonders Leute, die in diesem Berufsfeld arbeiten, solche Handlungen unter Kollegen verhindern können, bzw. dafür sorgen können, dass es gar nicht soweit kommen kann.

Darin liegt der Denkfehler, denn auch Menschen in sozialen Berufen sind nicht besser oder anders als Leute, die irgendwo auf der Baustelle stehen, am Zeichenbrett oder im Verkaufsladen. Ich bin immer wieder überrascht, von welchem Nimbus manche Berufe auch heute immer noch begleitet werden. Das ist so falsch, dass ich hier zwanzig Seiten mit Gegenbeispielen schreiben könnte. Man muss einfach davon ausgehen, dass Menschen in sozialen Berufen auf gut Deutsch genauso bekloppt, defekt oder anstrengend sein können wie der durchschnittliche Mensch, der einem auf der Straße begegnet. Das sind keine Heiligen!

Man darf auch den latenten Narzissmus nicht unterschätzen, den viele Menschen, vor allem Frauen, in helfenden Berufen haben. Oft erkennt man es gar nicht so schnell, aber wie schon von Kätzchen gesagt wurde, wird da konkurriert, wessen Schützlinge mehr Fortschritte machen, wer die besseren Erfolge erzielt und manchmal geht es nicht mal darum, zu helfen, damit es jemandem besser geht, sondern damit man sich das selbst auf die Fahne schreiben kann.

Das ständige Diskutieren, Reflektieren, Super-visionieren kann auch dazu führen, dass die Angestellten im eigenen Saft schmoren und sich im Kreis drehen. Meiner Erfahrung nach ist die Branche völlig egal, Mobbing kann es überall geben. Es braucht nur eine Hauptzutat, nämlich einen bösartigen Mobber, der garniert und flankiert von ein bis drei Mitläufern, einem passiven Umfeld und einer desinteressierten Chefetage für eine Mobbinghölle sorgen kann. Und das gilt ganz sicher auch für AkademikerInnen.

» Verbena » Beiträge: 4942 » Talkpoints: 1,79 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


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