Mit Kind schwer kranke Person besuchen?

vom 26.07.2015, 09:32 Uhr

Eine mir sehr nahe stehende Freundin hatte vor einigen Monaten mehrere schwere Hirnblutungen. Es ging ihr zunächst gar nicht gut. Mehrere Wochen Tiefschlaf, schwere Komplikationen bis zu einigen Herzstillständen in der Aufwachphase und so weiter. Nun geht es ihr den Umständen entsprechend zumindest schon so gut, dass sie auch von Freunden Besuche bekommen kann.

Ihr Zustand ist stabil, sie bekommt geistig im Umfeld alles mit, freut sich auch sichtlich über Besuche, kann mit Zeichensprache auch schon ein paar Fragen mit "ja", "nein" und so weiter beantworten. Sie kann sich also auch ein wenig verständlich machen.

Nichts desto trotz ist sie natürlich weiterhin schwer krank / behindert. Meine Freundin hat selber drei Kinder und liebt Kinder generell über alles. Es kommen auch viele Freunde zu ihr zu Besuch. Allerdings lassen alle ihre eigenen Kinder während den Besuchen zu Hause. Der Grund liegt aber nicht darin, dass sie unsere Freundin schonen möchten, weil die freut sich ganz offensichtlich über Kinder als Besuch, sondern weil sie der Meinung sind, dass es für ihre eignen Kinder nicht richtig ist, eine so schwer kranke Person, die sie vorher noch ganz anders erlebt haben, plötzlich so schwer "behindert" zu sehen.

Ich habe bis jetzt meinen Sohn schon immer mit genommen. Ich habe ihn auf die Besuche gut vorbereitet, ihm genau erklärt, dass sie nun im Spital ist und nicht reden, gehen und so weiter kann und dass sie eben sehr krank ist und deswegen nun eben im Spital alles neu lernen muss. Aber deswegen ist sie dort, damit man ihr möglichst gut helfen kann. Mein Sohn hat die Besuche auch durchaus gut "verkraftet".

Er hat natürlich mehrere Fragen gestellt und die habe ich natürlich so gut es ging beantwortet, aber dennoch finde ich es nun nicht verkehrt, mit einem Kind zu einer schwer kranken Person zu gehen, soweit es für die kranke Person in Ordnung ist.

Dennoch wurde ich von einigen anderen Freunden schon darauf angesprochen, dass sie das für meinen Sohn nicht richtig halten, weil das für ein Kind sehr schwer zu verarbeiten ist und so weiter. Auf der anderen Seite bin ich eben für Offenheit. Ja, es kann passieren, dass ein gesunder Mensch plötzlich behindert wird. Ja, solche Schicksale gibt es. Leider. Aber ist es nun besser, Kinder von solch traurigen Schicksalen komplett fern zu halten?

Die Kinder fragen ja auch nach, was mit dieser kranken Freundin los ist, wo sie plötzlich ist, warum ihre Kinder plötzlich so lange ohne Mama sind und kennen sich überhaupt nicht aus, weil sie immer nur mit nicht aussagenden Erklärungen abgelenkt werden. Diese Ungewissheit halte ich für Kinder auch nicht gerade optimal.

Würdet ihr also mit euren Kindern in so einem Fall eine schwer kranke Person besuchen gehen, oder ist es für die Kleinen doch zu schwer und zu viel

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» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Also so lange es für deine Freundin in Ordnung ist und du deinen Sohn vorher in Gesprächen sehr gut darauf vorbereitet hast und ihm alle Fragen beantwortest sehe ich da kein Problem. Ich würde es eher viel schlimmer finden, wenn du das Kind die ganze Zeit belügen und ihm eine schöne, heile und perfekte Welt vorspielen würdest. Da würde das Kind doch einen absoluten Schick kriegen, wenn es eines Tages aufwacht und feststellt, dass eigentlich das Gegenteil von deinen Erzählungen Realität ist. Ich bin da eher für Offenheit und da du seine Mutter bist, wirst du besser einschätzen können als jeder andere, was du deinem Sohn zumuten kannst und was er verkraften kann und was nicht.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Ich wünsche deiner Freundin erstmal gute Besserung, wenn dies möglich ist. Abgesehen davon finde ich es klasse, dass du deinem Sohn zeigst warum du vielleicht auch mal die letzten Wochen und Monate traurig warst und das es so etwas gibt. Solche Menschen können wir nicht einfach ausklammern und man sollte sie trotzdem besuchen. Ein Kind wird natürlich viele Fragen stellen, aber das ist normal und dann wird es das auch verarbeiten können.

Ich würde eher davon abraten die Kinder anzulügen oder sie nicht mitzunehmen. natürlich muss man sie darauf vorbereiten, aber gerade wenn es um eine Person geht, die einem nahe steht, bekommen die Kinder ja auch mit, dass es einem nicht so gut geht und da ist es ganz gut, wenn man mal zeigt warum das so ist. Es kann ja auch jeden passieren und deswegen finde ich es richtig, dass man das Kindern zeigt. Auch behinderte Menschen sollten kein komischer Anblick sein, die Welt ist nun mal so und da muss man auch offen mit umgehen. Ich finde, dass du sehr gut gehandelt hast.

Würde es deinen Sohn verstören würdest du es ja auch nicht mehr machen, aber den Einblick vor allem, wenn man ihn mit Worten gut vorbereitet finde ich wichtig. Auch die Kinder, deren Mutter da betroffen sind müssen nun langsam mal erfahren was da passiert ist, auch wenn es vielleicht sehr weh tun wird, es ihnen zu erklären.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich finde das ist ein schwieriges Thema. Natürlich sollte der Umgang mit behinderten oder schwer kranken Menschen für uns normal sein. Aber oft haben auch Erwachsene Berührungsängste, besonders wenn ein Verwandter oder guter Freund auf einmal so schwer erkrankt ist.

Viele brauchen selbst erst einmal einige Zeit, das zu verarbeiten und sie sind selbst damit überfordert. Oft wissen sie vermutlich einfach nicht, wie sie ihre Kinder auf so einen Besuch vorbereiten sollen und haben Angst, dass die Kinder das nicht verarbeiten können oder sie selbst als Eltern Fragen der Kinder nicht beantworten können. Dabei gehen Kinder oft viel ungezwungener damit um, als man erwartet.

Ich finde es toll, wie du deinen Sohn darauf vorbereitet hast und das du ihn mitgenommen hast. Ich finde auch die Kinder der Mutter sollten langsam die Wahrheit erfahren. Aber vielleicht sind die Verwandten damit wirklich einfach überfordert. Vielleicht wissen sie nicht, was sie den Kindern sagen sollen und wie sie ihnen die Situation erklären sollen.

Bei uns gibt es an der Uniklinik sogar extra ein Angebot, wenn Eltern nicht wissen, wie sie ihren Kindern solche Schicksalsschläge erklären sollen. Dort wird die Situation dann zusammen mit einem Kinderpsychologen, den Kinder und Verwandten besprochen und alles kindgerecht erklärt. An den Psychologen können sich die Eltern und Kinder dann auch immer wenden. Er begleitet die Familie so lange es nötig und gewünscht ist.

» danty » Beiträge: 540 » Talkpoints: 4,79 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Mein Sohn hat beim ersten Besuch auch sehr schüchtern reagiert. Ich habe ihn "aufgefordert", dass er "Hallo" zu ihr sagt, was er aber beim ersten Besuch nicht wollte. Das war für mich aber auch in Ordnung. Er blieb beim ersten Besuch auch nur am Zimmerrand, setzte sich zu einem Tisch und hat gemalt / gespielt. Auch das war für mich in Ordnung. Er machte aber keinen besorgten Eindruck oder dergleichen.

Die Kinder meiner Freundin sind inzwischen auch gut informiert. Sie haben psychologische Hilfe um das eben möglichst gut zu verarbeiten. Auch hier waren die Reaktionen vor allem beim ersten Besuch sehr heftig. Aber dass natürlich vor allem die eigenen Kinder damit klar kommen müssen, ist klar.

Meine anderen Freunde nehmen ihre eigenen Kinder nicht zu den Besuchen mit, weil sie eben meinen, dass das zu viel für sie wäre. Diesbezüglich bin ich die einzige Freundin, die ihr eigenes Kind mit nimmt.

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» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich halte eigentlich nichts davon, wenn man Kinder zu sehr in Watte packt und vor allem "beschützen" will. Im Grunde gehören Dinge, wie Krankheiten oder Behinderungen zum Leben. In der Regel gehen Kinder damit von sich aus recht unbefangen um, wenn nicht die Erwachsenen ihnen irgendeinen Blödsinn vorleben. Ich denke letztlich sollte man keinen Zwang ausüben und das Kind nicht mit seinen Fragen allein lassen.

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» Bellikowski » Beiträge: 7700 » Talkpoints: 16,89 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich würde es vom Kind abhängig machen. Meine Tochter ist sehr sensibel und würde sich vermutlich sämtlich Horrorgeschichten ausmalen, die uns passieren könnten und wochenlang bei uns schlafen, weil sie Angst hätte, dass wir am nächsten Morgen Tod sind oder eben auch schwer krank. Von daher würde ich ihr gegenüber weder das Ausmaß der Krankheit erwähnen, geschweige denn sie mitnehmen und sie direkt damit konfrontieren.

Bei meinem Sohn, der jünger ist als meine Tochter, hätte ich diese Bedenken nicht. Er würde vermutlich auch alles genau wissen wollen und auch in der direkten Situation Fragen stellen, aber eben nicht so panisch darauf reagieren. Ihn würde ich schon mitnehmen, wenn es für die Erkrankte in Ordnung ist, dass er eben direkt fragt und nicht die ganze Zeit ruhig auf einem Stuhl sitzt.

» drago » Beiträge: 169 » Talkpoints: 1,56 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Es kommt ein wenig auf die Kinder an. So ganz grundsätzlich würde ich Kinder jetzt nicht vor schlimmen Krankheiten abschirmen wollen. Krankheit und Tod gehören zum Leben nun einmal dazu und irgendwann müssen das auch Kinder lernen.

Ich glaube persönlich auch, dass Kinder selbst mit dem Tod viel besser umgehen können als wir es glauben und da auch schon sehr früh viel mehr verstehen, als man es sich manchmal denkt. Mein Großer ist jetzt 4 Jahre und da ich selber im Krankenhaus arbeite, fragt er halt oft nach, was ich so gemacht habe und wie es den Leute geht und solche Sachen. Dadurch haben wir auch schon als er nicht mal 3 war viel über Krankheiten und Unfälle gesprochen und auch mal darüber, dass der ein oder andere auch kleine Patient schon mal im Krankenhaus gestorben ist. Ich hätte im Leben ja nicht gedacht, dass er das wirklich versteht, aber erstaunlicherweise weiß er schon genau, dass jemand der Tod ist nie wieder kommt und die ganzen Zusammenhänge.

Geschadet hat ihm das nicht, er geht gerne ins Krankenhaus und hat da auch überhaupt keine Angst vor und würde wahrscheinlich noch bei einem Patienten der schwerverletzt ist ins Behandlungszimmer rennen um zu sehen was die Schwestern und Ärzte da machen um zu helfen. Dadurch, dass er selber öfter mal im Krankenhaus war und wir eben viel erzählt hat und er mich auch hin und wieder auf Arbeit besucht hat einen ganz anderen Bezug dazu. Er hat da trotz seines jungen Alters verstanden, dass es eben auch Leute gibt, denen es nicht gut geht und das man in Krankenhäusern versucht solchen Leute zu helfen, aber eben auch, dass man das manchmal eben nicht mehr kann.

Man muss da eben ein bisschen auf die Kinder eingehen. Es gibt eben sehr offene Kinder, die einen relativ offenen Umgang mit Krankheit und Tod pflegen und es gibt eben Kinder die kommen damit gar nicht klar. Ich würde halt schauen, wie das Kind vor dem Besuch reagiert, wenn man die ganze Situation erklärt und dann kann man ja auch das Kind einfach fragen, ob es denn mit möchte oder nicht. Zwingen würde ich es auf keinen Fall. Aber von Haus gar nicht darüber reden, geht in meinen Augen gar nicht.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


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