Mit Kind bewusst in eine 1,5 Raum Wohnung ziehen?
In meinem Umkreis abseits meiner Arbeit gibt es derzeit drei alleinerziehende junge Frauen, die mit ihrem Kind in einer 1,5 Raum Wohnung leben. Das bedeutet, dass das Kind ein eigenes Zimmer besitzt, während die Mama sich das Wohn- und Schlafzimmer teilt.
Diese Damen finden ihre wohnliche Situation angenehm und haben keinerlei Probleme damit, dass das Kind möglicherweise ständig durch ihre Räumlichkeiten läuft. Gleichwohl es auch schon zu Männerbesuchen kam, welche zu Irritationen führten.
Wiederum ist es auf meiner Arbeit sogar so, wenn gewisse Damen/Herren betreut werden, dass ihnen teilweise auch untersagt wird, in eine solch kleine Wohnung zu ziehen. Es geht eben um die kindliche Privatsphäre, aber eben auch um die elterliche.
Persönlich fehlt mir auch das Verständnis dafür, wieso jemand mit einem Kind in eine 1,5 Raum Wohnung zieht. Daher würde ich einfach aus Interesse wissen, ob Ihr einen solchen Schritt wagen würdet oder was für Euch die Vor- und Nachteile dieser Wohnsituation darstellen?
Ganz ehrlich, nicht jede/r hat die Möglichkeit sich eine größere Wohnung zu leisten. Wenn ich mich auf dem Wohnungsmarkt bei uns umschaue, dann gibt es die 2-Zimmerwohnungen zu Mietpreisen, die selbst für gut verdienende Alleinverdiener mit Kind schwierig zu bezahlen sind. Was bleibt also einem dann da also übrig, als sich mit einer 1,5-Zimmerwohnung zu arrangieren, wenn man seinem Kind noch ein bisschen "normalen" Lebensstandard bieten will.
Ich wohne derzeit in einer 3-Zimmerwohnung in einem Hochhaus mit Balkon. Wenn ich es mir wünschen hätte können, würde ich auch lieber in einem kleinen Häuschen mit Garten am Stadtrand wohnen. Das hätte ich mir für uns als Familie auch schöner vorgestellt, mit Sandkasten etc. im Garten. Aber ich erzähle auch allen Menschen ich bin zufrieden mit dem was ich habe, weil ich mir eben das Häuschen finanziell nicht leisten kann. Wieso soll ich jammern über meine derzeitige Wohnsituation, wenn es anders finanziell einfach unrealistisch ist.
Ich denke also, der Großteil der Alleinerziehenden in 1,5-Zimmerwohnungen hat sich nicht wirklich bewusst für diese Lösung entschieden sondern hat einfach andere Prioritäten gesetzt - vermutlich zumeist aus finanziellem Hintergrund.
Ich habe allerdings tatsächlich auch eine Kollegin, die lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern bewusst in einer 3-Zimmerwohnung. Die Söhne haben ein Schlaf- und ein Spielzimmer, weil sie gemeinsam schlafen wollen, und die Eltern schlafen im Wohnzimmer auf der Schlafcouch und bauen die jeden Morgen um. Die beiden Kinder sind gerade im Grundschulalter und bisher funktioniert das richtig gut.
Und wenn eines der beiden Elternteile mal seine Ruhe will und ein Buch lesen etc., dann setzt sich derjenige auf den Zweisitzer im Spielzimmer. Die Eltern sind beide Vollzeit berufstätig und könnten sich vermutlich auch eine 4-Zimmerwohnung leisten, aber sie sind so in diese Wohnung/Lage verliebt, dass sie an Umziehen gar nicht denken. Sie sind wirklich so mit der Wohnsituation zufrieden, wie sie ist.
Ich würde mir nie herausnehmen auf solche Mütter herabzusehen. Weißt du eigentlich wie schwer es ist mit einem Kind eine Wohnung zu finden? Wie schwer es alleinerziehend ist? Das sind nun mal keine Mieter nach dem sich Vermieter die Finger lecken. Man weiß ja auch nie, ob dann der Unterhalt gezahlt wird und vielleicht ist auch das Geld knapp.
Je nach Standort kann man auch ewig warten bis man eine Wohnung überhaupt bekommen kann und das dann auch eher weil der Zufall zugeschlagen hat. Wir haben als Paar damals auch mit unserem Sohn in einer 1 Raumwohnung gelebt, weil wir einfach nichts für den Übergang finden konnten und das geht auch. Der Platz ist nicht wichtig, wenn der Umgang miteinander stimmt.
Natürlich kann das auch keine Dauerlösung sein, aber was stört sich ein kleines Kind schon daran, wenn es dir eh die ganze Zeit hinterher rennt und man eh miteinander spielt? Da gibt es schlimmere Dinge und wenn es nicht anders geht, dann sollte man von außen nicht noch Kritik äußern und natürlich ist es dann nach außen hin freiwillig und man möchte so leben, was will man denn dann auch sagen? Man kann ja wohl eher schlecht zugeben, dass Grund X oder Y dazu führt, dass keine größere Wohnung möglich ist.
Nur um es mal zu verdeutlichen. Wir wurden damals abgelehnt, weil wir keine Katze hatten, weil wir zu dritt waren (in einer 4 Raumwohnung sollte das möglich sein) und man lieber Rentner will oder man wollte keine Nägel in der Wand und so weiter. Da gibt es wirklich Vermieter, die sich den größten Scheiß ausdenken können und trotzdem werden sie an Mieter kommen.
Wie kann es eine bewusste Entscheidung sein, wenn man keine andere Wahl hat? Ich gehe davon aus, dass viele in dem Umfeld, von dem du sprichst, entweder Alleinerziehende, Geringverdiener oder Leistungsempfänger sind und daher in ihren finanziellen Möglichkeiten dementsprechend limitiert. Leider zahlt das Amt für Mutter und Kind keine Dreizimmerwohnung. Ein Zimmer für das Kind, das andere für den erziehenden Erwachsenen ist der maximal bezahlbare Standard.
Wahrscheinlich zahlt die Organisation, die ihren Betreuten eine zu kleine Wohnung "verbietet", vermutlich im Umkehrschluss nicht die Diskrepanz, oder? Von daher ist es freundlich formuliert mindestens weltfremd, an die Betreuten so ein Ansinnen zu stellen. Und was sind eigentlich "gewisse" Klienten?
Ich sehe auch nicht, warum in diesem Wohnmodell automatisch die Grenzen überschritten werden oder Privatsphäre nicht gewährleistet werden kann und umgekehrt. Dem Kind ist es egal, ob die dritte Fickfreundin im Monat von Papa in Muttis altem Schlafanzug morgens in der Küche die Cornflakes wegisst und das alles in einer 1,5 Zimmer-Wohnung oder in einem Palast geschieht. Die Verletzung und Überschreitung von Grenzen ist nicht zwingend an die Größe der Wohnung oder des Hauses gekoppelt.
Und ob ein Kind auf einen ihm fremden Mann in Unterhose auf Mamas Schlafcouch trifft oder ihn im Schlafzimmer liegen sieht, ist auch egal, die Situation sollte so oder so vermieden werden und die meisten Alleinerziehenden werden auch Wert drauf legen, dass dem so ist. Wer das nicht tut und Grenzen überschreitet, macht es sowieso.
Die schlimmsten Grenzüberschreitungen von denen ich je gehört habe, sind übrigens in akademischen Villenvierteln geschehen, wo das ganze Haus X Zimmer hatte. Wenn der Vater der gesammelten Kinderschar am Küchentisch offenherzig von seinen sexuellen Eskapaden außerhalb der Ehe berichtet, ist es egal, ob Stadtvilla oder Ghettoklitsche.
Ich sollte vielleicht einmal klarstellen, damit das Missverständnis hier nicht weiter zum Tragen kommt, dass die drei genannten Damen sich vollkommen bewusst für diese Wohnvariante entschieden haben. Hierbei ging es nicht um den mangelnden Wohnraum, dem geringen Einkommen oder ähnliches, sondern bewusst darum, eine 1,5 Raum Wohnung zu mieten.
Die Begründung der drei Damen ist fast immer dieselbe. Das Kind ist klein, bedarf keinerlei Privatsphäre (die Kinder sind 4, 12 und 7) und da die Ladies alleinstehend sind, ist eben für sie selbst keine Privatsphäre notwendig. Männerbesuch würde auch so klappen, gleichwohl zwei der drei Damen bereits mitgeteilt haben, dass sie es doch störend finden, wenn der Nachwuchs durch das Wohn- und Schlafzimmer bei männlichem Besuch mitten durchlaufen muss.
Wenn es um den mangelnden Wohnraum oder die finanziell schwierige Situation gehen würde, wäre ich die erste, die das sofort nachvollziehen kann. Bei den drei Damen ging es mir aber eher darum, dass es eine wirklich bewusste Entscheidung gegen eine größere Wohnung und für eine kleinere Wohnung war. Dies kann ich nicht nachvollziehen.
Im Allgemeinen darf ich aus beruflichen Gründen aber mitteilen, dass wir auch Kunden/Kundinnen haben, denen ein Umzug mit Kind in eine 1,5 Raum Wohnung untersagt wird. Da greifen einige meiner Kollegen und Kolleginnen in den Jugendämtern wirklich hart durch, was mich auch manchmal sehr verwundert. Früher als ich nur als reine Streetworkerin vor Corona unterwegs war, haben mir einige Jugendliche davon mal berichtet, aber glauben konnte ich das nur bedingt. Doch mittlerweile sehe ich das hautnah, dass einige der Kollegen die betreuten Kunden wirklich maßregeln, was die Wohnungssuche angeht.
Die Tochter meiner Nachbarin hat zum Beispiel eine ähnliche Auflage und darf sich keine 1,5 Raum Wohnung mit dem Kind mehr suchen, sondern muss eine 2,5 Raum Wohnung finden oder besser noch eine 3,5 Raum Wohnung. Schon ein starkes Stück.
Trotzdem ging es mir nicht um finanzielle Probleme und den schwierigen Wohnungsmarkt bei den drei Personen, sondern wirklich darum, dass die drei Damen sich bewusst für eine kleine Wohnung mit dem Kind entschieden haben. Eine für mich eben nicht nachvollziehbare Entscheidung, weil ich weiß, dass zwei der Damen während der Schwangerschaft in einer 3,5 und 4,5 Raum Wohnung gewohnt haben. Preislich geben beide Damen an, war der Unterschied nicht einmal eklatant und wenn ich deren aktuelle Miete, da sie alle im selben Haus wohnen beachte, dafür bekommt man hier problemlos eine 2,5 und ohne Mühe sogar eine 3,5 Raum.
Eine der Damen hätte direkt im Nebenhaus eine 3,5 Raum Wohnung für circa 25 % weniger Miete beziehen können, mit riesigem Hof/Garten oder eher Park, aber die 1,5 Raum soll für sie und ihr Grundschulkind reichen. Das ist es, was ich meine und nicht nachvollziehen kann.
Finanziell prekäre Situationen gepaart mit dem Wohnungsmarkt sind zwei ganz andere Schuhe als sich bewusst in den Altersklassen mit Kind für eine 1,5 Raum Wohnung im Hochhaus-Ghetto zu entscheiden, wo die Kids ständig durch das Wohn- und Schlafzimmer der Mütter rennen. Das ist für mich einfach nicht nachvollziehbar und hier war natürlich die Frage nach Euren Vor- oder Nachteilen der Wohnsituation gemünzt.
All die anderen Faktoren, die sind natürlich eine ganz andere Hausnummer, die man ganz separiert betrachten muss.
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