Mit Hilfe von Antidepressiva in den Suizid?

vom 02.04.2015, 11:09 Uhr

Depressionen sind eine schlimme Krankheit, die von vielen aber eher als "Laune" abgestempelt und nicht wirklich ernst genommen werden. Es kommen dann meistens irgendwelche Sprüche wie "positiv Denken", aber das löst das Problem der Stoffwechselstörung im Gehirn nicht.

Viele Depressive suchen irgendwann einen Neurologen oder Psychiater auf und machen entweder eine Psychotherapie oder lassen sich Antidepressive verschreiben, manchmal auch beides in Kombination.

Ich selbst habe auch schon Antidepressiva nehmen müssen, das ist jedoch schon etliche Jahre her und mittlerweile geht es mir sehr gut und ich habe die Depressionen hinter mir gelassen. Jedoch war das nicht immer so und ich erinnere mich noch an eine Zeit, wo mein Arzt mir diverse Antidepressiva aus verschiedenen Wirkstoffgruppen verschrieben hatte, aber kein Mittel so wirklich angeschlagen und geholfen hat, auch nach mehreren Wochen nicht.

In der Packungsbeilage von allen Antidepressiva stand jedoch immer als Nebenwirkung, dass vermehrt Suizidgedanken als Folge der Einnahme auftreten können. Das in Kombination mit gesteigertem Antrieb kann unter Umständen schon tödlich enden. Ich habe auch schon einen Artikel über den Unglückspiloten von Germanwings gelesen, in dem die These aufgestellt wurde, dass er durch Antidepressiva erst die Motivation und die Energie gefunden haben könnte, einen Suizid auf diese Weise zu begehen.

Ich habe auch schon gelesen, dass es jährlich in Deutschland etwa 10.000 Suizid-Tote gibt. Das mag gemessen an der Einwohnerzahl von Deutschland verschwindend wenig sein, ich finde das aber dennoch sehr heftig und ich frage mich, ob diese Menschen durch Antidepressiva in den Tod getrieben wurden oder ohne und wie hoch der Anteil der jeweiligen Gruppen ist.

Was meint ihr? Begehen mehr Menschen Suizid durch Antidepressiva oder weil sie sich nicht behandeln lassen? Sind Antidepressiva viel zu gefährlich, dass man sie vom Markt nehmen sollte um weitere Menschenleben zu schützen?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Es wird durchaus auch viele Suizide durch Antidepressiva geben. Mein Onkel zum Beispiel ist einer davon. Dieser wurde über Jahre von seinem Arzt an eine Sorte gewöhnt, die ihm auch wirklich weiter geholfen hat und weil die Dosis so stark war und der Arzt der Meinung war, dass man es mal absetzten müsste, machte er dann einen kalten Entzug von dieser Tablette, schaffte das nicht und warf sich vor einen Zug. Er war immer ein Kämpfer, trotz dieser Erkrankung, aber er konnte es nicht mehr aushalten.

Ich denke, dass man heute leicht mal zu einer Pille greift und ganz am Anfang oder in akuten Fällen macht das auch Sinn, aber es müssen eben auch andere Behandlungen folgen und dies wird oftmals, auch von Betroffenen nicht eingesehen, da denkt man mit der Pille alles im Griff zu haben, so leicht ist das aber nicht. Es gibt sicherlich auch genauso viele Tote, weil keine Behandlung oder Erkennung der Krankheit stattgefunden hat.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Das die Suizidalität bei manchen Psychopharmaka steigt, ist teilweise recht logisch zu erklären. Wobei das zum Teil nicht mal reine Antidepressiva sind. Das "Problem" tritt durchaus auch bei anderen Psychopharmaka auf.

Die meisten Medikamente der Art sind stimmungsaufhellend. Was an sich ja auch logisch ist. Denn das größte Problem an Depressionen ist ja meist die gedrückte Stimmung. Außerdem steigern die Medikamente den Antrieb. Was ja auch sinnvoll ist, weil bei Depressionen ja meistens auch der Antrieb gehemmt ist.

Wenn man richtig depressiv ist, die Stimmung nur gedrückt ist UND der Antrieb so richtig gehemmt ist, hat man meistens gar keine Kraft, sich das Leben zu nehmen. Weil eben der Antrieb fehlt.

Durch die Medikamente steigt der Antrieb und man zieht durch, was man eh schon geplant hat. Also ganz grob beschrieben. Der gesteigerte Antrieb führt dazu, dass man aktiver wird. Nicht jeder kann das auch positiv ausnutzen. Und wenn das Medikament nicht auch die trüben Gedanken vertreiben kann, ist das Suizidrisiko durchaus höher.

Ich habe schon einige Psychopharmaka genommen. Wobei ich bei den meisten vorher die Packungsbeilage nicht gelesen habe. Ich bin nämlich der Meinung, dann wartet man nur auf die Nebenwirkungen. Auf fast alle Medikamente habe ich suizidal reagiert. Wobei Suizidalität eines meiner Hauptprobleme ist. Aber teilweise ist die eben durch Medikamente noch verstärkt worden. Teilweise auch bei Medikamenten, bei denen das nicht als Nebenwirkung aufgeführt ist.

Leider haben viele der Medikamente sonst keine Wirkung gezeigt. Wobei mein Grundproblem auch nicht Depressionen sind. Aber gegen die depressiven Punkte haben sie nur selten oder eher kaum geholfen. Der Standardsatz den ich mir dazu anhören konnte war: Das kann ja gar nicht sein. Und ich bekomme wahrscheinlich einen Schreikrampf, wenn man mir das noch mal sagt.

Ich selbst fühle mich da teilweise mit allein gelassen. Denn ich habe bisher nur selten erlebt, dass man sich mit der Wirkung von Medikamenten bei mir auseinander gesetzt hat. Momentan habe ich eine Ärztin, die sich da halbwegs drum kümmert. Aber die sehe ich einfach auch zu wenig, um damit anständig Medikamente anzusetzen. Allerdings nehme ich zurzeit ein Medikament, bei dem es zu keinen größeren Nebenwirkungen kommt. Momentan zweifel ich allerdings auch seine Wirkung an. Aber es bringt zumindest mehr, als die anderen Medikamente, die ich bereits genommen habe.

Begehen mehr Menschen Suizid durch Antidepressiva oder weil sie sich nicht behandeln lassen?

Die Behandlung ist in Deutschland nicht immer wirklich einfach. Vielleicht steht und fällt das auch mit den Behandlern? Ich für meinen Teil weiß, wie die Behandlung hier vor Ort ist, wenn man wegen Suizidgedanken und Suizidabsichten behandelt werden will. Das geht nämlich nur stationär. Und die Bedingungen sind hier nicht wirklich der Hit.

Meine letzte stationäre Behandlung war für mich so schlimm und katastrophal, dass ich jegliche stationäre Behandlung ablehne. Leider darf, danke Psychiatriegesetzgebung, nur im Einzugsgebiet behandelt werden. Zumindest bei akuter Suizidalität. Die Klinik vor Ort hat mir aber klar gesagt, dass ich meine Suizidgedanken hätte nicht aussprechen dürfen. Was ich nun auch nicht mehr mache. Was die Behandlung aber generell für alle Seiten erschwert.

Ob man mich im schlimmsten Fall der Fälle als behandelt oder nicht behandelt ansehen würde, weiß ich nicht. Ich vermute die Klinik würde zu einem die Patientin hat ja nie geredet, tendieren.

Sind Antidepressiva viel zu gefährlich, dass man sie vom Markt nehmen sollte um weitere Menschenleben zu schützen?

Ich drücke es mal so aus, wenn die Medikamente ansonsten helfen, der Patient gut betreut ist, ist gesteigerte Suizidalität durchaus händelbar. Und nicht jeder wird dann aktiv und schreitet zur Tat. Die positiven Wirkungen sind ansonsten durchaus nicht zu unterschätzen, falls die Medikamente wie gewünscht wirken.

Ich habe wie gesagt nicht nur reine Antidepressiva genommen. Ich habe auch auf Medikamente, die keinen reinen Antidepressiva sind, mit gesteigerter Suizidalität reagiert. Momentan nehme ich ein reines Antidepressiva. Ich hab nun mal nachgesehen, auch bei dem Medikament steht in der Patienteninformation gesteigerte Suizidalität. Ich nehme das Medikament nun schon länger. Ja ich hatte unter der Einnahme auch Suizidgedanken und auch Suizidabsichten. Allerdings ist es ansonsten von der Stimmung her besser, als ohne oder mit andere Medikamenten. Und in der Form, wie die Suizidgedanken auftreten, kann ich davon ausgehen, dass nicht das Medikament der Auslöser ist.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge



Ich habe über diesen Effekt gelesen. Tatsächlich liegt das an der Wirkungsweise der meisten Antidepressiva. Die genauen biochemischen Vorgänge habe ich nicht mehr im Kopf (ich bin schließlich auch kein Pharmazeut) und bin mir auch nicht sicher, ob ich es fachlich richtig wiedergeben kann.

Es war aber wenn ich mich recht erinnere so, dass Antidepressiva den Serotoninspiegel erhöhen, indem sie den Abbau des Hormons im Gehirn verhindern. Allerdings kann das auch zu einem zu hohen Serotoninspiegel führen, welches wiederum genauso schlecht ist wie ein zu niedriger Pegel. Außerdem fehlen durch das Hemmen des Abbaus von Seritonin verschiedene Zwischenprodukte, die aus dem Hormon hergestellt werden, die aber auch wichtig für die Gehirnfunktion ist. Und ein extremer Mangel einer dieser Abbaustoffe kann angeblich zu Mord- und Suizidgedanken und entsprechenden Handlungen führen.

Es ist auf jeden Fall nachgewiesen, dass zumindest bestimmte Antidepressiva Suizidgedanken tatsächlich auf biochemischer Ebene fördern und das nicht an einer Kombination aus den vorhandenen Depressionen und einem gesteigerten Antrieb liegt.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich glaube, dass es mehr Suizide gibt, die ohne Antidepressiva passiert sind als mit. Die Menschen, die sich Antidepressiva verschrieben haben lassen, haben ihren Problemen damit ja quasi den Kampf angesagt. Sie wollen etwas tun, um ihre Lebensqualität zu verbessern und aus dem Teufelskreis der Depression heraus brechen. Es kann bereits schon, jedenfalls meiner Meinung nach, ein Erfolg sein, sich diese Hilfe geholt zu haben. Daher wird den Selbstmordgedanken vielleicht eher widerstanden, auch wenn sie in der Anfangszeit, in denen man die Antidepressiva nimmt, vielleicht etwas verlockender sind als zuvor.

Dazu muss aber auch gesagt werden, dass es sehr enttäuschend sein kann, wenn man sich behandeln lässt, und das nicht den gewünschten Effekt hat. Besonders, weil diese Prozedur auch sehr langwierig ist und der Erfolg erst nach einiger Zeit zu Tage gefördert werden kann. Dann gibt es ja auch verschiedene Methoden, sich behandeln zu lassen und nicht jede Behandlung hilft jedem Menschen. Um herauszufinden, was einen wirklich hilft, kann schon einige Zeit vergehen. Da kann ich mir schon vorstellen, dass sich dabei auch einige Leute sehr mutlos fühlen und sich dem Suizid eher hingeben wollen.

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» Divia » Beiträge: 745 » Talkpoints: 55,66 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich kenne nicht viele Menschen, die ein Antidepressivum nehmen. Aber die, die diese Medikamente einnehmen, sagen mir durchaus immer wieder, wie viel besser es ihnen damit doch geht. Bei einer Freundin ist sogar so, dass sie meint, dass sie genau durch diese Medikamente davon abhalten wurde, sich das Leben zu nehmen.

Ich denke daher auch, dass sicherlich mehr Menschen Suizid begehen, die gar nicht behandelt werden und keine Antidepressiva nehmen. Mich würde mal interessieren, ob es dazu richtige Studien gibt, die eben sagen können, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, ob sich jemand unter dem Einfluss von Antidepressiva eher das Leben nimmt.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


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