Missbrauchsgutachten der Grund für einen Kirchenaustritt?

vom 29.01.2022, 17:38 Uhr

Kürzlich wurde eine neue Studie zu sexuellem Missbrauch im katholischen Erzbistum München und Freising veröffentlicht, dabei handele es sich überwiegend um männliche Kinder/Jugendliche. Beschuldigt werden dabei 173 Priester und 9 Diakone. Es sei allerdings noch von einer deutlich größeren Dunkelziffer auszugehen.

Die Standesämter werden seit dem Bekanntwerden der Studie überflutet von Anträgen für Kirchenaustritte. Es sind in zahlreichen Städten mindestens doppelt so viele als üblich. In meiner Heimatstadt sind zum Beispiel alle Termine bis Mitte März bereits ausgebucht.

Auch in meinem Umfeld, z.B. meinem Kolleginnenkreis, überlegen jetzt viele aus der Kirche auszutreten. Dass es Missbrauchsfälle in der Kirche gibt, ist zwar an sich keine neue Erkenntnis, schlimm ist jedoch für viele in meinem Bekanntenkreis wie damit umgegangen wird und wurde. Das Gutachten kommt nämlich auch zu dem Schluss, dass viele Priester und Diakone nach Bekanntwerden der Vorwürfe trotzdem weiter eingesetzt worden sind. 40 Beschuldigte sind weiter eingesetzt bzw. geduldet worden und bei 18 davon war dies sogar nach der Verurteilung noch der Fall.

Natürlich unterstütze ich solche Vertuschungen und einen Umgang moralisch auch nicht, bin aber dennoch unschlüssig, ob das für mich nun der Grund für einen Kirchenaustritt sein soll/wird. Die Kirche an sich leistet in meinen Augen trotzdem an vielen Stellen gute soziale Arbeit. Ich hoffe allerdings, dass es jetzt ein paar grundlegende Reformen gibt, in Sachen Zölibat, Einstellung zur Homosexualität, Geburtenkontrolle oder staatlicher Strafverfolgung.

Wie steht ihr dazu, sind solche Gutachten ein Grund für euch über einen Austritt nachzudenken bzw. erleichtert es eure Entscheidung? Erschüttern euch die Erkenntnisse eines solchen Gutachtens? Was für Gründe habt ihr, trotzdem an einer "Mitgliedschaft" festzuhalten?

» EngelmitHerz » Beiträge: 3943 » Talkpoints: 17,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Was heißt schon "erschüttern"? Das ist doch nur eine hohle, billige Floskel, die in den Medien beliebig verwendet wird und schon lange nichts mehr bedeutet. Man kann über Börsenkurse und verlorene Fußballspiele ebenso "erschüttert" sein wie über schlimme Verbrechen wie sexuellen Missbrauch.

Und ich traue prinzipiell keinem Verein, der nur Männer wirklich mitspielen lässt und mir vorschreibt, wen ich bumsen darf, wenn ich für ihn arbeiten will. Deswegen bin ich natürlich nicht gerade gleichgültig, wenn die ganzen üblen Geschichten ans Tageslicht gezerrt werden, aber ich bin eben auch schon ein paar Jahrzehnte alt und aus der katholischen Provinz. Von daher wundert mich nicht viel.

Unser alter Pfarrer damals war ein absolut integrer, wenngleich strenger und unnahbarer Kirchenmann, aber eben auch eine Autoritätsfigur. Wenn es da geheißen hätte, er würde "was mit kleinen Buben machen", wäre das zwar ein Fall für die Gerüchteküche, aber angezeigt hätte den Herrn auch in den Achtzigern wohl noch keiner, geschweige denn, dass solche Fälle öffentlich gemacht und den Betroffenen geholfen worden wäre.

Und natürlich wäre der aktuelle Missbrauchsskandal und vor allem das spektakuläre Versagen bei der Aufarbeitung ein Grund für mich, den Laden nicht noch mit Steuergeldern zu unterstützen. Aus einem "weltlichen" Verein würde ich schließlich auch sofort austreten, wenn es heißt, der Dirigent oder Trainer oder wer auch immer habe sich des sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht.

Die Tatsache, dass die Mehrheit der Chormitglieder anständige Menschen sind und die Organisation auch "viel Gutes tut", zählt für mich herzlich wenig. Es gibt auch Menschen und Vereinigungen, die "viel Gutes tun" und nicht jahrzehntelang junge Buben begrabscht und Schlimmeres gemacht haben.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


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