Migranten mit schlechten Deutschnoten im Nachteil?

Ich war früher auf der Realschule und hatte in Deutsch immer meine 2 auf dem Zeugnis. Nach der 10. Klasse habe ich dann auf das örtliche Gymnasium gewechselt und hatte da ziemliche Probleme mit der Umstellung. So hatten die Gymnasiasten beispielsweise großen Vorsprung was Interpretationen und Analysen angeht. Wir haben das in der Realschule kaum gelernt und eher Inhaltsangaben, Diktate oder Argumentationen geschrieben. Wenn mal ein Gedicht interpretiert wurde, dann auf einem ganz anderen Niveau. Also kam ich auf das Gymnasium und musste sehr viel nachholen. Ich sah auch sehr viele Sachen grundsätzlich anders als mein Deutschlehrer und habe vieles einfach anders interpretiert als er.

Leider war er so gut wie nie meiner Meinung und obwohl ich mich bemühte, rutschte meine Note in Deutsch auf eine 4 ab. Ich hatte quasi die ganze Oberstufe eine 4 in Deutsch, nur in der 13.2 nicht. Das lag aber eher daran, weil ich da von der Klausur befreit war und nur ein Referat gehalten habe, das als Notengrundlage gedient hat. Für das Referat hatte ich eine 2 bekommen.

Jetzt befürchte ich aber, dass ich dadurch als Migrantin Probleme bekomme. Ich hatte nach dem Abitur versucht, eine Ausbildung zu finden, wurde aber immer abgelehnt. Auch bei Minijobs, wenn da bei der Bewerbung ein Zeugnis verlangt wird, werde ich abgelehnt. Ich habe den Verdacht, dass die meisten Menschen abgeschreckt sind, wenn jemand einen ausländischen Namen hat, laut Lebenslauf im Ausland geboren wurde und dann ganz offensichtlich so eine schlechte Note in Deutsch hat. Dabei liegt das bei mir nur an den Interpretationen und nicht daran, dass ich schlecht Deutsch sprechen kann.

Wie seht ihr das? Sind Migranten mit schlechten Deutschnoten tatsächlich im Nachteil? Welche Beobachtungen habt ihr in dieser Hinsicht gemacht?

Eine schlechte Note in Deutsch ist immer ein Problem, das trifft auch auf Jugendliche mit deutschem Namen zu. Genau wie die meisten Schüler nach einem Wechsel von der Realschule zum Gymnasium Probleme haben.

Natürlich liegt das nicht daran, dass die Schüler per se dümmer sind, sondern es wurden im Unterricht in der Unter- und Mittelstufe vollkommen unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Unabhängig vom Schulabschluss ist es einfach schwer, eine Stelle zu finden, wenn Deutsch nicht mindestens Gut ist. Ein Befriedigend geht nur, wenn Sprache nicht so wichtig ist und der Bewerber beispielsweise in Naturwissenschaften glänzt.

Du hast doch immerhin Abitur. Also so schlecht kann dein Deutsch nicht sein. Egal, welche Note du in dem Fach Deutsch hast. Bei einem Hauptschüler ist das etwas anderes. Hätte ein Hauptschüler eine schlechte Note in Deutsch würde ich eher davon ausgehen, dass er die Sprache wirklich nicht beherrscht, denn in der Hauptschule basieren die Noten auf Diktaten und anderen eher grundlegenderen Dingen.

Also jemand, der für die Einstellung von Personal zuständig ist, sollte den Unterschied kennen zwischen dem Deutschunterricht in der Hauptschule und dem auf dem Gymnasium in den höheren Klassen. Dass bis dahin die Rechtschreibung sitzt und es um wesentlich mehr geht.

Andererseits habe ich schon Texte von Abiturienten gesehen, bei deren Lesen sich mir die Nackenhaare gesträubt haben. Aktuell lese ich einen Blog einer Bekannten, die gerade ihr Abitur gemacht hat und ein Jahr in Australien verbringt. Gut, sie legt offensichtlich keinen Wert darauf, sich in ihrem Blog an Rechtschreibung und Grammatikregeln zu halten, aber ich finde es dennoch krass für eine Abiturientin. Ebenso habe ich schon Hausarbeiten von Freunden meiner Schwester Korrektur gelesen. Auch haarsträubend.

Und das sind Menschen mit deutschen Nachnamen und ohne Migrationshintergrund. Ich will nicht wissen, was die Personalabteilungen von Firmen da so zu Gesicht bekommen. Ich denke, denen ist schon aufgefallen, dass es gar nicht mehr so auf den Hintergrund ankommt. Auch die Lieschen Müllers heutzutage schreiben ohne Punkt und Komma und achten nicht auf Großschreibung.

Aus Erfahrung kann ich sagen, dass den meisten Arbeitgebern der Abschluss egal ist. Sie erwarten in gewissen Fächern eine Mindestnote und stufen das nicht nach Schulbildung. Dieser Denkprozess, dass eine schlechtere Note eines Abiturienten der besseren eines Hauptschülers gleichzusetzen ist, findet nicht statt.

Dieser Denkprozess, dass eine schlechtere Note eines Abiturienten der besseren eines Hauptschülers gleichzusetzen ist, findet nicht statt.

Das meinte ich auch gar nicht. Aber wenn ein Hauptschüler schlecht in Deutsch ist, dann ist er beispielsweise schlecht in Diktaten. Der Lehrplan der 9. Klasse Hauptschule sieht noch Übungen zur Rechtschreibung oder zum Formulieren von Sätzen vor. Und dann bekommt der Schüler seinen Abschluss.

Ein Abiturient mit einer schlechten Deutschnote ist beispielsweise schlecht im Interpretieren von Gedichten. Rechtschreibung etc. waren früher Thema, aber dann hatte der Schüler eben noch weitere Jahre Unterricht und bekam dann erst seinen Abschluss.

Daher würde ich bei einem Hauptschüler mit einer schlechten Deutschnote eher davon ausgehen, dass er tatsächlich nicht so gut Deutsch kann. Ein Abiturient mit einer schlechten Deutschnote kann bestimmt ordentlich deutsch. Ansonsten hätte er in Chemie, Physik und Erdkunde auch Probleme gehabt. Ich würde davon ausgehen, dass er eine schlechte Note hat, weil er mit Literatur nichts anfangen kann oder Probleme hat, richtig zu argumentieren.