Menschen mit Doktortitel mehr Kompetenz zumessen
Mein Zahnarzt hat keinen Doktortitel und ich denke, dass man das auch als Arzt nicht unbedingt braucht. Auch bei Rechtsanwälten gibt es ja viele Juristen mit Doktortitel aber auch einige, die ohne diesen Titel den Beruf ausüben.
Dann gibt es Menschen, die zu diesen Berufsgruppen wo die Menschen keinen Doktortitel haben, nicht hingehen und eher diese Leute aufsuchen, die einen Titel haben. Diese Menschen glauben dann, dass die Menschen mit Doktortitel mehr Kompetenz haben als ohne diesen Titel.
Habt ihr zu Ärzten, Rechtsanwälten usw. mehr Vertrauen, wenn sie einen Doktortitel haben oder ist es euch egal? Denkt ihr, dass der Titel wirklich so viel ausmacht? Im Prinzip haben die Menschen ja nur eine Arbeit geschrieben über ein Thema und deswegen haben sie ja nicht mehr drauf als andere aus der gleichen Berufsgruppe, oder? Ist euch ein Doktortitel da wichtig?
Ich bin nicht der Meinung, dass Menschen mit Doktortiteln prinzipiell nicht "mehr drauf" haben als ihre Kollegen aus dem gleichen Fachgebiet, die sich dem Stress einer Dissertation nicht unterzogen haben. Außerdem muss man, um zu promovieren, mitnichten nur eine zusätzliche Arbeit schreiben. Für mich ist die Promotion ein Zeichen, dass sich jemand wirklich für sein gewähltes Fachgebiet interessiert und auch bereit ist, in die Tiefe zu gehen und wirklich ausgedehnte Recherchen zu betreiben.
Bei manchen Berufsgruppen, wie beispielsweise Juristen, ist es in meinen Augen auch nötig und ein Kompetenzmerkmal, dass man sich auch in schwierige Spezialbereiche vertiefen und brauchbare Ergebnisse liefern kann. Bei Ärzten beispielsweise bin ich dagegen der Meinung, dass es in ihrem Beruf zwar auch auf die Leistungen im Bereich der wissenschaftlichen Forschung ankommt, aber im konkreten Einzelfall auch verstärkt auf Fähigkeiten wie Einfühlungsvermögen oder eine ruhige Hand mit diversen Instrumenten.
Wenn mir jemand also beispielsweise den Blinddarm heraus operieren will, vertraue ich somit eher auf die praktische Erfahrung und das handwerkliche Geschick der Ärztin als auf ihren Doktortitel. Wenn es dagegen um vertrackte arbeitsrechtliche Problemstellungen geht, kann ich mir schon vorstellen, dass jemand, der über diesen Themenbereich promoviert hat, mehr Ahnung hat als ein Kollege, der ohne Doktortitel unterwegs ist.
Gerbera hat geschrieben:Wenn es dagegen um vertrackte arbeitsrechtliche Problemstellungen geht, kann ich mir schon vorstellen, dass jemand, der über diesen Themenbereich promoviert hat, mehr Ahnung hat als ein Kollege, der ohne Doktortitel unterwegs ist.
Du schaust dir also im Vorfeld immer die Promotion des Anwaltes an, bevor du zu ihm gehst? Promovieren heißt ja am Ende nur, dass man sich mit einer wissenschaftliche Fragestellung beschäftigt hat und diese teilweise über mehrere Jahre bearbeitet hat. Was da aber genau bearbeitet wird kann was völlig anderes sein, als der Doktorand nachher beruflich ausüber wird.
So kann es sein, dass dein Bauchchirurg darüber promoviert hat, wie verlässlich man mit einer bestimmten Pulsuhr die Leistungsfähigkeit eines Sportlers untersuchen kann. Hat das nun unbedingt etwas damit zu tun, wie gut er dir einen Blinddarm entfernen kann? Ich glaube eher nicht. Das gleiche kann dir ja beim Anwalt auch passieren. Da gehst du nun mit deinem arbeitsrechtlichen Problem zu einem Fachanwalt für Arbeitsrecht, der aber über einen historischen Vergleich zwischen dem amerikanischen und englischen Rechtssystem promoviert hat. Bringt dir das nun etwas für deine aktuelle, deutsche Arbeitsproblematik?
Natürlich zeigt eine Promotion, dass sich da jemand mit einem wissenschaftlichen Problem auseinander gesetzt hat und zumindest über einen gewissen Stand an wissenschaftlicher Arbeit verfügt. Aber was genau hilft mir denn nun diese eine Doktorarbeit bei meinem eigenen Problem? Bringt es da nicht mehr beim Anwalt zu schauen, wie oft er Verfahren gewinnt oder beim Arzt wie oft er zum Beispiel Freunde oder Bekannte schon gut behandelt hat?
Ich messe daher in meinem Alltag dem Doktortitel eigentlich gar keine Bedeutung zu. Ich brauche für nichts einen Doktor, ich brauche einen Anwalt der Ahnung von Jura hat und das hat er mit seinem Staatsexamen bewiesen und er soll meinen Rechtsstreit für mich gewinnen, genauso wie mich mein Arzt schnell wieder gesund machen soll. Ob er da nun eine 100 seitige Abhandlung darüber schreiben kann, ist mir eigentlich ziemlich egal.
Als Student, der sich mal mit der Erlangung des Doktortitels auseinander gesetzt hat, hat sich meine Meinung zu dem kleinen Kürzel vor dem Namen grundlegend geändert. Früher habe ich einen Dr.- Titel mit Kompetenz und Wissen verbunden.
Heute weiß ich, dass dieser bei Medizinern unter anderem nur noch reine Formsache ist und innerhalb von wenigen Monaten erlangt werden kann. Es gibt sogar Gerüchte an unserer Uni, dass diese Arbeiten nicht mal wirklich geprüft werden, was dazu geführt hat, dass eine Gruppe von Medizinstudenten mehrfach die beinah identische Arbeit abgegeben haben, und dies erst viel viel später aufgefallen sein (Obwohl ich das kaum glauben kann, denn so eine Arbeit muss doch benotet werden und wer gibt blind Noten?). Ein Arzt kann ja auch ohne Dr.-Titel praktizieren, so sehe ich da keine Auszeichnung seiner Kompetenz drin.
Für Geisteswissenschaftler ist die Erlangung eines Doktortitels im Vergleich mit viel mehr Strapazen verbunden. So gibt es nicht genug Stellen für die Interessenten, diese sind dazu kaum vergütet, müssen sich teilweise geteilt werden und die Arbeit an der Dissertation kann sich über Jahre hinweg ziehen. Man muss nicht nur Kopfarbeit leisten, sondern auch stark verzichten für eine ungewisse Zukunft. Für u.a. Geschichtsstudenten, die eines Tages gerne in diesem Bereich auch Arbeiten wollen, ist der Doktortitel Pflicht.
Becker_K hat geschrieben:Für u.a. Geschichtsstudenten, die eines Tages gerne in diesem Bereich auch Arbeiten wollen, ist der Doktortitel Pflicht.
Das ist aber bei fast allen Naturwissenschaften so. Wer tatsächlich in Forschung oder Lehre arbeiten will, der sollte immer versuchen, wenn es der Studiengang erlaubt auch eine Promotion zu schreiben. Das ist auch bei Chemikern, Physikern oder auch Mediziner so. Natürlich gibt es da auch viele Stellen für Nichtpromovierte, aber die sind dann oftmals schlechter bezahlt. Und für universitäre Laufbahnen wird früher oder später meist eh die Promotion verlangt.
Aber wie gesagt, dass bezieht sich auf wirkliche Forschungs- oder Lehrarbeiten. Wer dagegen einfach "nur" arbeiten will oder zum Beispiel eine Naturwissenschaft auf Lehramt studiert, für den ist es in meinen Augen oftmals je nach Ansicht Zeitverschwendung oder lediglich das Tüpfelchen auf dem I für das eigene Ego. Für die spätere Tätigkeit dagegen kann man meist sehr gut darauf verzichten.
Ich muss aber einwenden, dass auch eine Promotion bei Mediziner nicht im Vorbeigehen geschrieben wird. In der Regel dauert diese auch mehrere Jahre, ist aber zugegeben oftmals nicht so umfangreich wie in anderen Fächern. Dafür wird sie aber von vielen schon neben dem Studium begonnen und dann neben der Arbeit fortgeführt. Vergütet wird dies so gut wie nie. Da gibt es nur wenige Ausnahmen, wo ein oder zwei Semester für die Promotion verwendet werden können.
Man muss halt für sich selber wissen ob man die Promotion selber braucht und man sollte eben auch bedenken, was man selber mal mit seinem Studium vorhat und vielleicht doch promovieren sollte oder ob man es sein lassen kann.
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