Meinung zur Löschung von Querdenker-Accounts bei Facebook
Facebook hat ja gestern 150 Facebook-Accounts gelöscht, die in Zusammenhang mit Querdenken stehen. Sie berufen sich auf ihre Geschäftsbedingungen und stufen diese Accounts als bedrohliche Netzwerke ein. Näheres dazu zum Beispiel hier. So weit, so gut. Sie dürfen das und ich habe mich zuerst gefreut, als ich das gelesen habe. Denn diese Verschwörungstheorien und die Falschmeldungen zur Impfung ärgern mich immer mehr, weil mir die Leute Leid tun, die das glauben und so tief in diese Blase hineingeraten, dass sie alle Kontakte zur Familie abbrechen und, ehemals ganz normale mittelalte Bürger, in ihrer Angst vielleicht sogar Anschläge verüben.
Trotzdem habe ich ein ungutes Gefühl, weil Facebook eine so große Macht hat. Sollte es nicht eher so sein, dass Fake News, die zum Beispiel offensichtlich gefährliche Gesundheitstipps verbreiten oder den Staat delegitimieren, von unserem Recht und Gesetz verfolgt werden und nicht von den USA aus. Es gibt ja den neuen Tatbestand "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates". Wie steht ihr zur Löschung von Facebook-Accounts? Hat Facebook einen zu großen Einfluss auf die Meinungsbildung und sollte ohne Staatsanwaltschaft nicht zensieren dürfen?
Die Diskussion um die Durchsetzung von deutschem oder europäischem Recht in sozialen Medien, deren Anbieter nicht in der EU sitzen, ist ja nicht neu. Das Problem mit Forderungen wie deiner ist, dass dann natürlich nicht nur auf Fälle zutreffen würde, die du als berechtigt ansehen würdest.
Wenn du einer deutschen Staatsanwaltschaft das Recht einräumst, Inhalte auf Facebook und Co. zu kontrollieren und gegebenenfalls zu löschen, müsstest du das gleiche auch mit jeder anderen Regierung tun. Und vielleicht merkst du jetzt schon, dass "Delegitimierung des Staates" in Deutschland halt etwas ganz anderes bedeuten kann, als zum Beispiel in Belarus oder der Türkei.
Und wer entscheidet dann darüber, dass eine Falschinformation zu Impfungen gelöscht werden darf, aber eine sachliche Kritik an Herrn Erdogan nicht, wenn die türkische Regierung der Meinung ist, dass das eine "Delegitimierung des Staates" sei? Facebook? Aber Moment, da waren wir ja schon und genau das wolltest du ja nicht.
Und noch eine Anmerkung zu dem inflationär benutzten Begriff "Zensur" - wenn du einem sozialen Netzwerk beitrittst, unterschreibst du praktisch einen Vertrag, der genau das erlaubt. Also kannst du nachher auch nicht herum heulen wenn du besagten Vertrag nicht gelesen hast und somit nicht weißt, welche Inhalte erlaubt sind und welche nicht.
Ich finde es total albern, wenn Leute in diesem Zusammenhang von Zensur sprechen. Soziale Netzwerke sind kein rechtsfreier Raum und es fand immer schon eine Kontrolle der Inhalte statt. Und das betraf auch immer schon sowohl strafrechtlich relevante Inhalte, wie Copyrightverstöße und Kinderpornographie, als auch an sich legale Inhalte, die einfach nicht erwünscht sind, wie nackte weibliche Brustwarzen. Muss man akzeptieren oder sich einfach abmelden. Facebook ist schließlich nicht lebensnotwendig.
Dazu habe ich gerade noch ein Video von Anwalt Jun gefunden, der solche Sachen immer sehr anschaulich aus juristischer Sicht erläutert. Am Schluss erklärt er noch, wie er persönlich zu einer eventuellen Gesetzesänderung steht. Ich schaue mir seine Videos immer sehr gerne an, in denen Jura nicht so trocken, aber trotzdem exakt erklärt wird.
An sich ein gutes Video, das Problem ist nur, dass er, als deutscher Jurist, natürlich aus einer deutschen Perspektive argumentiert. Facebook ist aber ein amerikanischer Konzern, der international agiert.
Im Prinzip bräuchte man Filter oder irgendwas ähnliches, die passend zur IP des Nutzers Inhalte blockieren. Google macht so etwas ja. Wenn du mit deutscher IP suchst, bekommst du zum Beispiel viel weniger Neonazi Zeug angezeigt, als wenn du es mit einer amerikanischen Adresse versuchst. Oder Youtube blockiert bestimmte Videos aus Copyright Gründen für bestimmte Länder.
Aber dann haben wir wieder das Problem, das ich eben schon angesprochen habe. Wenn die jeweiligen Länder über die Inhalte entscheiden können, die die Nutzer sehen dürfen, und wenn diese Länder nicht ganz so demokratisch unterwegs sind, was dann? Dann wird natürlich "Zensur!" geschrien.
Davon abgesehen - macht es bei Falschmeldungen nicht eh mehr Sinn eine entsprechende Meldung plus Faktencheck einzublenden? Auch wenn man damit längst nicht alle erreichen wird, ein kleiner Teil wird sich das zumindest aus Neugierde mal durchlesen. Und vielleicht daran denken, wenn Cousine Uschi das Gleiche beim Familientreffen nachplappert, wo es keine Löschmöglichkeit gibt.
Normalerweise bin ich generell dafür, dass man gewissen Ideologien keinerlei Plattform bieten sollte, aber man verschlimmert damit auch unter Umständen deren fundamentalistisches Gedankengut, welches so im stillen Kämmerchen weitere Vertreter leichter finden kann. Da wird auf der einen Seite von deren Seite ständig darüber berichtet, dass man „ihre Wahrheit mundtot“ macht und sie hatten keine Beweise, um andere in ihr Boot zu ziehen und dann macht man sie doch mundtot. Klar will ich deren Rotze nicht lesen, aber ich befürchte, dass sie mehr im Hintergrund arbeiten können und dadurch mehr Leute animieren, ihnen mehr zu glauben.
Hinzu kommend, dass gerade die sozialen Netzwerke in den USA liegen und dort natürlich geltendes US-Recht gilt. Klar geht man davon aus, dass wenn ich in Deutschland auf deren Plattform bin, dass dann auch hiesige Gerichtsbarkeiten aktiv sind, aber dem ist irgendwie nicht immer so. Bedrohungen usw. das geht immer klar, um vor Gericht zu gewinnen, aber Themen wie Datenschutz und Sperrungen von Accounts führen seit Jahren zu Problemen mit den Konzernen, sodass auch etliche Hassprediger mit Klagen erfolgreich waren.
Es ist schwierig. Auf der einen Seite herrscht hier Meinungsfreiheit und diese ist auch für Leute gegeben, die nur Blödsinn von sich geben wie die Querdenker. Wobei ich sie ja lieber „Nichtdenker“ nennen würde. Doch es hat immer dann Grenzen, wenn man beleidigt, bedroht, sich strafbar macht usw. Das sollte ja ohnehin vollkommen klar sein. Denn man „unterschreibt“ mit jeder Anmeldung auf Portalen eben einen entsprechenden Vertrag, der gültig ist, wenn man sich auf den Plattformen befindet.
Halten wir also fest, dass ich deren Rotz eigentlich auch nicht gerne lesen mag, aber solange dieser nicht strafbar ist, muss ich damit leben lernen. Ich denke sogar, dass es taktisch unklug wäre, sie zu blockieren, weil sie dann für sich weiter spinnen können und oftmals ohne, dass dort jemand richtig drauf schauen kann! Leider müssen wir dann aber auch befürchten, dass weitere auf deren Zug aufspringen. Doch gleichzeitig habe ich so jemanden vielleicht unter Kontrolle, sehe was gepostet wird, wie heftig das ausufert und kann den vielleicht auch von staatlicher Seite beobachten lassen.
Ich tue mich also sehr schwer mit einer einfachen Antwort für Ja und Nein. Ich kann beide Seiten verstehen.
Meiner Meinung nach, wenn es sich wirklich eindeutig um einen Querdenker oder "Impfschwurbler" handelt, der bewusst Unwahrheiten verbreitet, bin ich Facebook sogar sehr dankbar, dass sie so handeln und agieren. Solchen Leuten sollte man nirgendwo eine Plattform bieten, vor allem nicht auf Social Media!
Ich bin leider schon selber in die Situation gekommen, das Freunde offensichtlich unseriösen Quellen glauben schenken und dies dann einen Keil zwischen einen treibt, was wirklich unfassbar schade ist. Deswegen dürfen sich meiner Meinung nach noch andere Plattformen ein Beispiel nehmen und solche Accounts die solche Unwahrheiten verbreiten unterbinden.
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