Meinen sich ständig rechtfertigen zu müssen?
Eine Freundin bezieht vieles immer gleich auf sich und meint selbst, dass sie sich ständig für irgendwas rechtfertigen würde. Auch wenn sie gar nichts dafür könnte oder damit zu tun hätte. Wenn ihr Partner sich aufregt, weil ihre Katze Geld kostet, da sie zum Tierarzt muss, rechtfertigt sie sich und meint, dass er ihr sozusagen Vorwürfe machen würde. Dem ist aber anscheinend gar nicht so und ihr Freund möchte sich nur Luft machen, weil die Tierarztkosten eben durchaus höher auffallen können und ärgerlich für ihn sind.
Im Alltag gibt es wohl häufiger solche Situationen bei denen meinen Freundin etwas auf sich bezieht und dann meint, dass sie sich rechtfertigen muss. Auch, wenn das eigentlich gar nicht nötig ist. Das ist durchaus schon mal recht anstrengend und schwierig.
Kennt ihr es auch, dass jemand meint, sich ständig wegen etwas rechtfertigen zu müssen, auch wenn es sich gar nicht auf ihn bezieht? Woher kommt es, dass manche meinen, sich immer und überall rechtfertigen zu müssen? Ist das nicht auf die Dauer sehr anstrengend? Kann man irgendwas dagegen tun?
Ich war mal genauso und habe mich selbst für Dinge gerechtfertigt, die mich eigentlich nicht direkt betroffen habe. Manchmal kommt es auch noch vor, dass ich mich tatsächlich noch rechtfertige, aber es ist in der letzten Zeit schon deutlich besser geworden. Auch habe ich sehr viel direkt auf mich bezogen, aber auch da ist eine deutliche Veränderung vorhanden.
Bei mir ist es Erziehungssache. Ich musste mich immer verteidigen, rechtfertigen und meinen Standpunkt immer wieder neu belegen, und wurde nie ernstgenommen, mir wurde nie geglaubt und ich habe grundlos auch ganz schön Schelte eingesteckt. Kurz gesagt, ich wurde ziemlich untergebuttert und das hat sich irgendwo in meinem Hirn festgesetzt.
Aber schlechte Gewohnheiten kann man abstellen, sei es mit oder ohne Hilfe. Deine Freundin muss lernen, nicht mehr alles persönlich zu nehmen und auf sich zu beziehen. Dann hört das mit dem Rechtfertigen automatisch etwas auf. Sie ist die Einzige, die etwas dagegen tun kann. Sie muss die Eigeninitiative aufbringen, den Schritt gegen diese "Angewohnheit" zu gehen und lernen zu differenzieren, wann eine Rechtfertigung notwendig ist und wann nicht.
Es gibt ja diesen blöden Spruch, wer sich rechtfertigt, würde sich anklagen, ich persönlich halte das für Quatsch, denn meistens sind es einfach selbst unsichere Leute, die sich zuviel erklären und rechtfertigen. Nur nehmen leider anscheinend wirklich viele Menschen diesen Spruch für bare Münze und kanten gerne noch weiter und weiter nach. Alleine deswegen muss man versuchen, das abzustellen.
Abgesehen davon kann es für die Umwelt auch anstrengend sein, wenn jemand sich ständig reflektorisch erklärt, entschuldigt und rechtfertigt. Ich kenne Leute, und das ist jetzt keine rhetorische Übertreibung, die bei einer Motzerei eines Zweiten oder Dritten über das Wetter sofort empört ausrufen, dass sie doch aber nichts dafür können. Sowas ist anstrengend.
Ich habe in manchen Situationen auch schon dazu geneigt, mich zu erklären, weil ich das Gefühl hatte der andere versteht gerade gar nicht, was oder wie ich es meine, aber oft ist es so, dass man dann eine einzige Erklärungs- und Diskussionsspirale in Gang setzt, die einen hinterher keinen Millimeter weitergebracht hat. Hilfreich finde ich da das Lernen am Vorbild-Modell, also sich Leute anzugucken, die es ganz anders machen und wie die so damit fahren.
Wenn man merkt, dass man mal wieder den Impuls hat sich allzu wortreich oder unbegründet zu erklären, kann man notfalls fast mitten im Satz aufhören und mit den schlichten Worten "So ist das eben" oder ähnlichen Dingen schließen. Interessanterweise geht einem das irgendwann tatsächlich so in Fleisch und Blut über, dass man es wirklich auch so wahrnimmt und glaubt und nicht einfach so tut. Warum sollte man anderen ständig irgendetwas leicht machen oder erklären, während der Großteil der Menschheit wie ein Trampel durch das Gefühlsleben anderer stapft?
Wenn man das alles nur lange genug macht, wird man hoffentlich schon merken, dass man genauso eine Daseinsberechtigung hat wie andere und das ein wenig Dickfelligkeit heilsam für die Nerven ist. Und man darf auch eben ruhig mal was falsch machen, nervig sein, anstrengend sein, etwas Blödes sagen, ohne dass es da hinterher immer einer großartigen Erklärung bedarf.
Ich arbeite auch schon seit Längerem an der Erkenntnis, die Verbena so schön zusammengefasst hat, nämlich, dass die Welt nicht untergeht, wenn ich mich auch mal blöd benehme, etwas Dummes sage oder mal wieder nicht merke, dass ich anderen Leuten auf den Sack gehe. Ich gehöre nämlich auch zu der Sorte Leuten, die immer alles gleich auf sich beziehen und sich auch für völlig unnötige Dinge rechtfertigen, wie etwa Hobbys.
Ich sage mir schon seit Jahren, dass ich mich nicht dafür rechtfertigen muss, dass ich im Großen und Ganzen so bin, wie ich bin, und bestimmte Dinge mag, die andere vielleicht nervig finden und dass ich genauso wenig perfekt bin wie alle anderen auch. Und wenn jemand patzig oder genervt auf mich reagiert, kann es ja genauso gut sein, dass die Person einfach einen schlechten Tag hat und sich pauschal Luft macht, was auch nicht gerade die feine englische Art ist, aber wenigstens nichts mit mir zu tun hat.
Auch habe ich die Erfahrung gemacht, dass meine mühsam zurechtgeklöppelten Erklärungen und Rechtfertigungen, wieso ich etwas getan oder gelassen habe, oft genug ungehört verhallen, weil es meine Mitmenschen verständlicherweise gar nicht so sehr interessiert, was ich so treibe. Oder ich öffne Diskussionen, wohlmeinenden Ratschlägen, Bevormundungen und Kritik zu meinem Lebenswandel Tür und Tor, sodass auch niemandem geholfen ist. Es wäre also langfristig besser, wenn ich mir statt längerer Rechtfertigungsversuche einfach ein legeres Schulterzucken angewöhnen würde, aber das ist nach wie vor gar nicht so einfach.
Ich kenne auch einige Leute, die sich so benehmen und finde sie unheimlich anstrengend. An schlimmsten war eine Bekannte, die dann auch noch regelmäßig anfing zu heulen. Sie hätte sich wohl auch noch am derzeit schlechten Wetter die Schuld gegeben und sich dafür gerechtfertigt, dass sie nicht mehr gegen den Klimawandel getan hat.
Ich glaube, dass diese Angewohnheit zum einen mit einem geringen Selbstbewusstsein zu tun hat und zum anderen mit einem schlechten Elternhaus, wo dem Kind immer und an allem die Schuld gegeben wurde. Und an beidem kann man arbeiten, man muss sich nur erst mal bewusst werden, dass es dort ein Problem gibt. Dafür ist vielleicht ein ruhiges Gespräch mit der Person gut in einer Atmosphäre, in der sie sich nicht gleich wieder die Schuld gibt.
Eine Freundin hat es geschafft und sich langsam ein besseres Selbstbewusstsein aufgebaut. Sie ist sich inzwischen auch dessen bewusst, dass sie Eigenheiten hat und auch Fehler macht, die bestimmt manches Problem verursachen - aber das ist eben so! Das gehört zu ihr und sie will auch nicht alles ändern. Andere Menschen sind auch nicht alle fehlerfrei.
Seit sie diese Wandlung durchgemacht hat, ist sie ein viel glücklicherer Mensch, denn diese ständige Angst, etwas falsch zu machen und dafür Schelte zu beziehen und sich rechtfertigen zu müssen, ist auch Stress und macht nicht wirklich glücklich.
Ich kenne da auch zwei Leute, die sich ständig für alles rechtfertigen oder entschuldigen und dann entschuldigen/rechtfertigen sie sich noch dafür, dass sie sich gerechtfertigt haben. Einer Person davon habe ich das auch direkt mal in den letzten Jahren ausgetrieben. Denn ich sah einfach keinen Grund in den Rechtfertigungen und habe ihr deutlich gemacht, dass sie sich nicht ständig rechtfertigen muss. Doch man gab ihr von elterlicher Seite aus immer genau dieses Gefühl, sodass sich dies auch weiterhin verfestigt hat.
Ich finde, dass jeder zum einen Fehler macht, mal eine Dummheit macht, vielleicht auch Anschaffung hat, die dauerhaft Geld kosten und mehr. Es ist für mich aus diesem Anlass auch nicht notwendig, ständig sich zu rechtfertigen, weil die Katze durch den Tierarzt Geld kostet. Der Partner sollte das akzeptieren und gut ist. Ich muss mich für nichts rechtfertigen. Denn ich entscheide, was ich mit meinem Geld tue und wenn ich denke, dass meine Kohle bei einem Tier besser aufgehoben ist, dann ist das.
Wenn mein Freund jetzt meckern würde, dass die vier Katzen viel Geld kosten, dann würde ich sagen und? Ich würde darin keinen einzigen Grund sehen, mich dafür zu rechtfertigen. Kinder kosten auch Geld, muss ich dann mir in Zukunft anhören, hätte ich verhütet, hätte ich keine monatlichen Kosten?
Ich bin immer die Person gewesen, die macht, was sie will, lebt wie sie will und das ändert sich nicht. Ich rechtfertige mich nicht. Mache ich Fehler, entschuldige ich mich, aber das was ich im Alltag tue, wofür ich mein Geld ausgebe usw. das entscheide noch immer ich und dafür hat sich niemand zu rechtfertigen.
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