Männern in Anzug und Krawatte jeden Quatsch glauben?
Ich habe neulich einen Artikel gelesen, in dem es um berufliche Dresscodes ging. In dem Forum wurde dann sehr stark darüber diskutiert, ob die Autorin - eine Modedesignerin - denn Recht mit ihrer Aussage hätte, dass man durch bessere Kleidung auch professioneller wahrgenommen werden würde.
Da meinte dann ein User, dass man mit Anzug und Krawatte jeden Quatsch von sich geben könnte und dass jeder das glauben würde was man sagt, wobei nicht alle User dieser Ansicht waren.
Mich würde mal interessieren, wie ihr das seht. Findet ihr, dass dieser User Recht hat? Glaubt man einem Mann in Anzug und Krawatte tatsächlich alles was er sagt, selbst wenn es der größte Quatsch sein sollte? Wie ist das bei euch?
Anzug und Krawatte ist halt eine Kleidungsform, die in bestimmten Berufszweigen dazu gehört. Andere Berufszweige nutzen diese Kleidung wiederum um seriöser zu wirken. Dabei finde ich beispielsweise, dass viele Anzugträger einfach sehr schlecht sitzendes Material tragen oder dass die Anzüge häufig so alt sind, dass die Schnitte nicht mehr modern sind.
Grundsätzlich lege ich keinen Wert auf diese Kleidung, da ich sie eher ein wenig verlogen und verheuchelt finde. Ein Banker in einer ehrlichen Jeans könnte genauso vernünftig oder nicht vernünftig arbeiten wie im Anzug. Ich fände das viel authentischer. Anzug und Krawatte bedeuten bei mir eigentlich auch eher, dass ich genauer hin sehe.
Kleidung weckt bestimmte Erwartungen und Assoziationen. Beispielsweise hatte ich an der Uni einen Professor, der lief immer sehr locker herum, meistens und schwarzer Cordhose und schwarzem Pullover. Und ein andere Professor trug Anzug mit Krawatte. Das ließ ihn auch anders wirken, man hatte dann irgendwie mehr Distanz zu dem Professor - der andere wirkte eher kumpelhaft - und er besaß mehr Autorität.
Natürlich gibt es Menschen, die nicht wirklich gut im kritischen Denken sind und die sich auch nicht wirklich trauen nachzufragen oder zu widersprechen, wenn der Gesprächspartner auf sie eine gewisse Autorität ausstrahlt. Das wirkt auf mich gar nicht, weil ich eher anarchistische Tendenzen habe, aber die breite Masse sieht das anders.
Das Phänomen kennt man ja auch von Patienten, die von ihrem Arzt eingeschüchtert sind einfach, weil das ein Arzt ist, und dann halt nicht nachfragen, was eine Diagnose genau bedeutet oder was für alternative Behandlungsmethoden es noch gibt.
Selbst wenn man sehr kritisch an die Sache herangeht, gewisse Mechanismen funktionieren einfach. Ein schönes Beispiel sind Vorträge und Kongresse. Dort gilt ein Mann mit entsprechender Kleidung und einem selbstbewussten Auftreten zuerst einmal als Experte.
Natürlich kann sich diese Meinung während seiner Ausführungen verändern. Aber im Prinzip muss er nur die Erwartungen grob erfüllen, denn als Mann profitiert er von den Vorschusslorbeeren ein anerkannter Spezialist zu sein. Erst wenn Männer einen Status erreicht haben, dass sie als Koryphäe auf ihrem Gebiet gelten, können sie auch in Shirt und Jeans vortragen.
Das ganze ändert sich sofort, wenn eine Frau den Vortrag hält. Denn dann steht da für Frauen und Männer zuerst einmal eine Frau. Ob diese Frau eine Expertin ist, das zeigt sich erst im Verlauf des Vortrags. Denn eine Frau wird immer zuerst als Frau wahrgenommen und dann erst als Spezialistin. Daran ändert sich auch wenig, wenn sie sich einen Ruf erworben hat. Sie kann dann nie so nachlässig werden wie ein bekannter Mann.
Ich kann es mir schon vorstellen, dass manche Menschen so leichtgläubig sind, dass sie einem Mann im Anzug jeden Quatsch glauben, nur weil er eben einen Anzug trägt und darum seriös wirkt. Aber ich würde nicht sagen, dass das bei jedem Menschen auch so funktionieren kann. Wenn man ein wenig nachdenkt, dann wird man schon auch wissen, dass ein Mensch nicht automatisch kompetent ist, nur weil er eben einen Anzug und eine Krawatte trägt.
Für mich wirkt jemand in Anzug und Krawatte natürlich schon sehr viel seriöser, als jemand in zerrissenenen Jeans, ausgeblichenem Shirt und schmutzigen Chucks, gerade dann, wenn es sich um wichtige Angelegenheiten handelt. Wenn ich beispielsweise zur Bank gehe, dann erwarte ich da auch Männer im Anzug und nicht in Jeans. Diese könnte ich da gar nicht ernst nehmen, zumal ich dann auch nicht glauben könnte, dass die Person da wirklich arbeitet.
Auch im Alltag und in der Freizeit wirken Männer im Anzug einfach seriöser. Irgendwie denkt man da ja automatisch, dass die Person wohl einen guten, seriösen Beruf haben muss. Man denkt sich wahrscheinlich nicht, dass ein Student nun ständig im Anzug herumläuft, so dass man eben schon denkt, dass die Person seriös ist und einen guten Beruf hat. Das alles bringt mich aber trotzdem nicht dazu, diesen Personen alles zu glauben.
Im Endeffekt kann sich doch jede Person in Schale schmeißen und einen Anzug anziehen. Dafür muss man keinen besonderen Beruf haben. Von daher halte ich diese Personen auch nicht unbedingt für seriös, wenn ich nicht genau weiß, was sie genau machen. Alles glauben würde ich diesen Personen auch in Beratungsgesprächen nicht. Ich bin allgemein sehr misstrauisch und nur weil jemand einen Anzug trägt, hat er damit ja nicht die Weisheit mit Löffeln gegessen.
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