Macht hoher Mindestlohn Arbeitsplätze kaputt?

vom 06.03.2022, 15:21 Uhr

Wie empfindet ihr den aktuellen Mindestlohn?

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Zum 1.Oktober dieses Jahres wird der Mindestlohn auf 12€ angehoben und auf diesen Beschluss hin, da gab es ein geteiltes Echo. Seitens der Arbeitnehmerschaft und den Gewerkschaften gab es Zustimmung und seitens der Arbeitgeberverbände überwiegend Kritik und schon mal die Ansage, dass dies mit dem Abbau von Arbeitsplätzen kompensiert werden müsste. Was habt ihr für eine Meinung zur Entwicklung des Mindestlohns in den letzten Jahren? Findet ihr, dass dieser zu schnell steigt und somit Arbeitsplätze in Gefahr bringt?

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» info-hotline » Beiträge: 192 » Talkpoints: 123,70 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich finde es genau richtig, dass man den Mindestlohn anhebt. Arbeit muss sich lohnen. Es kann ja nicht sein, dass man arbeiten geht und dann noch aufstocken muss oder sich noch 2 Nebenjobs suchen muss. Man muss das Arbeiten attraktiv gestalten. Das wird sicherlich erstmal dazu führen, dass Menschen ihre Arbeit verlieren werden, aber dennoch braucht man sie ja und daher werden die dann eben woanders wieder eingestellt. Ich würde mir wegen des gesamten Verlustes an Arbeitsplätzen wenig Sorgen machen. Es muss da einfach eine Verbesserung her und 12 € finde ich absolut fair, vorerst.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Es ist sicher, dass dieser große Schritt bei der Anhebung des Mindestlohns auch Arbeitsplätze kosten wird. Nehmen wir allein die Gastronomie. Wenn es nicht gerade ein kleines Lokal ist, wo Inhaber und Partner ausreichen, dann wird sich das in den Endpreisen bemerkbar machen. Aber wie viele Gäste sind denn wirklich bereit die entsprechenden Mehrkosten zu tragen?

Wenn man sich das mal in Zahlen betrachtet, so kostet ein Arbeitnehmer - Single, ohne Kinder - bei 10 Euro Stundenlohn und 40 Stundenwoche den Arbeitgeber knapp 2.000 Euro im Monat. Bei 12 Euro Stundenlohn kommen wir schon auf knapp 2.400 Euro Lohnkosten. Und da sind andere Kosten, welche aktuell ja auch stetig steigen noch nicht berücksichtigt. Ein Essen, was letztes Jahr vielleicht noch 10 Euro gekostet hat, muss dann locker für 14 Euro auf die Karte.

Man hätte bei dem Thema Mindestlohnerhöhung so weiter machen sollen, wie das vor vielen Jahren mal begonnen wurde. Jedes Jahr wurde die Branche höher gesetzt, die aktuell den niedrigsten Tariflohn hatte. So hat es nur einen Bruchteil Arbeitnehmer betroffen und die Preissteigerungen sind da nicht so ins Gewicht gefallen. Eine flächendeckende Erhöhung ist zwar in dem Umfang für die Arbeitnehmer gut, aber man wird es bei der Agentur für Arbeit merken. Denn viele kleinere Betriebe werden lieber Aufträge ablehnen und dafür eben allein klar kommen, aber dadurch auch die Lohnkosten sparen.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Ich nehme die Drohung, dass "Arbeitsplätze verloren gehen", ehrlich gesagt schon lange nicht mehr ernst. Das heißt es doch immer, mal ganz ehrlich. Und auf der anderen Seite wird mindestens ebenso sehr gejammert, dass Fachkräftemangel herrsche, weswegen viele Branchen sowieso keinen Hungerlohn mehr zahlen, sondern (teilweise sogar weit) übertariflich, weil sich sonst einfach niemand findet. Und da ist es auf einmal überhaupt kein Problem mehr, 12 Euro und mehr Stundenlohn zu berappen und sogar noch zusätzliche steuerfreie Boni lassen sich finden, wenn nur endlich wieder jemand Kompetentes am Band steht, den Besen schwingt oder nachts um drei die Alarmanlage scharf stellt.

Und man darf ja auch nicht vergessen, dass so auch die Nachfrage angekurbelt wird. Wer nicht nur am Existenzminimum daher schlurft, kann auch wieder mehr konsumieren, wovon wiederum beispielsweise die Gastronomie oder die Reisebranche profitieren. Du kannst eben nicht einer erkennbaren Zahl an Arbeitskräften 9 Euro die Stunde zustecken und erwarten, dass diese dann in ihrer Freizeit schwächelnde Restaurants retten und den Leerstand in den Fußgängerzonen bekämpfen. Armut war noch nie eine Lösung für irgendwas.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Punktedieb hat geschrieben:Man hätte bei dem Thema Mindestlohnerhöhung so weiter machen sollen, wie das vor vielen Jahren mal begonnen wurde. Jedes Jahr wurde die Branche höher gesetzt, die aktuell den niedrigsten Tariflohn hatte. So hat es nur einen Bruchteil Arbeitnehmer betroffen und die Preissteigerungen sind da nicht so ins Gewicht gefallen.

Aber macht das denn tatsächlich einen Unterschied. Natürlich hast du Recht, dass damit immer nur einer Branche die Kosten deutlich gestiegen sind und in den anderen nicht. Aber auf der anderen Seite ist damit auch die Kaufkraft immer nur für einen Bruchteil der Arbeitnehmer gestiegen.

Hebst du jetzt großflächig den Mindestlohn an, steigt damit ja auch großflächig die Kaufkraft. Vielleicht geht dann eben irgendwer nicht mehr Essen weil es jetzt 14 statt 10 Euro kostet, aber dafür kann sich vielleicht irgendwer von den Mindestlohnempfängern jetzt hin und wieder mal das Essen gehen für 14 Euro leisten, was er vorher nicht gemacht hat.

Ich sehe das grundsätzlich nicht so skeptisch. Allerdings denke ich immer, dass es ja einen Grund haben muss, wenn in einer Branche so niedrige Löhne bezahlt werden. Wenn man mal den raffgierigen Arbeitgeber außen vor lässt, ist es doch meist so, dass das in Branchen passiert, wo der Arbeitnehmer eben einfach wenig Geld erwirtschaftet.

Und genauso denke ich auch immer, dass dann eben am Ende die Preise teurer werden. In anderen Branchen wird sich dann beklagt, dass ungelernte Arbeitnehmer plötzlich ähnlich viel verdienen, dann werden da die Preise erhöht und nachher ist alles so wie vorher nur eben 2 Euro teurer.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


@Klehmchen: Nehmen wir ganz einfaches Beispiel. Bis vor ein paar Jahren sind mein Mann und ich noch regelmäßig in ein Lokal gegangen. Einmal in der Woche mit Karten spielen und natürlich Essen und Getränke. Das waren im Schnitt so 40 Euro pro Woche. An diesem Abend kamen auch andere Familien mit wesentlich mehr Leuten. Entsprechend mehr Umsatz dort.

Das hat aus diversen Gründen vor vier Jahren begonnen weniger zu werden. Und was da wöchentlich an Umsatz fehlt, können Leute die dann einmal im Monat kommen, nicht auffangen.

Und bei den ganzen Begleitumständen, die dazu gekommen sind, wird das Problem wohl eher noch größer werden. Denn was nutzen rund 2 Euro pro Stunde mehr in der Tasche, wo ja schon Vater und die Pflichtversicherungen mit mindestens 30% zuschlagen, wenn das normale Leben so teuer geworden ist, dass man sich keinen Luxus mehr leisten kann. Und Luxus ist dann eben mal Essen zu gehen und für manche Menschen mittlerweile jetzt schon ein Besuch beim Frisör.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Punktedieb hat geschrieben:Denn was nutzen rund 2 Euro pro Stunde mehr in der Tasche, wo ja schon Vater und die Pflichtversicherungen mit mindestens 30% zuschlagen, wenn das normale Leben so teuer geworden ist, dass man sich keinen Luxus mehr leisten kann. Und Luxus ist dann eben mal Essen zu gehen und für manche Menschen mittlerweile jetzt schon ein Besuch beim Frisör.

Aber ohne die 2 Euro mehr pro Stunde ist doch das ganze Leben drum herum auch teurer geworden, nur dass du dann eben auch noch 2 Euro pro Stunde weniger verdienst und die die gestiegene Miete leisten musst, die höheren Spritkosten und die höheren Preise für viele Lebensmittel. Die Inflation verschwindet doch jetzt nicht plötzlich nur weil du den Mindestlohn wieder einfrierst.

Und dein Beispiel finde ich schwierig, weil du eben selber schon sagst, gab es ja insbesondere in den letzten zwei Jahren dank Corona ja Begleitumstände, die alles verändert haben. Da dürfte sich eben auch einfach der ein oder andere Stammtisch aus der Kneipe in den Garten verlagert haben und wenn das einmal fest in den Köpfen ist, gehen die dann so schnell auch nicht wieder zurück in die Kneipe.

Auch machen wir ja vieles aus Gewohnheit. Und genauso dürfte sich bei vielen jetzt eingebürgert haben, dass du dir das Essen auch aus fast jedem Restaurant holen kannst. Dann zahlst du zwar noch das gleiche für das Essen, sparst aber etliche Euro bei den Getränken.

Und wir müssen ja uns ja nun einmal nichts vormachen. Wer derzeit den Mindestlohn bekommt, der dürfte in den seltensten Fällen regelmäßig Essen gehen oder sich alle vier Wochen beim Friseur die Haare schneiden lassen und so weiter. Wenn die aber 120-160 Stunden im Monat arbeiten und dafür eben 2 Euro brutto mehr bekommen, dann haben die auch netto 150 bis 200 Euro mehr zur Verfügung, die vorher nicht da waren. Natürlich wird das bei vielen nur reichen um irgendwelche Lücken zu stopfen, aber es werden auch genug dabei sein, die dann eben doch mal einmal öfter zum Friseur gehen oder doch dann hin und wieder mal sagen, diesen Monat geht die Extrakohle für einmal Essengehen drauf.

Wie gesagt denke ich sowieso dass das Ganze am Ende nur Augenwischerei ist. Der eine kriegt dann etwas mehr, dafür wird dann alles andere wieder teurer und in der Summe steigt die Kaufkraft für alle trotzdem nicht maßgeblich.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Man muss aber bei der ganzen Rechnung, aber auch die Mehrkosten für den Arbeitgeber mit sehen. Und da sehe ich eher den Fall, dass Arbeitsplätze abgeschafft werden. Besonders in den kleineren Betrieben. Ich hatte oben ja den Unterschied für den Arbeitgeber schon in Zahlen benannt. Da wird sich mancher Unternehmer genau die Bücher anschauen, ob es nicht vorteilhafter ist, wenn man Aufträge ablehnt, aber dafür auch weniger Lohnkosten hat.

Und wenn man die ganzen Zahlen mal für einen Single ohne Kirchensteuer und Kinder betrachtet, dann hat dieser bei einer Steigerung von 2 Euro Stundenlohn ganze 189,20 € im Monat mehr, was pro Stunde 1,18 € ausmacht. Stellen wir nun die gestiegenen Kosten daneben, so wird kaum mehr ein Restaurantbesuch oder die Frisör außer der Reihe möglich sein.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Punktedieb hat geschrieben:Stellen wir nun die gestiegenen Kosten daneben, so wird kaum mehr ein Restaurantbesuch oder die Frisör außer der Reihe möglich sein.

Aber die Kosten wären auch so gestiegen, sofern du nicht gleich die Inflation mit abschaffst. Das heißt also in deinen Worten nur ohne die Erhöhung des Mindestlohnes hätte der Arbeitnehmer dank allgemeiner Preissteigerung seinen Lebensstandard sogar senken müssen.

Ich finde das Thema eben daher insgesamt schon schwierig. In der Regel steigt ja die Kaufkraft nicht so wahnsinnig an durch solche Erhöhungen. So wie die Löhne steigen, steigen dann eben auch die Preise und das frisst deine Erhöhung wieder auf. Aber aus Sorge, dass es morgen eben mehr kostet, kaufst du lieber heute und so wird der Konsum gestärkt. Am Ende ist es aber für die meisten immer eine Milchmädchenrechnung.

Ich denke einfach am Ende des Tages sollte jede Arbeit dazu führen, dass man zumindest auf einem niedrigen Standard davon leben können sollte, wenn man Vollzeit arbeitet. Und dafür gibt es halt kluge Leute, die das ausrechnen können, wie hoch dafür ein Mindestlohn sein muss. Da würde ich jetzt nur ungern von meinen Vorstellungen auf andere schließen.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Wir in meiner ersten Antwort hier schon geschrieben, wäre es sinnvoller gewesen, wenn man jedes Jahr eine Branche erhöht hätte. Gab es ja schon mal und da waren die Preissteigerungen nicht so spürbar, weil es dann eben nur diese eine Branche betroffen hat. Dass nun aktuell noch mehr Preissteigerungen vorhanden sind, hat ja erst mal nichts mit dem Mindestlohn und dessen Erhöhung zu tun.

Aber wenn man das ganze aus Sicht der Verbraucher betrachtet, so sind eben allgemeine Preissteigerungen wesentlich spürbarer, als wenn es eben in einem Jahr nur die Frisöre betrifft und im nächsten Jahr das Verkaufspersonal im Einzelhandel und ein Jahr später dann die Hausmeisterdienste. Es macht schon einen Unterschied, ob man da jedes Jahr nur wenige Euro mehr bezahlt oder die Kosten gleich um ein Vielfaches steigen.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


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