Machen euch Schicksalsschläge anderer betroffen?
Immer wieder gibt es schockierende Meldungen wie den Fall in Rosenheim am vergangenen Freitag. Dort hatte eine Bundespolizistin sich und ihre beiden Töchter erschossen.
Aufgrund meiner Tätigkeit als Schreibkraft bei der Polizei bekomme ich natürlich solche und ähnliche Fälle des Öfteren mit und habe grundsätzlich gelernt damit umzugehen. Trotzdem geht das Schicksal mancher Menschen nicht immer spurlos an mir vorbei, gerade wenn Kinder beteiligt sind. Ich bin bin dann zwar auch erstmal schockiert und traurig, versuche diese Gedanken dann aber auch ganz schnell wieder auszublenden. Das gelingt mir auch sehr gut.
Von einer Freundin weiß ich, dass sie solche Schicksale sogar im Alltag erstmal runterziehen. Sie ist traurig und schockiert und kann oft tagelang die Gedanken an diese Fälle nicht loswerden. Sie versucht auch alle möglichen Informationen aus den Medien zu bekommen und beschäftigt sich tagelang mit den Geschehnissen, nicht aus Sensationsgier, sondern aus Mitgefühl.
Machen euch die Schicksalsschläge anderer auch betroffen? Wie gelingt es euch diese Gedanken auszublenden und keine zu große Empathie zu entwickeln? Lest ihr euch solche Medienberichte durch oder ignoriert ihr diese bewusst?
Ich will ja nicht zynisch klingen, aber wie selektiert deine Freundin da? Ich meine, es ist ja praktisch unmöglich sich bei allen "Schicksalsschlägen" auf dem Laufenden zu halten und tagelang mitzuleiden, beschränkt sie sich da auf Deutschland oder das eigene Bundesland oder nur auf das, was halt gerade so in den Medien stattfindet?
Ja, erweiterter Suizid ist schlimm und ich habe mich auch schon oft gefragt was in solchen Menschen vorgeht und warum sie vor der Tat keine Hilfe bekommen haben oder keine annehmen wollten oder warum das Umfeld weggeschaut hat. Aber im Vergleich zu dem, was anderswo auf der Welt passiert ist das halt ziemlich harmlos. Und ein totes deutsches Kind ist ja wohl nicht schlimmer als ein Kind, das in einem Dürregebiet verhungert oder in einem Kriegsgebiet von einer Miene in Stücke gerissen wird oder im Mittelmeer auf der Flucht ertrinkt, oder?
Ich muss zugeben, dass ich da gar nicht so empfindlich bin, was dieses Thema betrifft. Natürlich ist so etwas eine tragische und traurige Sache. Besonders viel denke ich aber auch nie darüber nach, wenn ich so etwas höre oder darüber lese. Ich nehme das Thema war und empfinde es dann auch als unschöne Sache, aber dann widme ich mich wieder anderen Gedanken.
Am Ende bringt es mir auch nichts, wenn ich mich bei jeder Meldung in Trauer hülle und geknickt durch den Tag gehe. Anders sieht das dann natürlich aus, wenn man die betreffende Person vielleicht kennt, wenn auch nur flüchtig. Dann nimmt einen das schon eher mit. Da werde ich dann schon mal nachdenklich und grübel eine wenig über den Vorfall. Aber auch hier finde ich recht schnell wieder zu anderen und neuen Gedanken.
Ich habe mal für ein paar Jahre im Krankenhaus gearbeitet. Dort bekommt man natürlich auch so einige tragische Fälle mit. Unter anderem gibt es da auch Fälle mit Kindern, wo man im ersten Moment schon kurz nachdenklich wird. Da ich dort aber nur in der Verwaltung tätig war, hatte ich nie ein Gesicht oder eine andere Verbindung zu Fällen. Der einzige Bezug waren ein paar Randdaten zur Person, das war es. In so einem Arbeitsbereich muss man aber auch damit einigermaßen umgehen können, auch wenn das leicht daher gesagt ist.
Ich kenne da auch so eine Freundin, die teilt recht oft solche tragischen Meldungen bei Facebook. Erst dachte ich, dass sie einen persönlichen Bezug zum Fall hat, aber das war anscheinend nie der Fall. Sie empfand die Meldungen einfach nur als so schrecklich traurig, dass sie diese unbedingt noch anderen mitteilen musste. Das ist so ein Ding, was ich nicht nachvollziehen kann. Das wirkte wirklich schon fast so, als ob sie gezielt nach so etwas Ausschau hält.
Ich kann auch nicht behaupten, dass mich Schicksalsschläge anderer wirklich emotional betroffen machen, solange ich nicht mindestens einen Beteiligten persönlich kenne. Aber wie sollte ich denn sonst mein eigenes Leben weiterführen? Es vergeht ja kein Tag, an dem nichts "Schlimmes" passiert, und der Spruch stimmt schließlich auch, dass ein Toter eine Tragödie darstellt, 10 000 Tote dagegen eine Statistik.
Und ich finde auch, dass es völlig absurd ist, hier zu differenzieren. Wenn die kleine Lara aus der Nachbarschaft leider eine schlimme Krankheit bekommt, bin ich betroffen, aber wenn es die kleine Viktoria aus der Ukraine erwischt, geht mir das sonstwo vorbei? Oder wenn bei einem Flugzeugabsturz 200 AfrikanerInnen sterben, aber - wie es in den Medien immer so schön heißt - "darunter auch drei Deutsche": Soll ich dann betroffen sein im sicheren Wissen, dass ich von der Katastrophe sonst gar nichts mitbekommen hätte, weil nicht jeder poplige Flugzeugabsturz irgendwo in Uganda im bayerischen Rundfunk vorkommt?
Wirklich von allen Schicksalsschlägen anderer emotional betroffen zu sein, würde mich also geistig zerrütten, und nur unter bestimmten Bedingungen wie räumlicher Nähe oder dem Alter der Betroffenen die Opfer und Schicksale zu beklagen, erscheint mir arrogant und zynisch. Von daher bleibt mir nur eine gewisse distanzierte Betroffenheit in dem Wissen, dass es jeden jederzeit hart treffen kann.
Ich würde lügen, wenn mich der Fall mit der Polizistin und dem erweiterten Suizid an ihren Kindern nicht interessiert hätte. Allerdings betroffen zu sein, fällt mir dann wiederum etwas schwerer. Denn ich bin in der Ferne, und kenne die Familie nicht. Ich weiß also auch nicht, ob und was schief gelaufen ist.
Ich frage mich nur ganz einfach, wie vielleicht auch einige andere, wieso hat sie das getan? Wieso hat sie ihre älteren Kinder getötet und dann sich selbst? Was muss in einer jungen Frau, die hübsch war, beruflich im Leben stand und schon Kinder hatte, die aus dem gröbsten raus sind, derart ausgeufert sein, dass alles auf einmal egal erschien? Das ist vielleicht eine Frage mit etlichen anderen Fragen, die man sich womöglich stellt.
Doch es gibt so viele Schicksale auf der Welt, da sich immer betroffen zu fühlen, das würde uns selbst auch gar nicht tun. Ich nehme sie in jedem Fall wahr, wenn ich darüber lese. So ist es nicht, aber so was lasse ich doch nicht an mich persönlich heran. Ich kenne die Personen nicht und das lasse ich da schon gar nicht an mich heran.
Es ist auch traurig, dass der kleine Jaxon jetzt tot ist. Es ist ebenso traurig das der Ex-Bayern Trainer Guardiola seine Mama an Corona verloren hat, der König Felipe seine Schwester und viele andere Menschen in Italien ihre Liebsten verlieren. Es betrifft mich zwar nicht direkt, aber es tut mir für die Menschen unglaublich leid.
Doch ich denke, Betroffenheit wäre ich hier das falsche Wort. Ich kriege es mit, habe dazu auch vielleicht eine Ansicht, aber ich bin keineswegs betroffen, als wenn es mich persönlich betrifft. Denn dann würde man doch psychisch am Ende sein, wenn man das überall so handhabt, wie mit sich selbst.
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