Lohnt sich arbeiten in Deutschland oft gar nicht?

vom 12.06.2015, 06:55 Uhr

In vielen Branchen in Deutschland verdient man sehr schlecht, so beispielsweise auch in der Altenpflege. Ich habe neulich einen Bericht über eine Altenpflegerin gesehen, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet hat und nicht einen Tag lang arbeitslos gewesen ist oder sich Elternzeit genommen hat. Am Ende sollte sie aber nur 650 Euro Rente bekommen und die Grundsicherung betrüge 690 Euro. Das bedeutet, dass sie eigentlich weniger bekommt, als Menschen die ihr ganzes Leben lang arbeitslos gewesen sind und nie einen Finger gerührt haben.

Vermutlich kann sie Sozialleistungen beantragen, aber letztendlich ist es für diese Person ein enttäuschendes Leben, denn arbeiten lohnt sich bei so einem Ausgang in Deutschland offenbar oftmals nicht, da hätte man es einfacher, wenn man arbeitslos geblieben wäre. Warum gibt es keine Bemühungen von Deutschland aus, diesen Sachverhalt zu ändern? Kann es wirklich sein, dass es Arbeitslose in Deutschland oftmals besser haben, als Arbeitnehmer?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich glaube langsam auch, dass viele Arbeitslose es besser haben als so manche Arbeiter. So habe ich einen männlichen Verwandten, der schon etwas älter ist und der massive gesundheitliche Probleme hatte. Er war wegen der Arbeit ständig im Stress, hatte Blutdruckprobleme bekommen, irgendwann kam dann Diabetes dazu und Gelenkbeschwerden. Er hatte sich abgerackert ohne Ende und trotzdem hat das Geld nur knapp gereicht um sich und seine Familie durch zu bringen. Irgendwann wurde er dann entlassen, weil der Chef der Meinung war, dass die Leistungen nicht ausreichen würden und dieser Verwandte musste dann nach einem Jahr Arbeitslosengeld Hartz 4 beantragen.

Mittlerweile sagt er, dass er daran hätte viel eher denken können. Denn jetzt bekommt er durch Hartz 4 und die ganzen anderen Leistungen wie Wohngeld etc. etwa 50€ mehr als die Summe, die er monatlich erarbeitet hat früher. Er meinte, jetzt hätte er es viel besser, da er quasi mehr Geld zur Verfügung hat als noch zu Arbeitszeiten und außerdem hat er keinen Stress mehr und durch fehlende Arbeit auch weniger gesundheiltiche Probleme, selbst wenn diese nicht ganz weg sind.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


@Olly173: Welche ganzen anderen Leistungen sollen das denn sein? Wer Hartz IV bekommt, der hat keinen Anspruch auf Wohngeld. Kindergeld wird mit den Leistungen verrechnet. So rosig ist es nicht, wenn man nicht arbeitet. Das ist ein Trugschluss.

Wobei es immer darauf ankommt, wer nicht arbeitet. Für eine Einzelperson sieht es mager aus. Wenn wir in "meiner" Stadt bleiben, dann bekommt eine Einzelperson 399 Euro monatlich, das ist überall gleich. Das Problem fängt aber bei der Miete an. Da gibt es für eine Person bei uns 257,85 plus Heizkosten von maximal 45 Euro monatlich.

Und da ist der Haken. Hier sind die Mieten zwar extrem niedrig, aber eine Wohnung mit 45 qm zu diesem Preis ist kaum zu bekommen. Das heißt, in eine Gegend zu ziehen, wo niemand hin möchte und wo die Adresse auch eher ein Makel ist. Ein absolut hellhöriger, vernachlässigter Bau aus den 60-er Jahren mit Nachtspeicherheizung ist üblich. Um 100 Euro aufstocken ist nun auch nicht so dolle.

Sind es zwei Personen, dann wird es etwas besser. Für zwei Personen gibt es zwar eine etwas geringere Regelleistung, es sind 759 Euro, aber die Wohnsituation wird etwas besser. Denn 60 qm für maximal 343,80 plus Heizkosten finden sich leichter, in besserer Lage und moderner. Jetzt können Außerdem 2 Personen um je 100 Euro aufstocken, das sieht dann noch besser aus.

Wer Kinder hat und nur einen Verdiener, der steht sich niedrigem Lohn mit Hartz IV tatsächlich besser. Aber das ist eben der Preis der über lange Jahre politisch gewollten niedrigen Löhne und dem Willen, dass es Doppelverdiener geben soll, die jetzt beide weniger verdienen als früher einer.

Bei den Renten ist es ähnlich. Dass die Renten sinken, das war klar. Aber wovon ein Mensch mit geringen Verdienst etwas ansparen soll, das haben die Politiker leider nicht erklärt. Außerdem stellt sich die Frage, warum ein Geringverdiener vorsorgen soll. Er bekommt mit der Grundsicherung genauso viel oder wenig wie jemand, der nicht vorgesorgt hat. Denn die Zusatzrente wird komplett angerechnet.

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Arbeiten in Deutschland lohnt sich immer noch, denn sonst würde es mit Sicherheit noch mehr Erwerbslose geben. Man sollte auch nun genau die konkreten Hartz 4 Leistungen schon kennen wenn man mitreden will. Man bekommt die angemessene Miete plus 399,- Euro als Einzelperson gezahlt

Wenn ich nun beispielsweise meine gesamte Miete plus 500,- Euro noch dazu verdiene in meinen Job, habe ich auf jeden Fall mehr als nur die Hartz 4 Leistung. Gerade wer als Arbeitnehmer unter die Aufstocker fällt hat natürlich Pech, denn er bekommt ja in Wirklichkeit rein rechnerisch nur Hartz 4 gezahlt.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Das stimmt nicht. Ein Aufstocker darf die ersten 100 Euro, die er verdient, komplett behalten. Danach von jedem Betrag bis 1.000 Euro 20 Prozent. Von einem eigenen Verdienst zwischen 1.001 und 1.200 Euro 10 Prozent. Verständlicher wird das mit einem Beispiel.

Nehmen wir ein Paar. Es erhält 759 Euro als Regelleistung, dazu 450 Euro für die Miete inklusive Heizkosten. Das macht 1.209 Euro monatlich. Die Frau arbeitet und verdient 800 Euro. Davon sind 100 Euro anrechnungsfrei, von den verbleibenden 700 Euro darf sie 20 Prozent behalten, das sind 140 Euro. Damit hat das Paar 240 Euro pro Monat mehr als ohne Arbeit.

Der Mann trägt in meinem Beispiel Zeitungen aus. Er erhält 110 Euro dafür. 100 Euro darf er behalten, von den 10 Euro gibt es 2 für ihn. Zusammen hat das Paar 342 Euro mehr als ohne Arbeit. Da soll noch einmal jemand sagen, Arbeit lohnt sich für Empfänger von ALG 2 nicht.

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Ich war nach meinem Studium mal einige Monate Nichtleistungsempfänger, denn eine befristete Stelle war vorbei, ich hatte nicht gleich etwas Neues und da musste ich mich beim Arbeitsamt melden. Und obwohl ich von denen gar nichts bekommen hatte - ich hatte keinen Anspruch auf ALG I, weil ich kein ganzes Jahr gearbeitet hatte und keinen Anspruch auf ALG II weil ich zu viel Kapital hatte - sind die mir andauernd auf die Nerven gegangen. Ich musste mehrfach da antanzen, musste nachweisen, wo ich mich beworben hatte, und wenn die mir Stellenvorschläge zugeschickt haben, musste ich immer eine Rückmeldung geben, ob ich mich da auch brav beworben hab.

Das muss man sich mal überlegen - ich habe damals nichts bekommen. Ok, ich habe 5 EUR pro Bewerbung als Materialentschädigung erhalten, aber das ist ja nun nicht die Welt. Normales Arbeitslosengeld oder ALG II habe ich aber nicht bekommen und sogar keine Krankenversicherung musste ich selbst bezahlen und dennoch sind die mir so auf den Keks gegangen.

Wie viel schlimmer muss es da Leute treffen, die doch Geld vom Amt erhalten, die dann vermutlich noch viel häufiger dorthin bestellt werden und sich alle möglichen Eingriffe in ihr Leben gefallen lassen müssen. Man hört ja viel - von Hausbesichtigungen, man muss seine ganzen Wertsachen angeben, man darf nicht heiraten oder Kinder kriegen, weil man dann gleich als Bedarfsgemeiscnahft zählt und wenn da einer doch arbeitet bekommt der andere nichts mehr usw. Das ist doch furchtbar. Und das in unserer Welt, da werden die Leute wie Aussätzige behandelt.

Schon alleine aus dem Grund ist es wohl besser zu arbeiten, anstatt solche Leistungen in Anspruch nehmen zu müssen. Da hat man vielleicht weniger Geld, aber man ist ein freier Mensch und muss sich von niemandem schikanieren lassen.

Ich weiß nun nicht, was ein ALG II Empfänger wirklich bekommt. Ich dachte immer, es sind 360 EUR, aber ihr schreibt hier von 399 EUR? Und dazu käme ja noch die Miete und dann gibt es meines Wissens nach noch Zuschüsse für Alleinerziehende oder allgemein für vorhandene Kinder wird auch noch was gezahlt. Und ich denke, wenn man das alles zusammenrechnet,kommt vielleicht bei manchen schon 800 oder 900 oder mehr heraus.

Wer beispielsweise nur den Mindestlohn von 8,50 EUR bekommt und 30 Stunden in der Woche arbeitet, der hat dann auch nur knapp über 1000 EUR brutto und vermutlich um die 850 EUR netto raus. Für den lohnt es sich tatsächlich nicht, denn der muss ja für das arbeiten, was andere einfach so bekommen. Das man dann fragt, warum man überhaupt arbeiten geht, kann ich verstehen, da hätte ich auch ein Motivationsproblem.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Zitronengras, du musst immer gucken, um wie viele Personen es geht. Nehmen wir meine Stadt. 399 Euro bekommt eine Einzelperson überall, aber die Grenzen für die Miete schwanken je nach Gemeinde. Bei uns ist für eine Person bei knapp 300 Euro für 45 qm Ende.

Also bekommt man alleine höchstens knapp 700 Euro. Arbeiten zum Mindestlohn bringt da mehr. Bei mehreren Personen werden Teile des Lohns bei angenommenem Mindestlohn nicht angerechnet. Also hat man auch dann mehr, es geht immerhin um etwa 250 Euro.

Warum soll übrigens der Staat, also auch du, einen Menschen finanzieren, der einen Partner hat, dessen Einkommen für beide reicht? ALG 2 ist eine Sozialleistung, die dann greift, wenn niemand anderes zuständig ist. Aber ein Partner ist garantiert zuständig, wer sonst wenn nicht der?

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



es geht immerhin um etwa 250 Euro.

Na ja, aber so viel ist das auch nicht. Wenn ich die Wahl hätte, daheim zu bleiben oder für 250 EUR mehr zu arbeiten, dann würde ich echt in Versuchung kommen. 250 sind zwar nicht Nichts, aber es ist auch keine wahnsinnig große Summe.

Warum soll übrigens der Staat, also auch du, einen Menschen finanzieren, der einen Partner hat, dessen Einkommen für beide reicht? ALG 2 ist eine Sozialleistung, die dann greift, wenn niemand anderes zuständig ist. Aber ein Partner ist garantiert zuständig, wer sonst wenn nicht der?

Ach weißt du, das Geld was ich in die Arbeitslosenversicherung und als Steuern zahle ist doch ohnehin weg. Das ist pfutsch, das bekomme ich ohnehin nie wieder. Da ist es mir dann auch egal, was damit gemacht wird, denn es bringt mir ja nichts mehr. Und ich glaube nicht daran, dass man weniger bezahlen muss wenn es weniger Arbeitslose gibt, da nimmt der Staat dann eher das Geld für etwas anderes.

Von mir aus kann jemand, der nicht arbeiten will und ohnehin nur blöde Jobs bekomme, daheim bleiben. Ich habe damit kein Problem. Es hat halt nicht jeder das Glück viel zu verdienen und dass Wenigverdiener keinen Sinn in ihrer Arbeit sehen kann ich nachvollziehen.

Ich sehe eine Partnerschaft anders als du auch nicht als Versorgungsgemeinschaft. Für heißt Beziehung dass man etwas zusammen unternimmt, kuschelt, sich mag usw., aber mit Finanzen hat das nichts zu tun, die sollte meiner Ansicht nach jeder für sich alleine verwalten. Ich hätte auch keine Lust, jemanden finanziell durchzuschleppen, warum sollte ich dann erwarten dass das andere machen?

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Das Geld, dass du in die Arbeitslosenversicherung einzahlst, das ist für das Arbeitslosengeld 1. Hartz IV wird allein aus Steuermitteln getragen. Das heißt, für die Empfänger für Arbeitslosengeld 2 zahlst du extra. :P

Und wo du so sehr für Romantik in einer Beziehung bist: Findest du es ansatzweise romantisch, wenn der Partner meint, dass man zusehen soll, wie man zurecht kommt? Da kann auch einfach Freunde haben und einfach mal unverbindlichen Sex, wenn einem danach ist. Wobei sich normalerweise selbst Freunde mehr unterstützen.

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Das Geld, dass du in die Arbeitslosenversicherung einzahlst, das ist für das Arbeitslosengeld 1. Hartz IV wird allein aus Steuermitteln getragen. Das heißt, für die Empfänger für Arbeitslosengeld 2 zahlst du extra.

Ja, aber die sind genauso weg. Auch die Steuern, die ich zahlen muss, sehe ich nie wieder. Ob die nun für irgendeine Schule ausgegeben werden, von der ich nichts habe, oder für ALG II macht für mich keinen Unterschied. Meine gezahlten Steuern bekomme ich ohnehin nicht wieder. Ich habe also keinen Vorteil davon, wenn es weniger ALG II Bezieher gäbe, dann würde ich nicht plötzlich weniger Steuern zahlen müssen.

Und wo du so sehr für Romantik in einer Beziehung bist: Findest du es ansatzweise romantisch, wenn der Partner meint, dass man zusehen soll, wie man zurecht kommt? Da kann auch einfach Freunde haben und einfach mal unverbindlichen Sex, wenn einem danach ist. Wobei sich normalerweise selbst Freunde mehr unterstützen.

Ja, ich finde, dass jeder für sein eigenes Leben verantwortlich ist - generell. Bei Familien und Verheirateten mag das was andere sein, weil ja die Steuergesetzgebung etwa beim Ehegattensplitting davon ausgeht, dass das Ehepaar gemeinsam wirtschaftet, aber man sollte sich auch bewusst dagegen entscheiden dürfen und sich in der Partnerschaft so organisieren dürfen, dass jeder für sich alleine zusehen soll und das macht man ja eigentlich wenn man nicht heiratet.

Warum soll man einem anderen Menschen etwas vom eigenen Einkommen abgeben, was man mühevoll erarbeitet hat und wo man gar nicht weiß, ob die Beziehung in einigen Jahren noch bestehen wird, ob es sich also als sinnvolle Investition erweist? Ich finde, es ist jeder für sich selbst verantwortlich und es ist ja auch nicht so, dass dann jemand verhungern müsste - dafür gibt es ja ALG II.

Ich denke, dass man sich doch nur streitet und zankt, wenn der eine den anderen durchfüttern müsste und das würde meiner Vorstellung von Romantik sehr entgegenstehen. Finanzen haben in einer Partnerschaft nichts zu suchen und wer ein gemeinsames Einstehen möchte, der kann ja heiraten, aber von allen anderen sollte nicht erwartet werden, dass sie den anderen mit finanzieren. Ich würde auch nicht wollen, dass mich jemand finanziell durchschleift.

Und eine Gesetzgebung, die aber genau das von Arbeitslosen verlangt oder die dann den arbeitenden Partner heranzieht, damit der den nicht arbeitenden Partner bezahlt, greift meiner Ansicht nach ganz dramatisch in interne Angelegenheiten des Paares ein. Das finde ich nicht in Ordnung.

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