Löblich den ersten Partner zu heiraten?
Eine meiner Omas hat Probleme dem Gedächtnis. Es ist wohl kein Alzheimer sagen die Ärzte, es kommt aber sehr oft vor, dass sie viele Dinge vergisst und sich auch an Personen gar nicht mehr erinnern kann. Die Familie belastet sie daher auch nicht mit zu vielen Informationen. Vor kurzem war es dann aber so, dass meine Eltern ihr von meiner Verlobung erzählt haben und meine Oma meinte dann daraufhin, dass es sehr löblich von mir wäre, meinen ersten Freund zu heiraten.
Tatsächlich aber hatte ich vorher schon einen anderen Freund über drei Jahre hinweg und dies war mein eigentlicher erster Freund. Meine Oma hat diesen auch kennengelernt, erinnert sich jedoch nicht an ihn. Sie sieht meinen jetzigen Freund als meinen ersten Freund und freut sich über unsere Verlobung. Sie meinte, dass sie es löblich findet und es von bestimmten Qualitäten zeugt. Man könnte an einer Beziehung arbeiten und hätte ein gutes Gespür für Menschen.
Ich selbst sehe das eigentlich nicht so. Den ersten Freund zu heiraten kann sehr oft schief gehen. Oft sind Erfahrungen sehr von Vorteil. Man kann dann möglicherweise nicht unterscheiden wie es sich anfühlt nur verknallt oder verliebt zu sein und man hat auch zu wenig Erfahrung um sagen zu können, dass die Kompromisse die man in einer Beziehung eingehen muss wirklich nötig und machbar sind. Daher finde ich es eigentlich schon gut, wenn man vorher etwas Erfahrung hat und nicht direkt den ''erstbesten'' heiratet.
Findet ihr, dass es etwas löbliches und eine besondere Leistung ist, wenn seinen ersten Partner heiratet? Von welchen Qualitäten zeugt dies für euch? Würdet ihr euch sowas wünschen? Ich selbst sehe darin ehrlich gesagt keinen Vorteil und würde jemandem davon wahrscheinlich eher abraten.
Ich finde alle Aussagen merkwürdig, auch deine, obwohl die ja das Gegenteil aussagen. Ich sehe eine Ehe zunächst einmal nicht als Vertrag auf Lebenszeit, aber wenn man jemandem davon abrät den ersten Partner zu heiraten sagt man damit ja indirekt "schau dich doch erst mal auf dem Markt um, bevor du dich festlegst. Aber man muss sich ja nicht mehr festlegen. Man muss nicht bei den Partner bleiben, wenn man merkt, dass es nicht klappt und man muss sogar gar nicht mehr heiraten wenn man nicht möchte.
Ich habe vor länger Zeit mal eine Statistik aus den USA gesehen, die besagt, dass die Ehen mit dem ersten Partner nicht so lange halten, aber dafür muss man wahrscheinlich die ganzen sozialen Umstände sehen. Wer heiratet denn tatsächlich schon den ersten Partner? Oft sind das doch die Leute, die von der Religion ihrer Eltern, in die sie indoktriniert wurden, auf diese "Löblichkeit" eingeschworen wurden. Dazu gehört dann auch, dass man keinen Sex haben darf vor der Ehe und eine Schwangerschaft ohne Ehemann natürlich gar nicht geht.
Die Folge ist also, dass diese Leute sehr jung und sehr früh in ihrer Beziehung heiraten, vielleicht nicht mal die Ausbildung abgeschlossen haben und als zusätzliche Komplikation noch Kinder dazu kommen. Das alles ist für die Beziehung sicher nicht leicht und trägt sicher viel zum Scheitern bei.
Ich denke aber nicht, dass man das unbedingt auf unsere Gesellschaft übertragen kann, weil die Zahl der religiösen Fanatiker doch wesentlich geringer ist als in den USA. Wenn hier jemand seinen ersten Partner heiratet kann es sein, dass die schon fünf Jahre zusammen sind, ein Kind und ein Haus haben. Und die Ehe hat wahrscheinlich genauso gute Erfolgschancen wie jede andere auch.
Bei derlei Aussagen spielen nur zu oft mehr oder weniger überholte oder indoktrinierte religiöse Vorschriften und eine mehr oder weniger aktuelle Sexualmoral eine Rolle, ebenso wie natürlich das Alter und die Lebenserfahrung der Leute.
Wer heute, sagen wir, 80 ist, hatte seine hormonell interessantesten Zeiten in den 1950er Jahren, als die gesellschaftlichen Regeln zum Thema Sex, Ehe und Partnerschaft erst sehr zögerlich begonnen haben, sich weiter zu entwickeln. Zudem können sich ältere Leute auch bei Gedächtnisproblemen oft noch sehr gut an ihre Jugend erinnern und "leben" zum Teil quasi eher in der Zeit, als sie noch jung und fit waren und weniger in der verwirrenden Gegenwart. Deswegen würde ich mir von meiner Oma auch keine Beziehungstipps geben lassen und ihre Aussagen zum Thema Ehe und Jungfräulichkeit keine Sekunde ernst nehmen.
Vor- oder außereheliche sexuelle Erfahrungen waren eben lange Jahre verpönt und sind es in manchen Gesellschafts-Schichten und Kulturen bis heute. Zumindest, was Frauen angeht, Männer durften sich schon immer, zumindest inoffiziell, die Hörner abstoßen. Wenn man also noch daran glaubt, dass es beispielsweise den Wert einer Frau auf dem Heiratsmarkt mindert, wenn sie keine Jungfrau mehr ist, dass unverheiratete Frauen weniger wert sind als Ehefrauen oder dass es moralisch verwerflich ist, überhaupt Spaß an Sex in jungen Jahren zu haben, wenn noch alle Teile funktionieren, dann ist es nur logisch, dass frau den ersten Partner heiraten sollte, ohne ihn vorher auf sexuelle Kompatibilität zu testen.
Andererseits gibt es ja auch Fälle, in denen der erste Partner sich wirklich als der Richtige herausstellt. Manche Leute heiraten nach sechs Wochen Bekanntschaft, machen sich sofort an die Gründung einer Familie und keiner der Beteiligten bedauert auch nur einen Tag seines Lebens, keine breit gestreuten Beziehungserfahrungen gesammelt zu haben. Ich finde, dass wir heute froh sein können, dass uns so viele unterschiedliche Beziehungsmuster zur Verfügung stehen und wir weder gezwungen sind, den Mann zu heiraten, den unsere Eltern auswählen noch um der gesellschaftlichen Anerkennung willen erst mal mehrere Partner durchprobieren müssen.
Ich finde es vollkommen in Ordnung, wenn jemand seinen ersten Partner heiratet. Wenn das wirklich deshalb passiert, weil das der Mensch für das Leben ist, dann ist doch das Ziel erreicht. Besser, als verschiedene Partner gehabt zu haben, ist es nicht. Es ist eben der Weg für eine bestimmte Person, beziehungsweise für genau dieses Paar.
Als man noch nicht sicher verhüten konnte, sah das anders aus. Da war eine Jungfrau, die in die Ehe geht, die größtmögliche Garantie, dass zumindest das erste Kind vom Ehemann stammt. Um das sicherzustellen, waren schließlich auch die Strafen für Ehebruch, zumindest für Frauen, immer äußerst drastisch. Das war zwar alles nicht fair, aber man kann die Denkweise zumindest nachvollziehen. Zumal eine Ehe lange Zeit eher eine geschäftliche Angelegenheit war. Nach Liebe oder wenigstens Sympathie wurde da ja weniger gefragt.
Da aber genau diese Erwägungen heute nur noch eine sehr untergeordnete Rolle spielen, sollte es vollkommen egal sein, der wie vielte Partner der passende ist. Hauptsache man findet irgendwann überhaupt einen Menschen, mit dem man seine Zeit dauerhaft verbringen möchte. Ob man den dann heiratet, das ist noch eine ganz andere Frage.
Auch religiöse Erwägungen spielen heute nur eine untergeordnete Rolle oder sie sollten es zumindest tun. Ich als nicht gläubiger Mensch sehe die verschiedenen Religionen im Prinzip als Vorläufer unserer heutigen Gesetzgebung und als Leitfaden für ein gesundes Leben. Dass beispielsweise Muslime kein Schwein essen oder sich nur unter fließendem Wasser waschen, das war mal überlebenswichtig. Schweinehaltung in trockenen Gebieten ohne Kanalisation und Kläranlage und abgestandenes Brackwasser als Waschwasser sind wenig sinnvoll. Die Regeln der christlichen Kirchen sind ursprünglich ja auch eher praktischer Natur. Die Fastenzeit liegt schließlich genau in der Zeit, in denen die Vorräte zur Neige gehen, wenn man moderne Konservierung und den Handel außer Acht lässt. Daher sollte man solche Regeln eben auch eher hinterfragen und nicht stur an ihnen festhalten.
Das gilt eben auch für die Stellung der Frau. Dass es früher günstiger war, eine Frau als Jungfrau leben zu lassen und ihr keine hohem Ämter und Positionen zukommen zu lassen, das liegt in der Natur der Sache. So war nicht nur geklärt, woher ein Kind stammt. Es wäre auch wirklich ungünstig gewesen, wenn Herrscherhäuser und Handelsfamilien ständig um das Leben der Führungsperson bangen, weil Geburten so gefährlich sind. Das ist heute alles anders, also sind diese Regeln einfach überholt.
Ich finde diese Aussage deiner Oma alles andere als nett. Aber es ist eben eine andere Generation, die andere Wertvorstellungen hat. Ich bin mir nur allzu sicher, dass meine Eltern es auch als sehr löblich empfunden hätten, wenn ich meinen ersten Partner geheiratet hätte. Und das nicht, weil sie den Kerl besonders toll und sympathisch fanden und der Auffassung waren, wir würden besonders gut zusammenpassen, sondern einfach weil sie es gut finden, wenn man als Frau nicht mehrere Partner im Leben hat.
Das gehört sich ihrer Meinung nach nicht und eine Frau ist direkt eine Schlampe, wenn sie mehrere Partner im Leben hat. Solche Vorwürfe hatte ich mir selbst zu oft anhören müssen. Dabei haben meine Eltern jeweils ihren ersten Partner geheiratet, also sich. Sie selbst sind nie glücklich in der Beziehung geworden und meine Mutter hat nur zu oft von einer Scheidung gesprochen. Im Endeffekt kam das für sie aber natürlich nicht in Frage, weil sich das eben nicht so gehört.
Was soll denn daran löblich sein, den ersten Partner zu heiraten? Natürlich kann und sollte man den ersten Partner heiraten, wenn man glücklich miteinander ist und sich vorstellen kann und will, sein Leben miteinander zu verbringen und wenn man sich eben auch keinen besseren Partner vorstellen kann. Den ersten Partner aber nur deshalb zu heiraten, um einfach sicher jemanden an seiner Seite zu haben oder um nicht als Schlampe zu gelten, halte ich absolut für falsch.
Genauso bin ich aber der Auffassung, dass es nicht notwendig ist, mehrere Partner zu haben, wenn man mit dem einen Partner glücklich ist. Man kann auch mit dem ersten Partner seine Erfahrungen sammeln und vieles dazu lernen. Aber wenn es nicht passt, sollte man sich das eingestehen dürfen und sich eben nach einem anderen Partner umschauen.
Es ist weder löblich noch unlöblich den ersten Partner zu heiraten. Es kann ja sein, dass der erste Mann zufällig der passende ist. Warum sollte man dann noch andere Leute kennenlernen wollen, die man nicht liebt, sondern die nur dazu dienen, "Erfahrungen zu sammeln". Es ist auch nichts dagegen einzuwenden, viele Partner auszuprobieren, wenn man den Traummann noch nicht gefunden hat. Jeder soll das so machen, wie er es für richtig hält.
Ich kenne ein Paar, das sich schon in der Schulzeit kennengelernt hat und angeblich nie jemand anderen hatten. Die Beiden sind schon zwanzig Jahre verheiratet und für mich sieht es nach einer beneidenswert glücklichen Ehe aus. Ich kenne allerdings auch ein Paar, wo der Mann meint, dass er nun Erfahrungen nachholen müsse, die er nicht hatte. Die Beiden stehen jetzt leider kurz vor der Scheidung. Für Außenstehende kam das wie aus heiterem Himmel. Das Paar kannte sich auch schon ewig und sie hatten wahrscheinlich vorher eher wenige andere Beziehungen, wenn überhaupt. Es ist also alles möglich.
Ich finde es nicht besonders löblich. Als junge Erwachsene habe ich das auch eher erstrebenswert gefunden nicht so viele Partner im Leben zu haben und möglichst mit dem Ersten glücklich zu werden. Das ist so ein Bild, was ich von meiner Ur Oma in den Kopf gepflanzt bekommen habe, die mit ihrem Mann ihr ganzes Leben verbracht hat. Das hat mich dann dazu gebracht an meiner ersten Beziehung länger als es nötig war festzuhalten. Man muss also den ersten Partner im Leben nicht heiraten.
Ich habe meinen zweiten Partner im Leben geheiratet. Da weiß man dann auch was einem wichtig ist, was man will und was nicht und dennoch gibt es auch nie eine Garantie, dass das dann etwas wird. Es ist also wichtig, dass man die Person heiratet, bei der es sich richtig anfühlt.
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