Lieber Schulden machen als Hartz4 beantragen?

vom 22.07.2015, 06:18 Uhr

Ich sah gestern zufällig einen Bericht über eine Frau, die selbst schon mehr als ein Jahr arbeitslos war und eigentlich deswegen Hartz4 deswegen beantragen müsste. Sie weigerte sich jedoch strikt dagegen und hat dann selbst gesagt, dass sie viel lieber Schulden machen würde als die Stütze vom deutschen Staat zu beantragen. Ihrer Meinung nach würde man durch Hartz4 stigmatisiert werden, nicht nur von Freunden, den Nachbarn, sondern auch vor Arbeitgebern und käme dann aus der Falle nicht wieder heraus. So nach dem Motto: Einmal drin, immer drin.

Ich weiß nicht, ich denke vielleicht zu blauäugig in diesem Punkt, was auch daran liegen könnte, dass ich noch im Studium stecke und nie Hartz4 beantragen musste. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass man wegen Arbeitslosigkeit automatisch viele Freunde verliert. Wenn man Hartz4 bekommt, hat man ja automatisch ein knappes Budget, was man einhalten muss. So eine Situation kenne ich aus meinem Freundeskreis auch. Dort studiert knapp über die Hälfte und die anderen haben nach der Ausbildung Festverträge bekommen. Da ist die Einkommensdifferenz natürlich sehr groß, aber das hat uns nie daran gehindert, uns finanziell anzupassen, dass sich niemand deswegen benachteiligt fühlt. Warum sollte das bei Hartz4 nicht auch gehen?

Könnt ihr es verstehen, dass manche Menschen viel lieber Schulden machen als die Stütze zu beantragen? Würdet ihr selbst es genauso machen?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich finde schon, dass es eine ganze Menge Gründe gibt, keinen Antrag auf Hartz IV zu stellen. Ich musste zwischen meinem Studium und dem Referendariat für 2 Monate Hartz IV beantragen und habe nicht vor, mir dieses Theater jemals wieder anzutun.

Natürlich gibt es eine Stigmatisierung vom Umfeld, wenngleich das natürlich keine richtigen Freundschaften zerstört. Es gibt aber durchaus Reaktionen wie blöde Sprüche oder auch so etwas wie Mitleid, womit nicht jeder zurecht kommen dürfte. Und selbst wenn das Umfeld keine besonderen Reaktionen zeigt, fühlt sich ein stolzer Mensch schnell dennoch stigmatisiert und neigt dazu, in irgendwelche Bemerkungen oder Verhaltensweisen etwas rein zu interpretieren.

Ein anderer Punkt ist, dass man mit Hartz IV komplett bevormundet und unter Zwang gestellt wird. Zum Antrag muss man schon komplett die Hosen runterlassen, wenn die bewohnte Wohnung zu groß ist, gibt es Stress und dann wird man ständig mit irgendwelchen überflüssigen Zwangsmaßnahmen behelligt, hat keinen Berufsschutz und kommt sich auf Grund dieser ganzen Vorschriften und Einschränkungen schnell vor wie ein Bittsteller.

Ich kann insofern absolut nachvollziehen, wenn man sich weigert, einen Antrag auf Hartz IV zu stellen. Schwierig wird es aber, wenn man dadurch auch andere schädigt, indem man Schulden anhäuft. Diese Dritten haben ja auch ein Recht auf ihr Geld. Um das in Kauf zu nehmen, wäre meine Voraussetzung, dass die Arbeitslosigkeit begrenzt ist und ich die Schulden dann tatsächlich in absehbarer Zeit begleichen könnte.

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» CCB86 » Beiträge: 2025 » Talkpoints: 2,88 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Richtigen Freunden ist es doch egal, was man macht. Die stehen in solchen Situationen auch hinter einem und helfen einen. Ich denke aber schon, dass es durchaus schlimm ist Hartz4 zu beantragen. Immerhin muss man wirklich alles offenlegen und dann sicherlich auch das Einkommen und so weiter der Eltern angeben muss.

Ich denke, dass das sehr belastend sein kann und man dann auch einige Auflagen bekommt, die im ersten Moment sicherlich auch nicht angenehm sind, aber das sollte ja auch kein Dauerzustand werden, sondern nur ein Übergang bis man wieder arbeitet. Hätte ich vorhandenes Kapital würde ich aber immer bevorzugen dieses aufzubrauchen und nicht Hartz 4 zu beantragen. Jedoch würde ich keine Schulden aufnehmen, nur weil ich da nicht hinein rutschen will.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Der Beitrag klingt schon reichlich unglaubwürdig. Denn die Fragestellung ist ja schon so, dass die eine Lösung auf Grund der Alternative nicht gehen kann. Wenn jemand schon einen Anspruch auf Hartz IV hat, dann sind die regelmäßigen Einnahmen schon recht gering, wer sollte da dann auch noch ein Darlehen (zur Deckung der Lebenshaltungskosten) geben und auf welche Annahme besteht dann die Hoffnung, dass da noch Geld bleibt, um die Schulden zu begleichen? Das kann eigentlich nicht gehen und nur Menschen, die nicht mit einer Rückzahlung rechnen, dürften hier Geld auslegen.

Außerdem weiß ich nicht, was hier "stigmatisiert" bedeuten kann. Wer kein Geld hat, ist doch gesellschaftlich automatisch da, wo auch Hartz IV Empfänger sind. Mehr kann hier nicht passieren. Und ein potentieller Arbeitgeber wird sich auch nur dafür interessieren, wo sie vorher gearbeitet hat. Dass sie nicht arbeitet, ist dann schon "Stigma" genug. Wie sie sich dazwischen finanziert hat, erfährt er nicht. Und niemand wird den Hut ziehen, wenn es heißt, dass sie verschuldet ist aber kein Hartz IV "kassiert" hat. Eigentlich ist es sogar riskanter, eine hoch verschuldete Person einzustellen. Aber das nur am Rande.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich frage mich bei einer solchen Geschichte immer, wer der Person noch Geld gibt. Denn jemand der Arbeitslosengeld II bekommt und sich wenig leisten kann, ist mir wesentlich lieber, als ein Mensch der sich ständig nur auf Pump lebt. Wenn ich da entscheiden müsste mit wem ich eine Freundschaft führen mag, dann wird das sicherlich die Person sein, die Leistungen vom Staat bekommt.

Sicherlich kann es da auch mal dazu kommen, dass jemand Schulden macht. Da sind oftmals die Menschen nicht mal selbst schuld, wenn ich das vergangene Schuljahr denke. Da habe ich der Klassenlehrerin einer Tochter auch frühzeitig gesagt, dass wir einen Betrag brauchen, was der Ausflug kosten soll. Weil eben einige Familien auch beim Amt den entsprechenden Antrag stellen müssen. Die Summe wurde dann so spät bekannt gegeben, dass ich zumindest bei einer Mutter weiß, dass sie sich das Geld erst mal geliehen hat. Das sehe ich aber als Ausnahme an.

Und dann muss man die Geschichte auch weiter betrachten. Wo wohnt denn diese Frau? Denn Miete wird sie auch zahlen müssen und einen Bankkredit wird sie kaum bekommen. Also kann doch nur das soziale Umfeld für sie finanziell in die Bresche springen, damit sie irgendwie über die Runden kommt.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


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