Leute, die das Wort "immer" benutzen, aber eher nicht meinen

vom 03.06.2015, 18:14 Uhr

Ich möchte mal wissen, ob noch andere solch ein Phänomen kennen: meine Arbeitskollegin scheint ein sehr erzähl-freudiges Wesen zu haben, wobei ich gestehen muss, dass ich mich auch gerne mitteile, allerdings eher, nach einer gewissen Auftau-Phase und wenn ich mich mit den Leuten aus meiner Umgebung bereits gewisser Weise angefreundet bzw.Vertrauen aufgebaut und nicht zuletzt ein Gespür dafür entwickelt habe, was angebracht und was weniger angebracht und wem gegenüber zu erzählen wäre.

Dass meine Kollegin seit der ersten Sekunde, seit ich in dieser Abteilung gelandet bin, meine Herangehensweise scheinbar nicht anwendet, sondern ihren Einstieg mit einem Sprung ins kalte Wasser wagt und davon ausgeht, dass es so hingenommen werden muss, ist ja noch das kleinste aller Übel. Obwohl ich es schon recht krass finde, dass ich innerhalb der ersten zwei oder lass es drei Wochen gewesen sein, bereits sämtliche Details ihres bisherigen und aktuellen Beziehungslebens, privater Umstände, als auch Gerüchtetratsch über fast jeden Mitarbeiter erfahren habe. Jedoch nervt es mich auf Dauer, dass sie sich stets in Widersprüchen verstrickt - egal worum es geht.

Am schlimmsten finde ich, dass sie häufig das Wort "immer" verwendet, wenn tatsächlich "sehr selten" eher zutreffen würde. Zum Beispiel meint sie, dass sie etwas immer mögen würde und setzt zunächst einen Punkt. Nach einer kurzen Verschnaufpause wirft sie eine Ausnahme ein - dies sei noch so gebilligt, immerhin bestätigen Ausnahmen die Regel und es kann immer wieder mal die ein oder andere geben. Jedoch kommen dann anschließend noch fünf, sechs weiterer Argumente, die die Ursprungsaussage ausschließen und am Ende stelle ich als Zuhörer fest, dass ihre ursprüngliche Feststellung eher eine Ausnahme darstellt und der Rest eher die Regel ist.

Ebenso beläuft es sich bei ihr, wenn sie die Aussage trifft, dass etwas "nie" zutreffen würde. Anschließend erfährt man nach und nach mehrere "Ausnahmen", sodass das Wort "nie" in diesem Zusammenhang schon wieder fehl gewählt ist. Sie hatte mir neulich beispielsweise erklären wollen, dass eine erblich mögliche Eigenschaft bei ihr wahrscheinlich nicht eintreffen würde, da "niemand" ihrer Familie diese gehabt hätte. Außer ihrer Oma. Und ihres Onkels. Und ihres Opas. Ach ja, und die Tante hatte sie noch nicht erwähnt. Und die andere Tante. Und die Uroma. - Das sind also schon mal sechs Personen aus ihrem näherem Umfeld von sagen wir mal zehn bis fünfzehn.

So in etwa läuft es tagein, tagaus. Auf Dauer kann man da schon wahnsinnig werden. Manchmal habe ich nur wegen ihr keine großartige Lust zur Arbeit zu erscheinen. Es strapaziert schon meine Nerven, dass ich mich mit solchen Lappalien herum schlagen muss. Wie ist es bei euch? Kennt ihr auch solche Menschen oder habe ich da einen "besonderen Fang" gemacht? Würde euch das stören oder wäre es euch egal?

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» LongHairGirl » Beiträge: 845 » Talkpoints: 47,97 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich musste bei deinem Beitrag gerade wirklich schmunzeln, denn das was du da beschreibst erinnert mich so unglaublich an die Mutter meines Partners. Sie redet und redet und redet, erzählt irgend etwas und fängt dann an Ausnahmen aufzuzählen.

Ich kenne einige Leute, die unglaublich viel reden und wenn ich ganz ehrlich bin, dann habe ich mittlerweile festgestellt, dass es den meisten ziemlich egal ist, ob man zuhört. Besonders meine Schwiegermutter erzählt auch immer und immer wieder die gleichen Sachen. Ich bin mittlerweile wirklich gut darin an den richtigen Stellen einfach nur noch "ja" oder "okay" oder "wie meinst du das genau?" zu sagen. Ich höre auch ehrlich gesagt nur mit einem Ohr hin oder auch manchmal gar nicht mehr.

Wenn ich deine Beschreibung lese, dann habe ich ehrlich gesagt das Gefühl, dass es ihr vermutlich auch mehr oder weniger egal ist, ob du ihr zuhörst und mit ihr kommunizierst oder nicht. Ich würde dir ja raten, schlage dich einfach nicht mehr mit den Lappalien herum, sondern lerne bewusst das auszublenden, was sie so erzählt. Wenn du weiterhin freundlich sein willst, dann gib einfach an den richtigen Stellen einen kurzen Kommentar ab. Die richtigen Stellen erkennt man schon nach kurzer Zeit, wenn man bewusst den Inhalt, über den der andere so redet, ausblendet.

Ich denke wirklich, sie hat einfach ein unglaublich großes Mitteilungsbedürfnis und hört sich selbst sehr gerne reden. Natürlich könntest du sie auch bitten, während der Arbeitszeit weniger zu reden, aber aus meiner Erfahrung weiß ich, dass es sehr schwer ist, solche Quasselstrippen dauerhaft zu stoppen. Die meisten merken einfach nicht, wie viel sie reden und wie oft und dass es die meisten Leute nicht interessiert, was sie so erzählen.

» danty » Beiträge: 540 » Talkpoints: 4,79 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich glaube, das Phänomen, Regel und Ausnahme durcheinander zu bringen, ist gerade bei den gesprächigeren Zeitgenossen gar nicht mal so selten. Da hilft wohl nur lächeln und nicken und sich das Augenrollen zu verkneifen. ;)

Eine Kollegin von mir neigt auch dazu, felsenfest zu behaupten, ein Arbeitsablauf oder ein Serviceangebot von uns sei "schon immer" so gewesen und es werde "ständig" danach gefragt, weswegen man möglichst alle Abläufe und Angebote bei uns im Büro genau so lassen sollte, wie sie sind.

In Wirklichkeit kann es schon mal sein, dass "schon immer" gleichbedeutend mit "die letzten drei Monate" verwendet wird. Und "ständig" bedeutet in der Regel, dass irgendwann innerhalb der letzten fünf bis zehn Jahre jemand beiläufig eine Frage zu dem Thema gestellt hat. Die Dame merkt sich eben nur die Ausnahmen und Abweichungen und zieht daraus die völlig falschen Schlussfolgerungen, was den Alltag angeht.

Vielleicht liegt es auch daran, dass sie schon länger im Geschäft ist als die Granitverkleidung der Fassade und nicht mehr wirklich differenziert, ob der Kunde im Jahr 1988 oder anno 2014 eine Dienstleistung reklamiert hat. Außerdem hat man so immer ein Argument gegen Veränderungen zur Hand. Glücklicherweise ist der Chef eher auf dem Laufenden, wie bei uns das Alltagsgeschäft gestaltet ist und lässt die gute Frau einfach reden.

» Gerbera » Beiträge: 11319 » Talkpoints: 49,61 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



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