Leiden die Deutschen an sprachlicher Unterwürfigkeit?

vom 01.11.2015, 02:23 Uhr

In der Londoner Times gab es vor kurzem einen Artikel über Pseudoanglizismen im Deutschen. Die Deutschen denken sich haufenweise Wörter aus, die aus dem Englischen kommen, dort aber eine komplett andere Bedeutung haben oder die es dort gar nicht gibt. Beispiele sind Smoking, Handy, Beamer, Oldtimer, Showmaster und viele mehr.

In dem Artikel stand auch, dass das von sprachlicher Unterwürfigkeit zeugt. Die Deutschen sind mit ihrer Sprache nicht zufrieden oder finden sie nicht modern genug und erfinden deswegen Begriffe aus dem Englischen.

Welche Gründe kann es dafür geben, dass in Deutschland viele englische Begriffe in einem falschen Kontext verwendet werden? Warum verwendet man nicht wenigstens richtige Anglizismen, die immerhin einen Sinn machen? Zeugt das tatsächlich von einer Unterwürfigkeit oder ist das eher eine mangelnde Bildung?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ein Beweis für mangelnde Bildung würde ich allein deshalb schon nicht sehen, weil die meisten dieser Begriffe doch von Firmen eingeführt wurden, oder?! Das würde ich jetzt beispielsweise bei "Beamer" vermuten. Wer sich das ausgedacht hat, war dann sicherlich nicht einfach "zu blöd", um nicht zu wissen, dass solche Geräte im englischsprachigen Raum anders heißen, sondern fand den Begriff für den Verkauf seines Produktes passender oder griffiger.

In anderen Fällen hat es sich aus mittlerweile nicht mehr ganz offensichtlichen Zusammenhängen ergeben. Beispielsweise beim Handy. Der Begriff wird auf ein militärisches Handfunkgerät zurückgeführt, dem Handie-Talkie, oder auf den Hand-Held-Transceiver von CB-Funkern. "Hand" bedeutet nun mal auch im englisch "hand". Es ist also nicht total abwegig, ein in der Hand zu haltendes Gerät mit eben solchen Bezeichnungen den abkürzenden Namen Handy zu geben.

Beim Smoking war es ähnlich. Es gibt ja im Englischen eine "smoking jacket". Der Begriff wurde im Deutschen dann halt auch für andere Jacken benutzt, im Englischen haben sie gesonderte Begriffe bekommen. Aber den Begriff hat sich kein Deutscher aus den Fingern gesogen.

Also dass die Deutschen Begriffe erfinden, sehe ich nicht so. Zumindest nicht haufenweise. Aber natürlich finden viele englische Begriffe, ob nun etwas verfälscht oder auch vollkommen korrekt übernommen, ihren Weg in die deutsche Sprache.

Von Unterwürfigkeit würde ich aber nicht reden. Englisch ist nun mal dominanter. Das ist historisch so bedingt und daran kann man nichts ändern. Ist es dann dumm, wenn man sich dem anpasst? Immerhin bringt es einen weiter, vor allem beruflich. Es wäre doch dumm, diese Chance aus falschem Stolz auszuschlagen. Und je mehr es beruflich genutzt wird, desto mehr wird eine Sprache natürlich auch im Alltag und auf der Straße benutzt.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Die Engländer haben nicht unbedingt Unrecht. Nach dem Krieg fing es ja damit an, dass die Deutschen sich sehr nach Amerika oder England ausrichteten. Wir übernahmen die Musik und die Filme aus Übersee. Deutsch war regelrecht verpönt.

Ich glaube es hat etwas damit zu tun, dass man in Deutschland enorme Angst hat, etwas in den Vordergrund zu stellen, was Deutsch ist. Man fürchtet so Begriffe wie „Deutschtum“ oder ähnliche Dinge. Die jüngeren Leute können es sich vielleicht gar nicht mehr vorstellen, wie sehr sich die Deutschen für das Dritte Reich schämten, für die Taten und für das Leid. Ich bin Jahrgang 1962 und weiß noch genau, wie sehr man gerade als Deutscher darauf bedacht war, eben nicht so Deutsch zu wirken.

So kam es auch, dass man hierzulande bereitwillig Ausdrücke aus anderen Ländern übernahm. Die Deutschen Begriffe wurden einfach nicht angenommen. Das war und ist bei mir nicht anders. Ich bin groß geworden in einer Zeit, in der man sich ständig dafür zu schämen hatte Deutsch zu sein. Außer unsere Eltern, die aus der Nazi-Zeit stammten, die sahen das anders. Wir aber, die jüngeren rebellierten geradezu damit, dass wir alles Deutsche ablehnten und wir waren es auch, die die Englischen Begriffe damals zuerst einführten.

» Freidenker28 » Beiträge: 749 » Talkpoints: 1,02 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich finde es schon ein wenig albern, dass man alle Begriffe aus anderen Sprachen dann versucht einzubürgern und hier dann auch durchzusetzen. Man nehme einfach einmal den Begriff Handy. Spricht man in England und den USA von einem Handy, dann wird man mit großen Augen angeschaut, denn dort heißt das Ding Mobile Phone und nicht Handy. Da haben manche sich schon dumm aus der Wäsche geschaut, wenn ein Engländer und ein Amerikaner nicht verstanden haben worum es ging.

Aber wie bei allem anderen auch, möchte man Hip und Trendy sein und kopiert deswegen die anderen mit ihren Dingen. Nicht nur von der Sprache her, sondern auch von den anderen Dingen wie Filmen, Architektur und anderen Dingen. Sieht man in vielen Bereichen und anstatt man sein eigenes Ding macht, wird fleißig kopiert. Im Prinzip sind die Deutschen wie die Chinesen, die auch alles kopieren und nachmachen und hinterher für ihr eigenes ausgeben. Nicht im materiellen Bereich, sondern hauptsächlich im sprachlichen. Albern ist es dennoch und ich schließe mich diesen Begriffen auch nicht an und verwende dazu alles. Ein Handy ist für mich nach wie vor ein Mobiltelefon in meinem sprachlichen Gebrauch.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



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