Lehrerinnen gegen Schnürschuhe?

vom 19.08.2015, 09:02 Uhr

Ich musste mich gestern sehr über die Aussage einer Lehrerin wundern. Dieselbe hat den Grundschulkindern der ersten Klasse erklärt, dass sie an Tagen, an denen sie Sport haben, keine Schnürschuhe anziehen sollen. Das begründete sie damit, dass das Umziehen dann zu lange dauert.

Eigentlich bin ich der Meinung, dass Kinder auch Schuhe binden lernen müssen, und finde diesen Vorstoß verwunderlich. Wie seht ihr das?

» tok_tumi » Beiträge: 837 » Talkpoints: 1,20 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich habe erst gedacht, dass Schnürschuhe deswegen nicht getragen werden sollen, damit die Kinder beim Sport nicht versehentlich drauf treten und hinfallen und sich somit verletzen. Nur die Schnelligkeit des An- und Ausziehens als Argument anzuführen finde ich persönlich mehr als dürftig. Schließlich wird man doch mit zunehmender Routine schneller.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Olly173 hat geschrieben:Nur die Schnelligkeit des An- und Ausziehens als Argument anzuführen finde ich persönlich mehr als dürftig. Schließlich wird man doch mit zunehmender Routine schneller.

Allen, die Kinder haben und das Argument auch dürftig finden kann ich nur eines ans Herz legen: Fragt mal, ob ihr mal bei einer Sportstunde in einer Grundschule hospitieren dürft. Ihr dürft einfach nicht von eurer Kindheit auf die Kinder von heute Rückschlüsse ziehen.

Eine Sportstunde in der Grundschule dauert in der Regel nur 45 Minuten. Denn allzu viel Sport ist absurderweise auch in der Grundschule in vielen Bundesländern nicht eingeplant. Obwohl jeder weiß, dass Kinder Bewegungsdrang haben und Bewegung notwendig ist um als Kind gesund zu bleiben. Wenn die Schüler Glück haben, hat die Schule eine eigene Turnhalle und die Schüler müssen "nur" über den Hof laufen. Bis alle ihre Sportbeutel genommen haben und an der Halle angekommen sind, sind locker fünf Minuten vorbei. Anziehen fällt vielen Grundschülern heute noch schwer. Kaum zu glauben, ist aber so. Leider. Und weil man sich dann so schön mit Mitschülern unterhalten kann und vielleicht noch aufs Klo muss, sind zehn Minuten zum Anziehen schnell vorbei.

Die eigentliche Sportstunde beginnt. Die Kinder sollen sich warmlaufen und dehnen. Zehn Minuten sind nicht viel dafür. Dann noch zehn Minuten für das eigentliche Spiel oder die eigentlichen Übungen und schon sind 35 Minuten vorbei. Wenn die Schüler nach dem Sport noch zur Kollegin in die nächste Stunde müssen, muss man jetzt nach zwanzig Minuten Sport die Geräte schon wieder aufräumen lassen und die Kinder schon wieder in die Kabinen schicken. Jetzt, wo sie gerade erst warm sind. Die Kinder, die nicht die Schuhe so schnell binden können, muss der Lehrer schnell schnell selbst versorgen. Sprich: Schuhbindeservice, wenn man nicht will, dass die lieben Kleinen unterwegs zum Schulhaus stolpern.

Ist das sinnvoll und im Interesse der Kinder? Wenn rund 25 von 45 Minuten für sonstiges drauf gehen und der eigentliche Sport zu kurz kommt? Ich denke schon. Wenn ihr glaubt, dass das hemmungslos übertrieben ist, fragt doch mal die Grundschullehrer. Klar schwanken die absoluten Zahlen je nach Alter und je nach Wohnregion. Kinder, die nicht so verwöhnt und gut gefördert sind, bekommen das auch deutlich schneller hin. Aber längst nicht jedes Kind ist eben gut auf die Schule vorbereitet.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Ich finde die Aussage der Lehrerin nun jetzt nicht verwunderlich. Ich finde diese Aussage sogar ziemlich logisch. Immer hin muss man sich mal vorstellen, dass eine Schulstunde nur fünfundvierzig Minuten hat und eine Sportstunde eben auch nur eine normale Schulstunde ist.

In dieser kurzen Zeit müssen sich die Kinder vor dem Sportunterricht umziehen und natürlich nach dem Sportunterricht umziehen. Wenn man jetzt annimmt, dass jedes Kind Sportschuhe mit Schnüren besitzt und nicht jedes Kind schnell und sauber eine Schleife binden kann, dann kann man sich ja vorstellen, womit die Lehrerin die Sportstunde über beschäftigt sein wird.

Wenn man jetzt davon ausgeht, dass jedes Kind aus der Klasse Sportschuhe mit Schnürsenkel besitzt. Und wenn man davon ausgeht, dass jedes Kind eine Schleife schnell und sauber binden könnte, wovon man aber bei sechs oder sieben Jahren alten Kindern nicht unbedingt ausgehen kann. Dann ist es sicherlich auch störend, wenn alle fünf Minuten sich ein Kind bücken muss, um mitten im Sportunterricht sich die Schuhe erneut zu zubinden.

Weshalb ich Sportschuhe mit Klettverschlüssen auch sinnvoller finde. Somit hat die Lehrerin eben im Sportunterricht zeit zusammen mit den Kindern Sport zu treiben und sich nicht um lästige Kleidung oder Schuhe kümmern zu müssen.

Meine Tochter kommt jetzt nach den Sommerferien auch in die zweite Klasse und das Thema mit den Schuhen hatten wir mit der Klassenlehrerin meiner Tochter auch. Sie hatte uns auch darum gebeten, dass die Kinder in der Schule eben Schuhe mit Klettverschlüssen tragen sollen und auch im Sportunterricht wäre dies sehr sinnvoll.

Und sie hat uns eben gesagt, dass sie nicht bei über fünfundzwanzig Kindern im Sportunterricht eine Schleife binden kann, denn, dann wäre die Sportstunde um, wenn sie mit Schleifebinden fertig wäre. Und eben auch in der Schule wären Schuhe mit Klettverschluss sinnvoller.

Die Kinder wollen immer schnell in die Pause, die nun auch nicht lange sind. Und, wenn die Kinder dann aber noch auf der Treppe sitzen müssen und fünf Minuten benötigen, um sich eine Schleife in die Schuhe zu machen, dann sind die Kinder erst fertig, wenn die Pause vorbei ist. Wenn die Kinder etwas größer sind und somit auch geübter in Schleifebinden sind. Dann wird es wohl kein Problem mehr sein, wenn die Kinder Schnürschuhe in der Schule tragen.

» kai0409 » Beiträge: 3345 » Talkpoints: 72,64 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Das ist bei uns auch so und das aus gutem Grund. Sowohl die Straßenschuhe als auch die Turnschuhe sollen Kletterschluss haben, da alles andere zu lange dauert. Außerdem sind Schleifen in dem Alter noch nicht so fest, dass sie auch halten. Bei Schnürschuhen wären die Kinder mehr mit Schleife binden zu tun als mit Sport.

Selbst bei uns an der weiterführenden Schule haben wir in den unteren Klassen lieber Klettverschlussschuhe im Sportunterricht, da auch bei uns ständig Kinder mit Schleife binden beschäftigt sind. Das ist besonders bei Gruppenspielen einfach nervig.

Gerade bei Jungen ist es sowieso schwer Schnürschuhe zu bekommen, da alle gängigen Marken auf Klettverschluss umgestellt. In unserem Schuhgeschäft findet man vielleicht ein oder zwei Paare. Dabei sollten Kinder zur Einschulungsuntersuchung eine Schleife können. Nur wie sollen sie es lernen, wenn sie nie Schnürschuhe an haben?

» drago » Beiträge: 169 » Talkpoints: 1,56 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Holla, so hätte ich die Situation nicht eingeschätzt. Meine Kids konnten zu Schulanfang alle zuverlässig und fest eine Schleife binden. Das An- und Ausziehen erledigen sie seit dem zweiten Lebensjahr selbst, sodass sie das in diesem Alter aus dem Effeff konnten. Ich kann nur staunen, dass das Erlernen dieser Fertigkeiten anderswo derart auf der Strecke bleibt.

» tok_tumi » Beiträge: 837 » Talkpoints: 1,20 » Auszeichnung für 500 Beiträge


tok_tumi hat geschrieben:Holla, so hätte ich die Situation nicht eingeschätzt. Meine Kids konnten zu Schulanfang alle zuverlässig und fest eine Schleife binden.

Ich bin offen gesagt auch ziemlich erstaunt. Ich konnte schon mit 4 oder 5 eine feste Schleife binden und habe selbst im Kindergarten teilweise den anderen Kindern dabei helfen müssen. Wie kommt es, dass so etwas so lange auf der Strecke bleibt und gar nicht mehr beigebracht wird von den Eltern?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Warum? Das hat meines Erachtens mindestens zwei Gründe. Zum einen findet man in den Läden mit preiswerten Schuhen selten noch Schuhe mit Schnürsenkeln kleiner als Größe dreißig. Und wenn einem die Größen mit Schnürsenkeln passen, ist man schon je nach Kind oft schon fünf oder älter. Von Bildern in Online-Shops sollte man sich nicht täuschen lassen.

Es gibt zwar teils auch Kleinkindschuhe mit Schnürsenkel. Aber die sind dann eben oft elastische Bänder und sehen nur aus wie Schnürsenkel. Oder an der Seite des Schuhs ist ein zusätzlicher Reißverschluss eingebaut. Es ist dann halt eher Schnürsenkeloptik. Wenn das Angebot so mager ist, ist ja auch irgendwo logisch, dass die Notwendigkeit des Erlernens ins Hintertreffen gerät.

Wie das bei teuren Schuhen von Designern, das weiß ich nicht. Aber der Löwenanteil der Eltern kauft sowieso eher günstigere Schuhe bis höchstens 40 Euro pro Paar und nicht von den Marken, die die Stars ihren Schuhen anziehen.

Zum Anderen ist es eben oft schon ein Problem in den Kitas. Die Erzieher sind mit relativ großen Gruppen gesegnet und müssen vergleichsweise viele Kinder betreuen, damit der Betrieb wirtschaftlich ist. Das war zu meiner Kinderzeit entspannter. So schaffen die es auch nicht, allen Kindern die Schnürsenkel im Garten und beim Spazieren gehen tausend mal zu schließen.

Daher wollen die meist keine Schuhe mit Schnürsenkeln. Ist mir mit unseren Erziehern auch schon passiert und ich vermute mal, anderen Eltern geht es da nicht besser. Und wenn das eben nicht täglich geübt wird, lernt so ein Kind das langsamer. Sofern es nicht motorisch super begabt hat und Spaß an Schnürsenkeln entwickelt. Und das sind wohl die wenigsten, die das aus eigenen Antrieb noch lernen wollen.

Zudem sind seit einigen Jahren Bänder jeder Art in Kindergärten verpönt. Da gab es einzelne böse Unfälle, weil Kinder sich in Schnüren der Kleidung oder Ketten erhängt oder verletzt haben. Daher sagen dann manche Betreuungseinrichtungen gleich pauschal, dass man auch keine Schnürsenkel wünscht, denn sonst geht die Diskussion mit den Eltern los, warum Schnürsenkel erlaubt sind, aber keine Kordeln am Kapuzenshirt.

Außerdem sind nicht in allen Bundesländern solche Einschulungsuntersuchungen, wo das Gesundheitsamt so etwas prüft wie das Schuhe binden. Bei uns zum Beispiel sieht sich einfach der Direktor jedes einzelne Kind an und winkt es durch oder nicht. Wegen so einer Bagatelle wird heute niemand mehr ein Jahr zurück gestellt. Schließlich wird derzeit Inklusion versucht.

Und wahrscheinlich sind auch die Eltern zu einem guten Teil schuld. Konsequent etwas einfordern ist bei vielen nicht mehr so modern. Da wird lieber verwöhnt und die Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt. Und bevor man zig mal seinem Nachwuchs sagt, dass der lose gebundene Schuh schon wieder auf ist.

Da schonen viele eben ihre Nerven und kaufen Klettverschlüsse bis zum Erwachsenenalter. Und da der Markt da reichlich gedeckt ist, fällt auch der Zwang wie zu meiner Kinderzeit weg, wo Klettschuhe nicht richtig zu hielten. Einfach weil damals die Verschlüsse noch Kinderkrankheiten hatten.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Es mag ja am durchaus am Elternhaus liegen, aber es hat oft wenig mit mangelnder Konsequenz zu tun. Ich habe beispielsweise bei meinem ersten Kind eine Strecke von 90 km einfach zur Arbeit gehabt. Angefangen habe ich um 8 Uhr. Um halb 7 mussten wir allerspätestens losfahren. Besser war es, etwas früher zu starten.

Wenn man sein Kind bereits spätestens um halb 6 aus dem Bett wirft, dann bleibt wenig Zeit, das Kind lange üben zu lassen. Entweder man macht als Elternteil alles selbst oder man fördert die Selbstständigkeit über einen Kompromiss. Dann darf und soll das Kind die Schuhe selbst anziehen, aber man greift eben auf Klettverschlüsse zurück.

Und ich weiß, dass es vielen Eltern so geht. Eine gute Freundin muss ihren Vierjährigen um 5 Uhr aus dem Bett holen. Sie hat einen Weg von 70 km bis zum Kindergarten, von da geht es nochmals 10 km bis zur Arbeitsstelle. Der Mann fährt ebenso weit, aber in die andere Richtung. Umziehen kommt also nicht infrage. Zumal Eltern und Geschwister am Wohnort sind und bei Krankheit einspringen können.

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


An so etwas kann ich mich von meinem Schulsport her nicht erinnern, dass da eine Vorgabe gewesen wäre, dass keine Schnürschuhe zu tragen sind. Es dauert natürlich länger, bis die Schuhe angezogen und geschnürt sind, als wenn man Schuhe mit Klettverschluss verwendet. Darum kann ich es schon verstehen, dass die Lehrerin das so möchte. Das Schnüren der Schuhe sollten die Kinder ja auch zu Hause lernen, würde ich mal sagen.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge


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