Lehramts-Eigungstests in Deutschland sinnvoll?

vom 20.10.2017, 15:17 Uhr

In Deutschland gibt es eine beträchtliche Anzahl von Lehrern, die im Laufe ihrer Karriere ein Burnout bekommen. Das ist für den Steuerzahler problematisch, denn solche Lehrer sind teuer. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern, kann in Deutschland jeder Lehramt studieren der möchte und die Voraussetzungen erfüllt. Hierbei geht es aber höchstens um den Notenschnitt, nicht um Kompetenzen. Es eignet sich aber bei weitem nicht jeder zu einem Lehrer. Viele Menschen entscheiden sich für ein Lehramtsstudium und merken später, dass sie anstrengende Kinder und Jugendliche nicht mögen und ihnen nicht gewachsen sind.

An der Universität Passau gibt es einen solchen Eignungstest, allerdings ist dieser freiwillig. Viele Professoren wünschen sich jedoch, dass es einen solchen Test in Deutschland verpflichtend gibt, damit nur diejenigen Studenten zum Lehramtsstudium zugelassen werden, die sich auch wirklich eigenen und bei denen man nicht direkt damit rechnen muss, dass sie mit der Zeit ein Burnout oder Depressionen entwickeln. Studenten mit niedrigem Selbstbewusstsein und labilem psychischen Befinden würden dann beispielsweise nicht zugelassen werden. Auch Menschen die wenig Autorität ausstrahlen und sich nicht durchsetzen können, würden abgelehnt werden.

Denkt ihr auch, dass solche Eignungstests in Deutschland angebracht wären? Könnte man so die Anzahl an Lehrern mit Depressionen und Burnout mindern und den Steuerzahler entlasten?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich finde es immer schwierig, wenn ein einmaliger Test über die Eignung einer Person für ihren Beruf entscheiden soll. Schon den NC bei gewissen Studiengängen sehe ich kritisch, denn nur, weil jemand gut auswendig lernen kann und in der Schule einen 1er-Schnitt schafft, macht ihn das ja noch lange nicht zu einem guten Arzt, wenn es ihm an menschlicher Kompetenz fehlt.

Ebenso frage ich mich, wie so ein Eignungstest konzipiert sein kann oder muss, um niemanden zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Der eine ist vielleicht selbstsicher im Auftreten, aber fachlich eine Niete, während ein anderer vor einer Gruppe Menschen kaum ein Wort herausbringt, aber super erklären kann, sobald er sich überwindet. Je nach Konstruktion des Tests müsste man entweder beide Kandidaten durchlassen oder abweisen, aber ob das korrekt ist, weiß ich nicht.

Auch sind Faktoren wie das berufliche Umfeld, der gesellschaftliche Druck und das eigene soziale Netz ausschlaggebend dafür, wie sehr man beispielsweise für ein Burnout-Syndrom prädestiniert ist. Das muss mit den eigenen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften gar nicht mal so viel zu tun haben. Vielleicht lässt sich durch einen Eignungstest eine Hochrisikogruppen-Minderheit herausfiltern, aber Grenzfälle wird eine solche Prüfung auch nicht erfassen können. Daher bin ich unsicher, ob eine solche Maßnahme ihren Zweck erfüllen würde.

Einzig die persönliche Erfahrung, dass viele Menschen, die so gar keine Ahnung haben, was sie nach dem Abi mit ihrem Leben anfangen sollen, einfach Lehramt studieren gehen, lässt mich für einen solchen Test argumentieren. Zumindest gab es in meiner Klasse die ein oder andere bequeme Seele, die trotz mangelndem Interesse und mittelmäßigen Leistungen deswegen Lehrer geworden ist, weil es keine wirklich große Änderung im Alltag und im bekannten System bedeutete und noch dazu mit einigen netten Vorteilen wie festem Urlaub und dem Beamtenstatus verbunden war.

Das mag vielleicht hart klingen, aber bei ein paar Kandidaten habe ich wirklich gedanklich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, als ich mir diese als Lehrkraft vorgestellt habe. Aber auch hier stellt sich die Frage, was ein Eignungstest denn tatsächlich leisten soll. Motivation erfassen? Wissen prüfen? Charakterliche Stärken und Schwächen bewerten? Und wer kann anhand dessen schon entscheiden, was einen guten Lehrer ausmacht?

» MaximumEntropy » Beiträge: 8472 » Talkpoints: 838,29 » Auszeichnung für 8000 Beiträge


An und für sich finde ich solche Tests gut, aber das Ergebnis sollte dann keinen Einfluss darauf haben ob man studieren darf oder nicht. Wir leben hier immerhin in einer Demokratie und da muss jeder das studieren dürfen was er studieren möchte.

Davon abgesehen kann sich ein Mensch ja auch ändern und das Studium verändert einen sowieso. Ich denke auch nicht, dass Lehrer mit Depressionen und Burn-Out überhaupt so ein großes Problem darstellen. Burn-Out ist doch noch nicht mal eine anerkannte Krankheit und die meisten Lehrer sind eh Privatversichert.

Mein Mann ist zwar nur zu 1/4 ein Lehrer, hat aber einen Beruf in dem es sehr häufig zu Überforderung und Burn-Out kommt. Die beste Prävention für ihn ist eine Frau die nicht arbeiten geht, sondern ihn unterstützt. Sehe ich bei Lehrern aber eher als schwierig, da diese ja meistens weiblich sind und sich kaum jemand mit dem Job einer "Lehrer-Ehefrau" zufrieden geben will. Ich selber bin auch nur Hausfrau, weil ich aufgrund einer Erkrankung nicht arbeiten kann.

» Sternenbande » Beiträge: 1860 » Talkpoints: 70,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich frage mich auch gerade, wie so ein Test konzipiert werden müsste. Didaktik kann man meiner Ansicht nach erlernen. Eine Bekannte von mir ist Dozentin an einer Universität und sie ist eher der hibbelige und sprunghafte Typ. Sie spricht privat gerne wie aus der Pistole geschossen und unter diesen Umständen wäre sie eine sehr schlechte Dozentin meiner Ansicht nach. Allerdings hat sie mehrere Rhetorik-Schulungen hinter sich und wenn man sie in einer Vorlesung erlebt, ist sie das komplette Gegenteil und didaktisch einsame Spitze. Ihre jährlichen Lehrpreise beweisen es, dass man Didaktik erlernen kann, wenn man das möchte.

Allerdings ist es eine andere Sache, wenn man psychisch zum Beispiel nicht für diesen Job geeignet ist, weil man sich zum Beispiel protestierende Kinder zu sehr zu Herzen nimmt oder Beschwerden von Eltern, vielleicht sogar Terror von Helikopter-Eltern. Aber selbst da kann man wachsen und stärker werden und sich entwickeln. Nur, weil jemand mit 18 vielleicht nicht besonders psychisch belastbar ist, muss das ja nicht ewig so sein.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



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