Lang ersehnte Ziele erreichen und doch nicht glücklich damit
Manchmal arbeitet oder spart man sehr lange Zeit auf etwas hin. Man beschäftigt sich über Wochen oder Monate mit etwas und malt sich aus, wie es sein wird, wenn man sein Ziel endlich erreicht hat. Auch wenn es viel Zeit, Geld oder Nerven kostet darauf hinzuarbeiten, macht man es doch gerne. Die Aussicht auf das Ziel motiviert einen.
Bei mir war es aber tatsächlich auch schon so, dass ich gemerkt hatte, nicht glücklich damit zu sein, als ich mein Ziel nach langer Zeit endlich erreicht hatte. Es hatte sich dann doch ganz anders angefühlt, als ich es mir vorher ausgemalt hatte. Oder es hatte sich nicht wirklich etwas verändert, obwohl ich so viel Zeit und Mühe investiert habe. Habt ihr schon lang ersehnte Ziele irgendwann erreicht, ohne im Endeffekt glücklich dadurch geworden zu sein, auch wenn ihr es euch ganz anders ausgemalt hattet?
Für mich ist das ein urmenschliches Phänomen, dass der Weg zu einem Ziel oft viel mehr bedeutet als das Ziel selbst. Ich habe den Eindruck, der Mensch sei einfach nicht dazu geschaffen, zu sagen: Ok, Ziel erreicht, jetzt stagnieren wir bis an unser Lebensende. Und um sich weiter zu entwickeln, braucht es einen Antrieb. Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, freiwillig darauf zu verzichten, mir neue Ziele zu stecken und neue Erfahrungen zu machen, weil das letzte erreichte Ziel mich perfekt glücklich gemacht hat und sich daran auch nichts mehr ändern wird. Das liegt nicht in der Natur des Menschen.
Auf diesem Prinzip basiert ja auch der moderne Kapitalismus, der unser Leben bestimmt. Wenn die Konsumenten alle sagen würden: Du, meine aktuelle Waschmaschine tut es einwandfrei, die behalte ich jetzt, bis sie kaputtgeht, wäre das eine Katastrophe, die bekanntlich dadurch verhindert wird, dass Elektrogeräte gar keine 20 Jahre halten können. Oder die Werbung, die uns allen immer neue Paradiese und Ideale vorgaukelt, vom neuen, unverbrauchten Reiseziel bis hin zu Diätpülverchen, die uns dem Schlankheitsziel näherbringen.
Ich habe im Lauf meines Lebens gelernt, nicht allzu große Erwartungen in "Ziele" aller Art zu stecken. Natürlich freut es mich, etwa einen schönen Urlaub zu machen, auf den ich lange gespart habe oder meinem Chef endlich die Gehaltserhöhung herausgeleiert zu haben. Aber ich erwarte davon nicht, "glücklich" zu sein. Das ist sowieso kein Zustand, sondern eher ein Prozess. Und wenn ich auf dem Weg zu meinem Ziel nicht zumindest hin und wieder "glücklich" war, wie soll ich es dann sein, wenn es an sich vorbei ist?
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