Kundenarbeit heute wirklich so gravierend?

vom 19.05.2015, 18:45 Uhr

Neulich kam im ZDF eine Doku über Kundenarbeit. Ein Experte meinte, dass immer mehr Arbeit auf die Kunden verlagert wird und dann alles so dargestellt wird, als ob der Kunde das wollen würde. Hierzu gehörten diverse Dinge wie beispielsweise das Konzept von IKEA wo es kaum Beratung gibt und der Kunde sich alles selbst zusammen suchen und holen muss. Am Ende steht nicht selten die SB-Kasse. Auch das wäre stressig für den einzelnen.

Ansonsten gäbe es wohl auch Konzepte wie Subito, dass sind kleine Scanner die man sich am Ladeneingang abholen kann und mit denen man dann alles scannt, was man in den Laden legt. Auch McDonalds für im Jahr Millionen an Euro sparen, wenn man pro Tablett das der Kunde abrechnet auch nur einen einzigen Cent verrechnet. Ein weiteres Beispiel seien Packstationen.

Es soll einem somit vorgegaukelt werden, dass das Unternehmen Dienste günstig anbieten könnte, eben weil die Kunden auch mitarbeiten, Tatsache aber ist oft, dass die Preise sich gar nicht ändern, das Unternehmen macht einfach nur mehr Gewinn. Findet ihr diese Entwicklung auch bedenklich? Ich selbst muss sagen, dass ich das eigentlich nicht so schlecht finde, denn ob ich nun selbst kassiere und mir eine schlecht gelaunte Kassiererin ein Hallo zuruft oder nicht, interessiert mich wenig. Das wird dann als wertvoller sozialer Kontakt abgetan, ist es meiner Meinung nach aber nicht.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Mir geht es vor allem um die Zeitersparnis, wenn ich mit solchen Kassensystemen schneller vorankomme, dann nutze ich sie auch. Dann mache ich halt die Arbeit des Supermarktes, bin dafür aber auch schneller wieder zuhause.

Bei IKEA hingegen, ist das Gegenteil der Fall. Sicher sind die Möbel nicht super qualitativ hochwertig und sie werden in "billiglohn Gebieten" produziert, aber da man das so handhabt, wird erstens viel Lagerraum gespart und zweitens Lieferkosten, darum muss man ja auch sein Geschirr selber wegräumen im Restaurant. Da wird sicher doch der eine oder andere Euro an den Kunden übergeben.

» Bascolo » Beiträge: 3586 » Talkpoints: 0,29 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Es geht immer einzig und allein darum, Kosten zu senken! Das bedeutet nie, dass diese Ersparnis auch an den Kunden weiter gegeben wird. Im besten Fall wird propagiert, dass das dafür sorgt, dass die Preise nicht weiter steigen - und der Kunde doch was davon hat. Das mag zu einem geringen Teil stimmen. Hauptsächlich aber gewinnen die Unternehmen durch die Einsparungen!

Das Ganze hat auch schon früher angefangen. Dazu muss man an die Entstehung der Discounter denken - hier wurde auf das präsentieren der Ware verzichtet und der Kunde durfte die Ware von Paletten nehmen. Klar war durch die Einsparung an Personal auch das Produkt leicht billiger. Aber der Löwenanteil ging als Profit im Unternehmen ein. Dann die Tankstellen, bei denen der Tankwart abgeschafft wurde. Oder der Versuch von Airlines, das Personal beim Check-In durch Automatisierung zu reduzieren. Immer wird damit geworben, dass das dem Kunden zugutekommt. Fakt ist, dass es Arbeitsplätze kostet und die Dividendenauszahlung noch mal sichert.

Erschreckend ist für mich immer der Gedanke, dass die Gewinne der Unternehmen immer weniger durch entstehenden Mehrwert generiert werden, sondern dadurch, dass die Kosten gesenkt werden - also Arbeitsplätze wegfallen. Wenn man sich aber vor Augen führt, dass nur menschliche Arbeit letztlich Mehrwert schafft, ist das mittelfristig sicher der sicherste Weg in eine allgemeine Wirtschaftskrise.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Es geht immer einzig und allein darum, Kosten zu senken! Das bedeutet nie, dass diese Ersparnis auch an den Kunden weiter gegeben wird. Im besten Fall wird propagiert, dass das dafür sorgt, dass die Preise nicht weiter steigen - und der Kunde doch was davon hat. Das mag zu einem geringen Teil stimmen. Hauptsächlich aber gewinnen die Unternehmen durch die Einsparungen!

Das würde so funktionieren, wenn es keine Konkurrenz gäbe. Diesen Luxus haben aber nur wenige Unternehmen. Sicher werden in den seltensten Fällen Kosteneinsparungen direkt an den Kunden weitergegeben. Indirekt wird das aber fast immer passieren. Die Unternehmen müssen eigentlich ständig Kosten einsparen, weil sie sonst dauerhaft nicht mehr konkurrenzfähig werden, weil jemand anders das gleiche billiger anbieten kann. Und damit profitiert der Verbraucher letztendlich doch.

Oder der Versuch von Airlines, das Personal beim Check-In durch Automatisierung zu reduzieren. Immer wird damit geworben, dass das dem Kunden zugutekommt. Fakt ist, dass es Arbeitsplätze kostet und die Dividendenauszahlung noch mal sichert.

Kundennutzen und höhere Marge widerspricht sich nicht immer, wie dein Beispiel ja eindrucksvoll zeigt. Wenn man einen Mehrwert wie zum Beispiel einen schnelleren, automatisierten Check-In anbietet, dann muss man ja nicht günstiger werden.

Davon abgesehen zeigt die jahrzehntelange Erfahrung mit Automatisierung, dass sie im Endeffekt keine Arbeitsplätze kostet, sondern den Wohlstand fördert. Schließlich steigt die Produktivität der Gesellschaft, damit die Wirtschaftsleistung und dadurch entstehen höherwertige Arbeitsplätze.

Was man auch nicht vergessen darf, dass von den Dividendenauszahlungen auch wieder viele Kleinanleger und Leute mit Privatrenten und Lebensversicherungen profitieren. Das Geld bleibt ja im Wirtschaftskreislauf, das heißt es werden auch wieder Arbeitsplätze davon bezahlt. An einer Dividendenzahlung ist also überhaupt nichts Schlechtes zu finden.

Erschreckend ist für mich immer der Gedanke, dass die Gewinne der Unternehmen immer weniger durch entstehenden Mehrwert generiert werden, sondern dadurch, dass die Kosten gesenkt werden - also Arbeitsplätze wegfallen.

Das stimmt so aber nicht. Viele Unternehmen haben steigende Umsätze, das bedeutet, dass sie mehr Wert produzieren. Und viele Unternehmen stellen auch ein. Oder es entstehen neue Unternehmen, die neue Arbeitsplätze schaffen. Das kompensiert die Kosteneinsparung in anderen Unternehmen wieder.

Wenn man sich aber vor Augen führt, dass nur menschliche Arbeit letztlich Mehrwert schafft, ist das mittelfristig sicher der sicherste Weg in eine allgemeine Wirtschaftskrise.

Das stimmt aber nicht. Wenn eine Maschine ein Produkt herstellt, schafft sie genauso einen Mehrwert wie der Mensch, der das selbe Produkt in Handarbeit produziert. Eine Maschine ist aber oft deutlich produktiver, sie erzeugt also eine höhere Wertschöpfung. Das Schöne ist, dass auch an der Entwicklung, Herstellung und Wartung der Maschine Menschen beteiligt sind, die allerdings allesamt einen höherwertigen (im Sinne von Ausbildung und Gehalt) Job haben als der Arbeiter, der das Produkt in Handarbeit herstellen würde.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Weasel_ hat geschrieben:Die Unternehmen müssen eigentlich ständig Kosten einsparen, weil sie sonst dauerhaft nicht mehr konkurrenzfähig werden,

Natürlich dienen die Einsparungen dazu, die eigenen Kosten zu senken. Das hat aber nichts damit zu tun, dass der eigene Profit angegriffen wird. Kostensenkung ja, auch um in der Konkurrenz Vorteile zu erhalten. Aber der eigentliche Profit bleibt beim Unternehmer!

Weasel_ hat geschrieben:Davon abgesehen zeigt die jahrzehntelange Erfahrung mit Automatisierung, dass sie im Endeffekt keine Arbeitsplätze kostet

Ich würde gerne die Studie sehen, die genau dies darstellt. Was sind die Indizien, die dich das glauben lassen?

Weasel_ hat geschrieben:sondern den Wohlstand fördert

Richtig ist, dass das Vermögen gefördert wird. Eine Volkswirtschaft "erwirtschaftet" so immer mehr. Aber das bedeutet nicht - siehe Reichtumsverteilung - dass das zu mehr Wohlstand der gemeinen Bevölkerung führt.

Weasel_ hat geschrieben:Das stimmt aber nicht. Wenn eine Maschine ein Produkt herstellt, schafft sie genauso einen Mehrwert wie der Mensch,

Das ist jetzt naiv wie falsch. Natürlich schafft eine Maschine keinen Mehrwert - sie überträgt lediglich ihren Wert (der vorher durch den Menschen geschaffen wurde!) auf die von ihr produzierten Güter. Ich verweise eigentlich nie gerne auf Wikipedia. Aber hier ist sehr kurz und einigermaßen verständlich erklärt, was unter dem Fall der Profitrate verstanden wird. Selbst Nicht-Marxisten tun sich hier mit der Widerlegung schwer. Und hier wird dann erklärt, warum eben die Maschine keinen Mehrwert produzieren kann. Auch wenn man es sich das gerne so vorstellen mag.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Davon abgesehen zeigt die jahrzehntelange Erfahrung mit Automatisierung, dass sie im Endeffekt keine Arbeitsplätze kostet, sondern den Wohlstand fördert. Schließlich steigt die Produktivität der Gesellschaft, damit die Wirtschaftsleistung und dadurch entstehen höherwertige Arbeitsplätze.

Ich glaube, das stellt man sich gerne so vor, aber ganz so ist es auch nicht. Manche Menschen sind nicht für komplexe Jobs geeignet, die können nur einfache Jobs annehmen und körperlich arbeiten und die sind es aber, die am ehesten von solchen Automatisierungen betroffen sind. Es werden ja nicht diejenigen, die auch die Fähigkeiten für ein Studium hätten, jahrzehntelang an der Kasse im Lidl arbeiten, sondern das sind eben Menschen, die für nicht viel anderes geeignet sind und wenn die dann weggespart werden, bleiben die arbeitslos.

Und was ist für den Kunden schöner? Wenn ihm ein Tankwart den Wagen wäscht und in die Waschanlage leitet oder wenn man selbst vorwaschen muss? Ist es nicht angenehmer, wenn einem Dinge abgenommen werden? Ok, manchmal ist man im Zeitdruck, aber ansonsten schätzen es Menschen doch eher, wenn sie bedient werden anstatt alles selbst machen zu müssen.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Natürlich dienen die Einsparungen dazu, die eigenen Kosten zu senken. Das hat aber nichts damit zu tun, dass der eigene Profit angegriffen wird. Kostensenkung ja, auch um in der Konkurrenz Vorteile zu erhalten. Aber der eigentliche Profit bleibt beim Unternehmer!

Wenn man gegenüber der Konkurrenz wettbewerbsfähig sein will, muss man die Preise senken oder zumindest nicht so stark erhöhen, wie es die stetig steigenden Lohnkosten eigentlich erfordern würde. Die Marge sinkt, also auch der Profit.

Ich würde gerne die Studie sehen, die genau dies darstellt. Was sind die Indizien, die dich das glauben lassen?

Die Arbeitslosenstatistik in Verbindung mit der Tatsache, dass in Deutschland in den letzten Jahrzehnten massiv automatisiert wurde, reicht als Beweis. Natürlich fallen erst einmal Jobs weg, die werden aber immer wieder ersetzt. In Deutschland sind sogar ganze Industriezweige weg gefallen, weil man in Billiglohnländern billiger produzieren kann. Trotzdem haben wir keine massive Arbeitslosigkeit. Das haben wir unter anderem der Automatisierung zu verdanken. Der größte Industriezweig, der noch weit größer ist als die Automobilindustrie, in Deutschland ist der Maschinenbau.

Richtig ist, dass das Vermögen gefördert wird. Eine Volkswirtschaft "erwirtschaftet" so immer mehr. Aber das bedeutet nicht - siehe Reichtumsverteilung - dass das zu mehr Wohlstand der gemeinen Bevölkerung führt.

Das bedeutet es nicht automatisch, ist aber in Deutschland eine Tatsache. Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt. Wir können es uns sogar leisten, arbeitslosen Singles eine Wohnung zu bezahlen, die sich anderswo auf der Welt nicht einmal eine ganze Arbeiterfamilie leisten kann. Dazu gibt es noch medizinische Versorgung und ein kleines Taschengeld. Wenn das kein Wohlstand ist, was dann? Wo anders müssten die Leute verhungern.

Das ist jetzt naiv wie falsch. Natürlich schafft eine Maschine keinen Mehrwert - sie überträgt lediglich ihren Wert (der vorher durch den Menschen geschaffen wurde!) auf die von ihr produzierten Güter.

Trotzdem schafft die Maschine einen höheren Wert als die Menschen, die sie entwickelt und hergestellt haben, jemals erreichen könnten. Von daher schafft sie insgesamt gesehen eine Wertschöpfung. Mit marxistischen Theoremen kann man das nicht widerlegen. Marx hat in einfachen Bildern und Vorurteilen gedacht, die sich mit der realen Welt nicht vereinbaren lassen.

Der von dir verlinkte Artikel zeigt das ja sehr schön. Da wird von Kapital und Profit gerechnet, aber es ignoriert die Tatsache, dass die Summe der Wertschöpfung in der Gesellschaft entscheidend ist und sich das Geld nicht in einer Einbahnstraße vom Arbeiter zum Kapitalisten bewegt. Allein die Tatsache, dass heutzutage viele Arbeiter selbst Kapitalisten sind, indem sie zum Beispiel einen Riestervertrag abschließen, hebelt die marxistischen Hyptothesen aus.

Ich glaube, das stellt man sich gerne so vor, aber ganz so ist es auch nicht. Manche Menschen sind nicht für komplexe Jobs geeignet, die können nur einfache Jobs annehmen und körperlich arbeiten und die sind es aber, die am ehesten von solchen Automatisierungen betroffen sind.

Höherwertige Jobs heißt nicht gleichzeitig, dass die Jobs auch komplexer sind. Jeder, der mal in einer automatisierten Fabrik gearbeitet hat, weiß das. Es ist eher umgekehrt so, dass man eher weniger Facharbeiter und mehr ungelernte Arbeiter benötigt.

Es werden ja nicht diejenigen, die auch die Fähigkeiten für ein Studium hätten, jahrzehntelang an der Kasse im Lidl arbeiten, sondern das sind eben Menschen, die für nicht viel anderes geeignet sind und wenn die dann weggespart werden, bleiben die arbeitslos.

Wenn ich mir so die typischen Mitarbeiter an der Lidl-Kasse oder an einer Bäcker- oder Metzgertheke anschaue, dann sind das zu 80% Frauen im mittleren Alter. Ich gehe mal davon aus, dass die meisten auch Mütter sind. Wieso sollten die Leute nicht zum Beispiel als Krankenschwester, Erzieherin oder Krankenpflegerin geeignet sein? Oder für einen Job in der Produktion? Ich kenne viele solche Frauen, die genau das tun.

Ich denke sogar, dass da tatsächlich viele für ein Studium geeignet gewesen wären, nur war halt die Rollenverteilung damals noch etwas anders.

Und was ist für den Kunden schöner? Wenn ihm ein Tankwart den Wagen wäscht und in die Waschanlage leitet oder wenn man selbst vorwaschen muss? Ist es nicht angenehmer, wenn einem Dinge abgenommen werden?

Natürlich ist es schöner, aber es ist eben auch teurer. Und die meisten Menschen würden eben nicht 5 Euro mehr für die Autowäsche bezahlen wollen,nur damit man ihnen die Arbeit abnimmt. Mal davon abgesehen dass für viele Deutsche das Auto das heiligste Gut ist und man da nur ungern fremde Menschen dran lässt.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Die Arbeitslosenstatistik in Verbindung mit der Tatsache, dass in Deutschland in den letzten Jahrzehnten massiv automatisiert wurde, reicht als Beweis. Natürlich fallen erst einmal Jobs weg, die werden aber immer wieder ersetzt. In Deutschland sind sogar ganze Industriezweige weg gefallen, weil man in Billiglohnländern billiger produzieren kann. Trotzdem haben wir keine massive Arbeitslosigkeit. Das haben wir unter anderem der Automatisierung zu verdanken. Der größte Industriezweig, der noch weit größer ist als die Automobilindustrie, in Deutschland ist der Maschinenbau.

Dass es weniger Arbeitslose als früher gibt, liegt vielleicht auch daran, dass die Bevölkerung insgesamt weniger wird und dass die Statistiken auch viele ausklammern. Es gibt ja noch viel mehr Arbeitslose, die etwa keine Leistungen empfangen oder in irgendwelchen Maßnahmen stecken und die zählen meines Wissens nach gar nicht mit zur offiziellen Arbeitslosenstatistik, genau wie die zahlreichen Aufstocker.

 Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt. Wir können es uns sogar leisten, arbeitslosen Singles eine Wohnung zu bezahlen, die sich anderswo auf der Welt nicht einmal eine ganze Arbeiterfamilie leisten kann. Dazu gibt es noch medizinische Versorgung und ein kleines Taschengeld. Wenn das kein Wohlstand ist, was dann? Wo anders müssten die Leute verhungern.

Ich glaube der arbeitslose Single, der in seiner kleinen Wohnung hockt und von ALG II lebt würde sein Leben nicht gerade als Wohlstand bezeichnen. Und Deutschland mit den Umständen in Entwicklungsländern zu vergleichen finde ich auch nicht sinnvoll. Ok, wir haben einen Absicherung für Menschen ohne Arbeit, aber deswegen lebt dennoch nicht jeder im Wohlstand.

Höherwertige Jobs heißt nicht gleichzeitig, dass die Jobs auch komplexer sind. Jeder, der mal in einer automatisierten Fabrik gearbeitet hat, weiß das. Es ist eher umgekehrt so, dass man eher weniger Facharbeiter und mehr ungelernte Arbeiter benötigt.

Und du hast schon mal in einer Fabrik gearbeitet? Ich habe in meinem Beruf schon viele kennengelernt, die einfache Handwerksberufe erlernt hatten oder Helfer waren und die sich das nicht zugetraut haben, an automatisierten Anlagen zu arbeiten, wo sie vielleicht CNC-Maschinen programmieren müssten oder da etwas an den Steuerungen zu verändern.

Wenn ich mir so die typischen Mitarbeiter an der Lidl-Kasse oder an einer Bäcker- oder Metzgertheke anschaue, dann sind das zu 80% Frauen im mittleren Alter. Ich gehe mal davon aus, dass die meisten auch Mütter sind. Wieso sollten die Leute nicht zum Beispiel als Krankenschwester, Erzieherin oder Krankenpflegerin geeignet sein? Oder für einen Job in der Produktion? Ich kenne viele solche Frauen, die genau das tun.

Ja, du hast recht, dass sind meistens Frauen. Die haben irgendwann mal Verkäuferin oder etwas Ähnliches gelernt und saßen jahrelang an der Kasse. Eine Krankenschwester hat eine ganz andere Tätigkeit, braucht eine richtige Ausbildung mit komplexen medizinischen Inhalten und muss im Beruf auch oft Dinge machen, die vielleicht vielen unangenehm sind. Das, was eine Krankenschwester leistet, kann nicht einfach irgendeine Kassiererin übernehmen.

Zumal jemand, der schon 40 oder 50 ist, vielleicht auch nicht mehr die Strapazen einer Umschulung auf sich nehmen kann und für die Krankenschwester bedarf es einer dreijährigen Lehre. Ansonsten kann man nur Krankenpflegehelfer werden und die machen solche Aufgaben wie die Patienten betten oder Töpfchen hin- und hertragen – kann mir gut vorstellen, dass das nicht jeder machen möchte.

Mir Erzieherin ist es genauso. Im Kindergarten gibt es heute richtige pädagogische Konzepte. Da kann man nicht einfach irgendwen hinstellen, da muss auch vorher eine Ausbildung erfolgen.

Natürlich ist es schöner, aber es ist eben auch teurer. Und die meisten Menschen würden eben nicht 5 Euro mehr für die Autowäsche bezahlen wollen,nur damit man ihnen die Arbeit abnimmt. Mal davon abgesehen dass für viele Deutsche das Auto das heiligste Gut ist und man da nur ungern fremde Menschen dran lässt.

Ich habe auf meinem Arbeitsweg zwei Tankstellen, wo es schon einen Wart gibt, der einem beim Autowaschen hilft und die Vorwäsche macht. Das kostet da auch nicht mehr als bei den automatisierten Anlagen. Ich nehme an, dass sich die Tankstelle dann einfach den Tankwart leistet und dadurch auf etwas Profil verzichtet, den sie steigern könnten, wenn sie die Kosten senken. Aber vielleicht kommen dort auch mehr Leute hin, weil sie den Service schätzen und dadurch macht die Tankstelle mehr Umsatz.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Dass es weniger Arbeitslose als früher gibt, liegt vielleicht auch daran, dass die Bevölkerung insgesamt weniger wird und dass die Statistiken auch viele ausklammern. Es gibt ja noch viel mehr Arbeitslose, die etwa keine Leistungen empfangen oder in irgendwelchen Maßnahmen stecken und die zählen meines Wissens nach gar nicht mit zur offiziellen Arbeitslosenstatistik, genau wie die zahlreichen Aufstocker.

Die Bevölkerung in Deutschland ist seit 35 Jahren relativ stabil. Eine Millionen hin oder her machen da keinen großen Unterschied. Und was die Statistik angeht, da kann man auch andere Faktoren her nehmen, beispielsweise die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, deren Zahl in den letzten 20 Jahren relativ stabil geblieben ist.

Dafür, dass im produzierenden Gewerbe in den letzten 30 Jahren Millionen von Arbeitsplätzen entfallen sind, hat sich sehr wenig getan. Und das liegt eben unter anderem an der Automatisierung. Wie gesagt, die Maschinenbauindustrie, die weltweit die Automatisierung vorantreibt, ist in Deutschland mit Abstand der größte Industriezweig. Erst mit etwas Abstand folgt die Automobilindustrie.

Ich glaube der arbeitslose Single, der in seiner kleinen Wohnung hockt und von ALG II lebt würde sein Leben nicht gerade als Wohlstand bezeichnen. Und Deutschland mit den Umständen in Entwicklungsländern zu vergleichen finde ich auch nicht sinnvoll. Ok, wir haben einen Absicherung für Menschen ohne Arbeit, aber deswegen lebt dennoch nicht jeder im Wohlstand.

Wohlstand kann man relativ betrachtet sehr unterschiedlich wahr nehmen. Wenn ich meine Situation mit der eines Milliardärs vergleiche, bin ich richtig arm. Ich persönlich ziehe den Vergleich mit allen Menschen auf der Welt vor, weil ich nicht der Meinung bin, dass ein Mensch in China oder Vietnam weniger wert ist. Und verglichen mit einer chinesischen Arbeiterfamilie geht es einem Hartz-IV-Empfänger eben sehr, sehr gut. Er spürt dem Wohlstand nur nicht, wenn er sich nur mit reicheren Leuten vergleicht.

Leider nehmen viele Leute nicht mehr wahr, welches Glück sie haben, in einem so wahnsinnig reichem Land wie Deutschland zu leben.

Und du hast schon mal in einer Fabrik gearbeitet? Ich habe in meinem Beruf schon viele kennengelernt, die einfache Handwerksberufe erlernt hatten oder Helfer waren und die sich das nicht zugetraut haben, an automatisierten Anlagen zu arbeiten, wo sie vielleicht CNC-Maschinen programmieren müssten oder da etwas an den Steuerungen zu verändern.

Ja, das habe ich. Ich sehe solche Fabriken quasi tagtäglich von innen.

Nicht jeder Maschinenbediener muss CNC-Maschinen programmieren können. Eigentlich machen das dort nur sehr wenige Leute. Die meiste Arbeitskraft wird noch in den manuellen Hilfsarbeiten benötigt, zum Beispiel beim Be- und Entladen von Maschinen oder dem Aussortieren von Werkstücken. Oder es geht um einfache Montagehandgriffe, für die eine Maschine zu teuer wäre. All diese Arbeiten durch die Automatisierung stark an Bedeutung gewonnen, weil ja viel mehr Stückzahlen produziert werden.

Nicht vergessen darf man den enormen Verwaltungsaufwand, den eine solche Fabrik mit sich bringt. Für jeden Arbeiter sitzt mindestens noch ein Angestellter im Büro. Und dort muss man auch keine intellektuellen Meisterleistungen vollbringen, weil das ja alles auch stark durch IT unterstützt wird. Ich würde einmal sagen, dass 90% der Deutschen mit einer solchen Arbeit nicht überfordert wären.

Die haben irgendwann mal Verkäuferin oder etwas Ähnliches gelernt und saßen jahrelang an der Kasse. Eine Krankenschwester hat eine ganz andere Tätigkeit, braucht eine richtige Ausbildung mit komplexen medizinischen Inhalten und muss im Beruf auch oft Dinge machen, die vielleicht vielen unangenehm sind. Das, was eine Krankenschwester leistet, kann nicht einfach irgendeine Kassiererin übernehmen.

Ich sage ja auch nicht, dass alle Leute den Job sofort wechseln würden. Aber es verlieren ja auch nicht gleich alle Kassiererinnen gleichzeitig ihren Job. Das ist ein Übergang, der viele Jahre oder sogar Jahrzehnte dauert. Dazu müssen die wenigsten Leute ihren Job wechseln. Das erledigt sich über die natürliche Fluktuation. Man stellt einfach weniger Nachwuchs in dem Bereich ein, der landet damit in anderen Bereichen.

Ich wollte damit nur sagen, dass die Leute, die an den Kassen sitzen, theoretisch durchaus in der Lage wären, auch schwierigere Jobs zu machen, wenn sie noch einmal die Chance hätten, neu zu beginnen. Das heißt nämlich, dass deren Nachwuchs auch etwas anderes machen kann.

In manchen Bereichen geht aber auch ein schneller Übergang. Jede Kassiererin könnte sofort als Hilfsarbeiter in der Industrie anfangen. Da werden überhaupt keine speziellen Kenntnisse benötigt, oder man lernt sie innerhalb von wenigen Wochen.

Dass man im Kindergarten Erzieher mit ihrer zurecht langwierigen Ausbildung braucht, steht außer Frage. Aber wieso sollte eine Mutter nicht zumindest als Hilfskraft dort arbeiten können, wenn Personalknappheit besteht?

Ich habe auf meinem Arbeitsweg zwei Tankstellen, wo es schon einen Wart gibt, der einem beim Autowaschen hilft und die Vorwäsche macht. Das kostet da auch nicht mehr als bei den automatisierten Anlagen. Ich nehme an, dass sich die Tankstelle dann einfach den Tankwart leistet und dadurch auf etwas Profil verzichtet, den sie steigern könnten, wenn sie die Kosten senken. Aber vielleicht kommen dort auch mehr Leute hin, weil sie den Service schätzen und dadurch macht die Tankstelle mehr Umsatz.

Wenn es sich lohnt oder man nicht darauf angewiesen ist, dass es sich lohnt, gibt es das sicherlich hin und wieder noch. Das heißt aber nicht, dass das überall so funktionieren kann. Bei uns hier auf dem Lande wäre der Umsatz so gering und die Konkurrenz so groß, dass sich das keine Tankstelle leisten könnte.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Wohlstand kann man relativ betrachtet sehr unterschiedlich wahr nehmen. Wenn ich meine Situation mit der eines Milliardärs vergleiche, bin ich richtig arm. Ich persönlich ziehe den Vergleich mit allen Menschen auf der Welt vor, weil ich nicht der Meinung bin, dass ein Mensch in China oder Vietnam weniger wert ist. Und verglichen mit einer chinesischen Arbeiterfamilie geht es einem Hartz-IV-Empfänger eben sehr, sehr gut. Er spürt dem Wohlstand nur nicht, wenn er sich nur mit reicheren Leuten vergleicht.

Die Menschen in China oder anderen Entwicklungsländern sind nicht weniger wert, aber sie leben eben in einer vollkommen anderen Gesellschaft. Und ich finde, die kann man nicht mit Deutschland vergleichen. Da sind die Löhne insgesamt niedriger, die Arbeitsbedingungen sind schlechter, da wird nicht viel Wert auf Individualität gelegt. Es ist eine Gesellschaft, in der Leute teilweise in kleinen Lehmhütten hausen oder unter eigentlich erbärmlichen Bedingungen leben. Wobei das denen vermutlich gar nicht so schlimm vorkommt, denn für die ist es normal. Die können dennoch in ihrer Gesellschaft am Leben teilnehmen.

Wohlstand bemisst sich doch daran, ob man an der Gesellschaft, in der man lebt, richtig teilnehmen kann. Was sich ein Empfänger von ALG II davon in China leisten könnte, ist dafür doch egal. Und ein ALG-II-Empfänger kann bei uns eben nicht so richtig am Leben teilnehmen. Und für den ist es auch kein Trotz, dass es irgendwo auf der Welt anderen schlechter geht.

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