Kumpel wird im Job ausgenutzt will dennoch nicht kündigen
Mein Kumpel arbeitet bei einer Firma, die ihn absolut ausnutzt. Er muss ständig Überstunden machen, die dann auch nicht bezahlt werden und er muss eigentlich immer arbeiten. Fair ist das nicht und ich denke auch nicht, dass das rechtlich in Ordnung ist, aber darum soll es nicht gehen. Er ist psychisch ein bisschen labil und der Job macht ihn sehr fertig, was für seine Psyche zusätzlich schlecht ist.
Ich habe nun also mit ihm geredet und er meinte auch selber, dass er eigentlich schon lange nicht mehr kann und am liebsten gehen würde. Als ich ihm dann einen Ausweg gezeigt habe und meinte, dass er doch kündigen kann oder zumindest schon mal woanders Bewerbungen hinschicken kann, wollte er nicht kündigen. Er wollte tatsächlich in dem Job bleiben, weil er da alles kennt und sich nicht umstellen möchte.
Zudem hat er Angst das die Psyche noch schlimmer wird, wenn er woanders dann auch nicht klarkommt. Deswegen lässt er sich nun lieber ausnutzen. Was kann ich noch mit ihm machen, damit er sieht, dass es so nicht mehr geht? Muss ich einfach zusehen und ihn vor die Hunde gehen lassen? Besserung ist nicht in Sicht, es wird eher noch schlimmer werden.
Wie dämlich ist diese Aussage denn, er möchte nicht wechseln weil er meint es wird dann schlimmer? Was soll denn daran noch schlimmer werden, mehr als das er dort ebenfalls so ausgenutzt wird und behandelt wird wie ein Stück Vieh kann auch nicht passieren. Sicherlich ist es nicht schön zwei mal direkt hintereinander das gleiche bei verschiedenen Arbeitgebern zu erleben aber wie wahrscheinlich ist das schon? Da würde ich es doch lieber überhaupt einmal versuchen anstatt zu resignieren.
Aber auf so etwas müssen die Leute selbst kommen. Man kann von außen lediglich die anderen Wege aufzeigen, gehen muss sie die betreffende Person alleine. Du könntest höchstens noch ein paar Stellenangebote bei anderen Firmen heraussuchen und mit ihm zusammen Bewerbungen verfassen, wenn er denn möchte, mehr aber auch nicht. Ansonsten könnte es vielleicht auch hilfreich sein, wenn man ihn einmal zum Arzt schickt und er sich dort "ausweint". Dort kann ihm noch eine unbeteiligte dritte Person seine eigene Meinung dazu abgeben und entsprechend weitere Maßnahmen einlegen gegen die Depressionen.
Leider verschließen viele die Augen vor der Wahrheit, wenn es bereits bei einem Arbeitgeber so weit gekommen ist wie in diesem Fall hier beschrieben, dann wird auch keine Besserung eintreten wenn man nicht den Mund aufmacht. Und wenn man den Mund aufmacht, dann kann das auch gewaltig nach hinten los gehen. Somit ist es immer noch der einfachste Weg sich im Hintergrund etwas neues zu suchen, wenn man etwas hat zu kündigen und beim neuen Arbeitgeber einen Neustart wagen.
Ich verstehe diese Aussage auch nicht wirklich. Schlimmer kann es in so einer Situation doch wirklich nicht mehr kommen. Ich hatte mal einen Job, der mir schwer zu schaffen gemacht hat und ich habe da auch rechtzeitig die Reißleine gezogen und habe die Fliege gemacht bevor ich langfristig gesundheitliche und vor allen dingen psychische Probleme bekomme. Ich hatte da nie auch nur eine Sekunde Angst gehabt, dass mein darauffolgender Arbeitsplatz dieselben Probleme und Zustände hätte oder sogar noch schlimmer wäre von der psychischen Belastung.
Ich finde aber, dass man bei so etwas immer rechtzeitig Grenzen ziehen sollte. Wer keine Grenzen zieht und alles mit sich machen lässt, braucht sich hinterher nicht wundern, wenn die Kollegen und der Chef das so dann auch umsetzen und sich hinterher alles erlauben weil sie meinen, das wäre in Ordnung so und man käme damit durch.
Letztendlich muss der gute sich das selbst eingestehen. Er wird auf jeden Fall nichts ändern können, wenn er die Sache einfach nur aussitzt und nichts macht. Da wird es irgendwann mal den ganz großen Knall geben und dann ärgert er sich, dass er nichts unternommen hat. Genau das ist der springende Punkt. Er muss selbst etwas ändern, wenn er so unzufrieden ist. Das klingt immer sehr leicht gesagt, aber die Umsetzung selbst ist alles andere als das. Ich kenne diese Situation auch aus einem Übergangsjob. Dort habe ich ebenfalls gekündigt, weil mich die Firma nur ausgenutzt und regelrecht an der Nase herumgeführt hat.
Selbst zu kündigen stellt schon ein Problem dar, aber da will ich jetzt nicht weiter drauf eingehen. Wichtig ist, dass er etwas unternimmt. Genau genommen kann es ja eigentlich nur besser werden. Hier erkennt man auch den klassischen Fall der Angst vor Veränderung. Das ist nicht unbegründet, aber diese Angst verfliegt mit der Zeit relativ schnell, wenn man im neuen Job Fuß gefasst hat. An diese Position kann er aber nicht kommen, wenn er nichts macht. Das muss er selbst erkennen und selbst etwas daran ändern. Von alleine wird da nichts passieren, da kann er sich noch so lange ausnutzen lassen.
Ich kann die Gedanken des Kumpels leider nachvollziehen. Ich habe ähnliches gemacht. Wahrscheinlich mehr als einmal. Ich habe da auch teilweise einen hohen Preis für bezahlt. Ich befürchte, ich würde manches genauso wieder machen, wenn ich wieder in der Situation wäre. Obwohl ich immer wieder sage, an der und der Stelle hätte ich was ändern sollen.
Im Sommer 2004 arbeitete ich fast ein Jahr in einem Betrieb, in dem es mir nicht wirklich gut ging. Die Arbeitszeiten waren Thema für sich, aber Überstunden gab es eigentlich nicht. Nur die Arbeitszeitverteilung war Thema für sich. Noch mehr Thema für sich war meine Chefin, die den Beruf nie wirklich gelernt hatte und nun mich hatte, die einmal den Beruf gelernt hat und in mehreren Betrieben gearbeitet hatte und an sich über all was mitgenommen habe.
Es gab Zeiten, da konnte man ihr absolut nichts recht machen. Was heute toll war, war am nächsten Tag doof. Sich mit Kunden abfällig über mich unterhalten, obwohl sie wusste, ich bekomme es mit, war Standard. Aber das müsse nun mal so sein, die Kunden würden das erwarten. Und sie fuhr komplett die Schiene, nur ihr Weg ist der richtige. Und die Hetzerei ging teilweise so weit, dass die Kollegin schon fast eingegriffen hat oder auch ein anderer Angestellte klar sagte, dass ich das gar nicht gewesen sein kann.
Kurz vor den Betriebsferien fanden meine Kollegin und ich, für alle sichtbar!, die Berwerbungsunterlagen einer neuen Verkäuferin auf dem Tisch. Ich ärgere mich heute, dass ich mir die Telefonnummer nicht notiert habe und die Kollegin vorgewarnt habe. Am letzten Arbeitstag vor den Betriebsferien meinten unsere Arbeitgeber mit ernstem Gesicht, man müsse mit uns beiden Verkäuferinnen was besprechen.Die wirtschaftliche Lage und die Schweinefleischpreise und so weiter, man kann mich aus wirtschaftlichen Gründen nicht weiter beschäftigen. Ich war nach den Ferien noch ein paar Tage da und hielt bis zum letzten Arbeitstag durch.
Ich war oft am überlegen zu kündigen. Aber ohne neuen Job wollte ich das nicht machen. Mich kostete es aber enorm viel Kraft den Job zu machen, weshalb ich an meinem freien Tag nur fertig war. Da war keine Kraft, um mir was Neues zu suchen.
Im Januar drauf hatte ich endlich einen neuen Job. Der Probearbeitstag lief schon bescheiden. Ich wäre ein schlechter Mensch, weil ich das falsche Sternzeichen habe. Ich hab den Job trotzdem genommen, weil länger arbeitslos wollte ich auch nicht sein. Hätte ich die Stelle abgelehnt, wäre noch dazu mein spärliches Arbeitslosengeld gestrichen worden.
Die nächsten Monate setzten sich aus Mobbing zusammen. War auch irgendwann klar, dass die alteingesessenen Verkäuferinnen immer jemand zum Mobben brauchen. Und ab und an war jemand anderes dran. Aber keiner stellte sich mal hinter den anderen, sondern machte dann einfach mit. Da hielt ich mich allerdings raus, war nicht meine Welt.
Ich hatte mich am Anfang noch weiter beworben. Dann erkrankte meine Mutter an Krebs und ich hatte neben einem Vollzeitjob noch eine kranke Mutter zu versorgen. Und wehe ich kümmerte mich nicht, dann rief mein Vater auf der Arbeit an und setzte mich unter Druck. Ich hätte es einfach nicht geschafft, mich auf einen neuen Job zu konzentrieren. Da wusste ich was ich machen muss und so weiter. Zeitweise gingen mir die Kommentare dann auch am Arsch vorbei. Später leider nicht mehr.
Als dann auch noch die Aushilfen gegen mich arbeiteten, statt mir zuzuarbeiten, dafür waren sie vorgesehen, gegen mich arbeiteten und nur darauf warteten, wann mich eine der Kolleginnen dafür fertig macht, eskalierte die Situation ganz. Ich suchte zwar noch Hilfe bei einer Kollegin, die aber mit der Dame gesprochen hatte, obwohl ich genau das nicht wollte. Die putzte mich dann zur Hauptzeit vor Kunden im Verkaufsraum runter.
Ich bin in den Wochen vorher teilweise nur noch zur Arbeit, nach dem ich mich selbst verletzt hatte. Anders wäre das damals nicht ertragbar gewesen. Ich bin auch am Tag nach dem Vorfall arbeiten gewesen, weil es ein Samstag war und ich es unfair den Kolleginnen gegenüber empfunden hätte. Und am Montag saß ich beim Arzt und beichtet zum ersten Mal einem Arzt meine Selbstverletzungen.
Heute weiß ich, ich hätte den Job gar nicht erst annehmen sollen. Beziehungsweise kündigen sollen, als mir die Doppelbelastung zu viel wurde. Ich wollte da zwar die Arbeitszeiten reduzieren, was aber finanziell nicht ging und ich von meiner Familie als faul betitelt wurde. Für mich endete das Beschäftigungsverhältnis in der Psychiatrie und schlussendlich in einer Rente. Wobei an sich nur Dinge zum Vorschein kamen, die vorher schon da waren, aber ich gelernt hatte damit zu leben.
Ich kann jeden verstehen, der einfach weiter macht, weil man nicht die Kraft hat, sich auf Neues einzustellen. Meine Jobaussichten damals waren schlecht. Hätte ich was Neues gefunden, wäre ich da frühzeitig wieder gegangen. Und je nach dem wie es gelaufen wäre auch mit einem Gelben Schein. Einfach zum runter kommen und neu orientieren. Mir hätte damals aber geholfen, wenn mich jemand an die Hand genommen hätte. Mit mir Bewerbungen geschrieben hätte oder so.
Ich denke auch, dass es einfach an der psychischen Verfassung deines Kumpels liegt, dass er einfach immer weiter macht, weil er eben da weiß, was er hat, aber in einem anderen Job wieder von vorne anfängt, alles kennenzulernen, auch wenn es vielleicht besser ist. Ich kann es nicht wirklich nachvollziehen, aber ich kenne solche Fälle auch, in denen die Leute lieber das behalten haben, was sie kannten, auch wenn sie es woanders besser gehabt hätten.
Ich denke, dass man da als Außenstehender nicht viel machen kann, weil der Impuls, doch mal den Job zu wechseln, von der Person selber kommen muss. Man kann nur immer wieder aufzeigen, dass es woanders bestimmt besser ist, aber der Wille muss eben da sein, die Bewerbung auch zu schreiben und die Sache durchzuziehen. In so einem Moment kann man als Freund oder Bekannter nur versuchen, die Person zu unterstützen, damit sie in dem Job nicht vollkommen unter die Räder kommt und sich wenigstens außerhalb des Jobs wertgeschätzt fühlt.
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