Krankhaft wenn man eigene Fantasie als Realität ansieht?

Es gibt Menschen, die in manchen Situationen einfach nicht sehen, was in ihrer Fantasie abläuft und was wirklich die Realität ist. Die Tochter einer Bekannten war deswegen auch in Behandlung bei einem Psychologen, weil sie so viel Fantasiegeschichten erzählt, die andere dann als Wirklichkeit empfinden.

Schon in der Schule hat sie Krankengeschichten über sich selbst erzählt, obwohl sie kerngesund war. Später hat sie sich einen Ehemann fantasiert und hat Leuten, die sie gerade kennengelernt hat auch von ihrer intakten Ehe erzählt, obwohl sie eigentlich Single ist. Sie hat sich selbst den Ring gekauft. Es war teilweise wohl auch gruselig.

Nun habe ich mich neulich mit einer anderen Bekannten unterhalten und sie meint, dass ihre Nachbarin völlig "verrückt" wäre, weil die auch sichtliche Fantasiegeschichten erzählt und es einfach nicht stimmen kann, was sie erzählt. Sie wohnt alleine und sie meint dann manchmal, dass sie unbedingt nach hause muss und für ihre Familie kochen muss. Auch so erzählt sie Sachen, die man kaum bis gar nicht glauben kann.

Ab wann würde man sagen, dass es krankhaft ist, wenn man Fantasie und Wirklichkeit derart vermischt, dass man selbst daran glaubt, dass es so ist. Sollte man dann als Außenstehender reagieren oder die Menschen fantasieren lassen? Wie geht man mit solchen Menschen um?

Das ist ein Thema, über das ich mir bisher noch keine Gedanken gemacht habe, weil ich bisher noch keine solchen Menschen mit stark ausgeprägter Fantasie sowie Realitätsverlust getroffen habe. Ich frage mich, wie solche Menschen dann reagieren würden und würde davon dann meine Strategie abhängig machen.

Wenn man feststellt, dass sie eher aggressiv und launisch wird, wenn man ihre Geschichten in Frage stellt und sie vielleicht auch mit Beweisen konfrontiert, dass sie gar nicht die Wahrheit sagen kann, dann würde ich so tun als würde ich diese Geschichten glauben - aus Sicherheitsgründen.

Die Frage, die ich mir am ehesten stelle, ist die, ob die Leute diese alternative Wahrheit wirklich glauben oder irgendwo wissen, dass das nicht die Realität ist. Es könnte schon auch eine Psychose sein, aber wahrscheinlicher hört es sich für mich nach Pseudologia Phantastica, der Pseudologie, an. Die Leute können gar nicht anders, das Lügen ist für sie zum Zwang geworden und es stimmt schon, irgendwann vermischen sich für die Betroffenen ihre Lügen mit der Realität und alles wird eins.

Mir hat mal jemand mit dieser Konstitution erzählt, sie könne gar nicht anders und manchmal wisse sie nicht, ob das, was sie da zwanghaft an kruden Stories zum Besten gab, nicht vielleicht doch genau so passiert ist. Ein anderes Mal ist die Scham später groß, wieder die Unwahrheit erzählt zu haben und ein tolles Leben oder eine aufregende Geschichte erfunden zu haben, selbst wider besseren Wissens.

Solange die Nachbarin niemanden mit vorgehaltenem Messer bedroht und fürchtet, man könne ein Angreifer für ihre imaginäre Familie sein, kann man da nichts machen. Und keiner in dieser Schilderung steht ihr nahe genug, um sie zu einer Therapie zu bewegen. Aufs Lügen ansprechen lohnt sich auch nicht, denn ein Pseudologe verteidigt seine Lüge meistens bis aufs Blut oder ist bis auf die Knochen beschämt, kann aber trotzdem alleine willentlich nichts ändern. Man sollte sie nicht versuchen zu überführen, das führt nur zu unnötiger Demütigung. Nur wer dem Menschen wirklich nahe steht, kann sie darauf ansprechen und läuft selbst dann noch Gefahr, weiter belogen zu werden.