Krankenstand verdient haben?
Ich habe letztens einen Artikel über Krankenstand gelesen und da stand wortwörtlich, dass über 40 Prozent der Arbeitnehmer (jedenfalls in Österreich) einmal im Jahr in den Krankenstand gehen. Und zwar nicht, weil sie wirklich krank sind, sondern weil sie der Meinung sind, dass sie es sich "verdient" haben.
Und wie es das Prinzip von Synchronizität und Zufall so möchte, sprach ich letztens mit einer Kollegin, die ebenfalls meinte, dass sie wahrscheinlich jetzt bald einmal in den Krankenstand gehen würde, weil sie es sich "verdient" hätte. Also natürlich ist "blau" machen strafbar. Denkt ihr aber auch, dass viele Menschen einfach "blau" machen, weil sie eine Pause brauchen und der Meinung sind, dass sie es sich verdient haben?
Oder meint ihr, dass die Statistik an den Haaren herbei gezogen ist und solche Menschen, die dieser Meinung sind, die Ausnahme darstellen?
Erst einmal muss ich sagen, dass das bei uns im Betrieb nicht so einfach möglich wäre, weil man schon ab dem ersten Tag der Krankheit eine Krankmeldung braucht. Abgesehen davon finde ich eine solche Statistik ehrlich gesagt schon erschreckend und die Ansicht deiner Kollegin auch. Verdient hat man meiner Meinung nach Urlaub, aber nicht noch zusätzlichen Urlaub, den man sich einfach nimmt und sagt, man sei krank.
Ich kenne so eine Einstellung gar nicht und es würde mich ehrlich gesagt ziemlich sauer machen, wenn ich es von Kollegen wüsste, dass diese zwar krank gemeldet sind, aber eigentlich nur meinen, mal einen freien Tag verdient zu haben. Dann braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn Arbeitgeber vielleicht auch mal ungläubig reagieren, wenn die Angestellten sich krank melden.
Ich finde hier gar nichts "erschreckend". Ich selber habe zwar auch erziehungsmäßig einen ziemlich ausgeprägten Arbeitsethos mitbekommen und könnte einen Krankenstand, ohne mich wirklich krank zu fühlen, gar nicht genießen und zum Ausspannen nutzen können, weil mich das Gewissen umtreiben würde. Aber objektiv gesehen kann ich schon verstehen, dass viele andere Arbeitnehmer das Ganze etwas lockerer sehen.
Beispielsweise sind die Zeiten, wo man 50 Jahre im selben Betrieb gearbeitet hat und sich so etwas wie eine gegenseitige Loyalität eingestellt hat, lange vorbei, wenn es sie je gegeben hat. In meinen Augen sind große Teile der arbeitenden Bevölkerung in den Augen ihrer Arbeitgeber reines "Menschenmaterial", welches man mit dem gesetzlichen Minimum an Lohn und sonstigen Leistungen abspeist und aus dem man im Gegenzug ein Maximum an Leistung herauspressen möchte bzw. möglichst schnell und kostengünstig die Leute wieder los werden, wenn sie sich nicht maximal rentieren.
Und die Arbeitnehmer bekommen das ja mit, wenn sie dem Unternehmen weniger als nichts gelten und sehen entsprechend im Gegenzug auch nicht ein, sich aufzuopfern und fangen das Tricksen an. Oder aber man wartet nicht, bis man sich einen Burn-out einfängt und monatelang ausfällt, sondern nimmt zwischendurch mal ein paar Tage für die geistige Gesundheit frei. Beides ist natürlich objektiv gesehen falsch, aber es ist auch vieles "falsch", was sich die niederen Chargen auf dem Arbeitsmarkt gefallen lassen müssen, und da schlägt auch keiner die Hände über dem Kopf zusammen.
Wenn die Leute ausgebeutet werden, ist das anscheinend toll und sie sollten sich wohl noch bedanken, überhaupt eingestellt worden zu sein, und wenn sie sich umgekehrt nicht bis aufs Blut aufarbeiten, wird gleich mit dem moralischen Zeigefinger gewedelt. Ich sehe das mittlerweile erheblich entspannter, nachdem ich ein paar Jahre in der Arbeitswelt in den Knochen habe und sehe, wie man mit kompetenten, alt eingesessenen und loyalen Mitarbeitern so umspringt. Kein Wunder, dass die "krank" werden.
Ich finde es auch nicht erschreckend, man muss auch mal daran denken, wie sehr einen eine Vollzeittätigkeit im Leben einschränkt. Wie viel Zeit man auf Arbeit verbringt. Als ich in Vollzeit gearbeitet habe, kam ich ansonsten zu kaum etwas. Ich habe es nicht geschafft, Arzttermine wahrzunehmen, weil ich entweder schon auf Arbeit sein musste, wenn der Arzt geöffnet hatte oder immer noch. Dann wird noch erwartet, dass man unbezahlte Überstunden macht und immer mehr Aufgaben übernimmt, ohne dass man dafür auch mehr bezahlt wird. Man wird oft einfach nur ausgebeutet und verheizt.
Standardmäßig hat man nur 24 Urlaubstage und das ist nicht viel, wenn man es parallel zur Arbeit nicht schafft, Termine wahrzunehmen. Denn dann muss man sich auch einen Tag frei nehmen, wenn man etwa zum Arzt muss oder man einen Behördentermin hat - hat man ja sonst keine Zeit für. Mit 24 Tagen Urlaub kann man zu Weihnachten zwei Wochen frei nehmen und dann nochmal wann anders und hat noch vier Tage für Termine etc., dann ist der Urlaub schon alle. Das finde ich nun nicht berauschend viel. Ich hatte bisher noch keinen Arbeitgeber, der mir mehr Urlaub als das gesetzliche Minimum zugesprochen hat und das wurde auch im Laufe der Jahre nicht mehr.
Ich finde daher nicht, dass man sich für seinen Arbeitgeber aufopfern muss. Man wird für etwas bezahlt, das man da macht, aber die Bedingungen sollten auch stimmen und so etwas wie unbezahlte Überstunden sollte es eigentlich gar nicht geben. Wenn der Arbeitgeber nicht fair ist, dann muss man es auch nicht sein und dann hat man es schon verdient, sich mal eine Auszeit zu gönnen, bevor man ausbrennt.
Zitronengras, wieso hattest du nur den gesetzlichen Urlaubsanspruch? Wenn die 24 Tage für vier Wochen und vier Tage arbeitsfrei reichen, dann hattest du eine Fünftagewoche. Mindesturlaub hat man vier Wochen, das entspricht bei fünf Arbeitstagen 20 Urlaubstagen, weil man für eine Woche nur fünf Urlaubstage verbraucht. 24 Tage sichern die vier Wochen bei sechs Arbeitstagen, du hattest also immer vier Tage mehr?
Und so liegt das Problem beim Arztermin? Wenn der nur während der Arbeitszeit stattfinden kann, muss der Arbeitgeber einen bezahlt freistellen. Warum nimmt man für so eine Sache einen Urlaubstag? Das empfinde ich nun nicht als schlüssiges Argument für "verdiente" Krankentage.
Mir sind die so genannten "Helden der Arbeit" irgendwie suspekt. Da bekommt man fast den Eindruck, dass diese fast bis zur Selbstaufgabe ackern für den Chef. Das kann doch nicht richtig sein, mal ehrlich. Wenn man genug Freiheiten auf Arbeit hat und sich da auch nicht ausgebeutet oder unfair behandelt fühlt, ist das eine Sache. Ich kenne aber genug Betriebe, wo das eben anders läuft und wo man als Arbeitnehmer eben aufpassen muss, dass man eben nicht ausbrennt oder psychische Probleme durch den ganzen Stress bekommt. Auch genehmigt der Chef ja nicht immer jeden Urlaub. Soll man sich etwa zur Arbeit quälen, weil man keinen Urlaub genehmigt bekommen hat?
Ich war auch schon vor Jahren wegen Überarbeitung beim Hausarzt und habe mich zwei Wochen krank schreiben lassen, weil ich zu viel Stress auf Arbeit hatte und gar nicht zur Ruhe gekommen bin. Warum sollte ich das nicht ausnutzen? Urlaub hätte ich damals sowieso nicht bekommen, daher habe ich keine andere Lösung gesehen. Es tat doch letzten Endes keinem weh, also verstehe ich nicht warum das so schlimm sein sollte. Der Chef wird nicht auf seine Mitarbeiter achten. Man kann nur selbst auf sich achten, sonst tut es keiner.
Zitronengras, wieso hattest du nur den gesetzlichen Urlaubsanspruch? Wenn die 24 Tage für vier Wochen und vier Tage arbeitsfrei reichen, dann hattest du eine Fünftagewoche. Mindesturlaub hat man vier Wochen, das entspricht bei fünf Arbeitstagen 20 Urlaubstagen, weil man für eine Woche nur fünf Urlaubstage verbraucht. 24 Tage sichern die vier Wochen bei sechs Arbeitstagen, du hattest also immer vier Tage mehr?
Ich frage mich, was du damit bezwecken willst. Konzentriere dich doch mal auf die Grundaussage, anstatt mir irgendwelche Sachen vorzurechnen. Und die Grundaussage ist, dass der Urlaub eben nicht sehr viel ist und schnell verbraucht ist und nicht wie viele Tage ganz exakt nun wer unter welchen Bedingungen Urlaub hat.
Und so liegt das Problem beim Arztermin? Wenn der nur während der Arbeitszeit stattfinden kann, muss der Arbeitgeber einen bezahlt freistellen. Warum nimmt man für so eine Sache einen Urlaubstag? Das empfinde ich nun nicht als schlüssiges Argument für "verdiente" Krankentage.
Schön, wenn das angeblich so sein sollte, aber es hat mich bisher noch nie ein Arbeitgeber wegen Arztterminen frei gestellt. Als ich mal direkt danach gefragt habe, hieß es, ich solle Urlaub dafür nehmen. Was sollen denn da immer deine komischen Nachfragen dazu? Was möchtest du damit bezwecken? Wenn das rein theoretisch irgendwo geregelt ist, dass man freigestellt werden muss - toll. Aber was nützt das einem Arbeitnehmer, wenn der Chef einen eben dennoch nicht freistellt? Soll ich dann meinem Boss mit der Pistole hinterherlaufen und ihn zwingen, mich freizustellen? In irgendwelchen Gesetzen kann viel Schönes drin stehen, das nützt einem aber nichts, wenn es in der Firma nicht so gemacht wird.
Immer diese Sticheleien von dir! Du kannst dir doch denken, dass man sich gerne freistellen lassen würde, wenn das so einfach gänge und wenn ich schreibe, dass ich Urlaub für Arzttermine nehmen musste, dann ist doch klar, dass ich mich nicht freistellen lassen konnte. Natürlich hätte ich lieber eine Freistellung genommen, anstatt meinen Urlaub dafür einzusetzen. Aber es war halt nicht drin und da brauchst du mir auch nicht mit irgendwelchen Dingen kommen, die der Arbeitgeber eigentlich tun müsste. Wenn er es nunmal nicht macht, kann man da auch nichts gegen unternehmen.
Es kommt sicherlich drauf an, wie und wonach man denn entscheidet, was es heißt einen Krankenschein zu verdienen. Wenn man krank ist, dann verdient man sicherlich, ein paar Tage zu Hause zu bleiben und sich eben auszuruhen. Aber es gibt ja nicht nur die Krankheiten wie eben Grippe, sondern auch einfach, wenn man durch Erschöpfung einfach am Limit ist. Wie Täubchen schon schrieb und nicht zur Ruhe kommt und vielleicht Gefahr läuft ein Burn Out zu erleiden. Ich denke, dass man sich dann durchaus den Krankenstand verdient hat, um einfach ein bisschen Abstand zu bekommen und sich erholen zu können.
Einfach nur eine Krankschreibung einzureichen, weil man mal ein bisschen entspannen möchte oder keine Lust hat zu arbeiten, finde ich nicht in Ordnung. Ich denke aber, dass sich viele gar nicht trauen, sich mal krank schreiben zu lassen. Viele haben dann ja durchaus Angst ihren Job dadurch zu verlieren.
Ganz ehrlich - wenn ich den ganzen Sommer durch gearbeitet habe bin ich schon der Meinung, dass ich mir die Krankschreibung verdient habe wenn mich im Herbst die erste Erkältung ereilt. Ich würde jetzt nicht zum Arzt gehen wenn mir überhaupt nichts fehlt und dort irgendeine Show abziehen, aber ein kleines bisschen übertreiben und das Make-up weg lassen, damit ich richtig schön blass aussehe, ist schon legitim, finde ich.
Moralische Bedenken habe ich keine. Ich arbeite in einem Team und würde meine Kollegen nie hängen lassen. Zur Not bin ich für die trotz Krankenschein erreichbar.
Nelchen hat geschrieben:
Einfach nur eine Krankschreibung einzureichen, weil man mal ein bisschen entspannen möchte oder keine Lust hat zu arbeiten, finde ich nicht in Ordnung. Ich denke aber, dass sich viele gar nicht trauen, sich mal krank schreiben zu lassen. Viele haben dann ja durchaus Angst ihren Job dadurch zu verlieren.
Bei uns im Büro herrscht eher die gegenteilige Einstellung, möglichst immer zur Arbeit zu kommen, selbst bei Krankheiten mit deutlichen Krankheitszeichen. Da schleppen sich die Leute noch ins Büro, wenn sie vor Husten kaum reden können oder schon Fieber haben. Mein Teamleiter hat schon gelegentlich den einen oder anderen per Anordnung nach Hause geschickt, weil er freiwillig nicht daheim geblieben wäre.
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