Kostenlose öffentl. Verkehrsmittel als Alternative zum Auto?
Eine Nachbarstadt meines Wohnortes hat aktuell ihr Angebot "erneuert". Ab sofort sind die Stadtbusse für alle Nutzer auf allen Linien kostenlos. Begründet wird das unter anderem damit, dass vor allem die Innenstadt vom großen Verkehrsaufkommen geschützt und somit auch etwas zur Klimapolitik beigetragen werden soll.
Ich persönlich finde das eine tolle Idee, befürchte aber, dass die Busse trotzdem nicht wesentlich öfter von bisherigen Autofahrern genutzt werden. Würdet ihr freiwillig vom Auto auf den Bus umsteigen wenn ihr die Möglichkeit hättet, diesen kostenlos zu nutzen oder ist euch die zeitliche Flexibilität und Mobilität (es gibt ja nicht vor jeder Haustüre eine Bushaltestelle) mit dem eigenen Auto wichtiger?
In Luxemburg gibt es das ja schon länger, dass der öffentliche Nahverkehr teilweise kostenlos ist. Aber dort ist er auch deutlich besser aufgebaut, außer du lebst mitten auf dem Land. Aber auch dort fahren Bus und Bahn zuverlässiger als hier. Ich persönlich würde also nicht auf das Auto verzichten, nur um auf ein öffentliches Verkehrsmittel zurückzugreifen.
Ich brauche mit dem Bus eine Stunde zur Arbeit, mit dem Auto 15 Minuten. Bis zum Krankenhaus brauche ich auch eine Stunde, mit dem Auto 20 Minuten. Einkaufen für den Wocheneinkauf ist mit Bus und Bahn nahezu unmöglich, der Supermarkt ist halt auch recht weit entfernt, außer ich fahre zum deutlich teureren Real. Also alleine aus zeitlichen Aspekten wird aus der Nutzung des öffentlichen Transportwesens nichts. Ich schlafe dann am Morgen lieber 15 Minuten länger und fühle mich dann fitter.
Für kurze Strecken kann ich auf das Auto verzichten. Zum kleinen Netto um die Ecke, zur Apotheke, zum Arzt, für solche Dinge verzichte ich auf das Auto. Manchmal gehe ich am Samstag auch zu Fuß in die Stadt, schleppe meinen Rucksack mit mir herum und gehe so shoppen und wandere dann wieder zurück. So kaufe ich weniger, habe was für mich getan und war klimafreundlich unterwegs, auch wenn Shopping eher als klimaunfreundlich abgetan wird.
Ich denke, dass jeder sein Möglichstes fürs Klima tut. Dass wir nicht aufs Auto verzichten, ist halt so, aber dafür achten wir in anderen Dingen auf den Umweltschutz. Wir verzichten soweit wie möglich auf Plastik, wir achten auf Mülltrennung und versuchen Dinge zu verbrauchen. Wir kaufen Manches neu und benutzen es bis es kaputtgeht. Wir haben das Dach neu isolieren lassen, so müssen wir weniger heizen. Auch mit Kleinigkeiten kann man klimafreundlich unterwegs sein, manche Dinge fallen jedoch so im Alltag gar nicht auf, obwohl sie vollkommen normal geworden sind.
Die Frage ist doch nicht einmal die, ob dadurch einer Kommune Einnahmen fehlen würden, wenn sich dies zum Beispiel klimapositiv auswirken würde. Da wäre ich voll für und in Riga, Luxemburg und anderen Ländern/Städten gibt es das schon länger, wo die Wirkung auch sehr positiv zu bewerten ist. Gleichwohl diese Länder sowie Städte wohl kaum derart viel Co2 ausstoßen wie wir und andere Länder, die mal ihren Arsch mehr hoch kriegen müssten.
Eine andere Problematik sehe ich eher, wie mein Vorposter es schon eindrucksvoll zeigt. Öffentliche Verkehrsmittel bringen Person A oder B innerhalb von 30 bis 1,5 Stunden zur Arbeit. Wer mit dem Auto dann nur 10 oder 15 Minuten benötigt, welchen Anreiz gibt man denen dann, um den länger dauernden Bus zu nutzen? Ergibt ja auch kein Sinn, wo man morgens 10 Minuten länger daheim bleiben kann, im Winter nicht in der Kälte steht usw.
Während gleichzeitig natürlich auch Verspätungen, Ausfälle, Unfälle die zu Staus führen usw bei öffentlichen Verkehrsmitteln keine Seltenheit in meiner Großstadt sind. Baustellen eine Nase lang erschweren das durchkommen der Bahnen und dann kommt gerne mal der brechend überfüllte Schienenersatzverkehr in Form eines Busses. Somit hat sich das Thema Pünktlichkeit nicht selten erledigt, stressfrei zur Arbeit/Schule kommen etc. ebenso.
Notfälle, wenn man sich das Bein bricht, fahre ich nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln noch 10-15 Minuten umher. Und ja, ich habe mir schon mehr als nur einmal etwas gebrochen und bin dann gemütlich ins Krankenhaus gegangen. Das liegt aber auch nur 1 Kilometer Fußweg von mir weg und das zweite 2 Fußkilometer und ein Drittes in anderer Richtung ebenfalls 2 Fußkilometer. Danach kommt jedoch das Klinikum, wo ich 30 Minuten mit öffentlichen fahren müsste und 10 Minuten mit dem Auto. Und sehr häufig wird man genau in das „Scheiß-Krankenhaus“ verlegt.
Ist alles eben auch eine Sache der Umgebung, der Gegebenheiten, der Möglichkeiten von A nach B schnell und öffentlich zu gelangen. Das Auto muss dafür eben uninteressanter und gleichwertig schnell/langsam sein, als das man auf die Privatsphäre im eigenen Auto mit der eigenen musikalischen Unterhaltung verzichtet.
Wir leben in der Stadt und habe eine Straßenbahnhaltestelle quasi direkt vor der Tür. Bis zur Innenstadt sind es ca. 2 Kilometer und ich nutze die Straßenbahn eigentlich nie. Ich könnte ja mit dieser sowohl ins Grüne an einen Waldrand fahren als auch zu Sehenswürdigkeiten unserer Stadt und eben auch in die Innenstadt, aber ich zahle für die besagte Strecke in die Innenstadt (2 Kilometer!) 3 Euro für eine einfache Fahrt, hin und zurück entsprechend 6 Euro!!
Dafür kann ich schon ein Stück mit dem Auto fahren und auch noch Parkgebühr zahlen oder eben, wie ich es eigentlich immer mache, in die Stadt laufen und dort die 6 Euro sinnvoller ausgeben. Zumal die 6 Euro ja auch dann nur für mich alleine sind.
In der Stadt erledige ich eigentlich eh alles zu Fuß (Supermarkt Einkauf, Arztbesuche, Apotheke, diverse andere Einkäufe, usw.), aber ich würde sicherlich das ein oder andere Teil mehr in der Innenstadt kaufen, wenn ich kostenlos mit der Bahn fahren könnte. Es wäre sehr entspannt mal einfach mit einer Freundin dort zu treffen oder mit meinem Mann abends einfach nochmal durch die Stadt zu bummeln oder auch den Weihnachtsmarkt etc zu besuchen. Parkplatz suche oder auch zu Fuß laufen (gerade wenn man dann noch auf die andere Seite der Innenstadt möchte) hemmt doch ein wenig.
Da ich als Großstadtbewohner gar kein Auto besitze, stellt sich für mich die Frage nicht. Ich bin seit Jahren ein fast ausschließlicher Nutzer der öffentlichen Verkehrsmittel und komme sehr gut damit klar. Ehrlich gesagt würde mich gerade im städtischen Raum ein Auto eher nerven. Schon allein die leidige Parkplatzsuche finde ich ziemlich lästig, aber auch das drängelige Fahren auf den Straßen mit dichtem Verkehr finde ich alles andere als angenehm. Da springe ich lieber kurz in die Tram und komme in der Regel ziemlich pünktlich und entspannt an mein Ziel.
Wenn wir bei meinem Partner im Stadtgebiet mit Straßenbahn oder Bus unterwegs sind kostet uns das zehn Euro, mit dem Auto bezahlen wir höchstens die Hälfte. Also für Parkgebühren und Benzin. Von daher sind die Kosten schon ein Faktor wenn ich mit mehreren Leuten unterwegs bin und mir überlege ob wir mit dem Auto oder mit der Bahn fahren. Jedenfalls wenn Parkmöglichkeiten am Ziel vorhanden sind. Von daher wären die kostenlosen öffentlichen Verkehrsmittel auf jeden Fall ein Anreiz.
An meinem Wohnort sieht die Sache aber anders aus. Da ist der öffentliche Nahverkehr nicht so wirklich toll. Die Fahrpläne sind sehr auf Schüler und Berufstätige mit üblichen Arbeitszeiten ausgelegt und deshalb fahren hier Abends und Nachts und an den Wochenenden kaum Busse. Und eine Bushaltestelle habe ich auch nicht in der Nähe. Das wäre mir auch bei einem kostenlosen Angebot wohl zu zeitaufwendig.
Ich finde, dass ein kostenloser öffentlicher Nahverkehr durchaus ein erster Schritt wäre, um die Klimabelastungen zu reduzieren. Klar, wird das auf dem Dorf derzeit kaum helfen. Aber ein Großteil der Emissionen entstehen doch in der Stadt. Und dort sind die öffentlichen Verkehrsmittel doch auch ausreichend. Unter Umständen legt man damit Wege sogar deutlich schneller zurück als mit dem eigenen Auto.
Ich sehe allerdings momentan das Problem, dass die öffentlichen Verkehrsmittel in den großen Städten häufig schon jetzt am Rande der Kapazitätsgrenzen fahren. Würde der öffentliche Nahverkehr kostenlos werden und daraufhin viele weitere Fahrgäste in Busse und Bahnen drängen, würden wohl viele Systeme zunächst einmal zusammenbrechen. Man müsste sich wohl vorher über entsprechende Kapazitätserweiterungen Gedanken machen und diese auch rechtzeitig umsetzen (also: mehr und größere Fahrzeuge, mehr Personal, Ausbau der Strecken etc.)
Klar müssten die Kapazitäten ausgeweitet werden. Das müsste unbedingt passieren. Denn was will man mit einem Bus, in den man ohnehin nicht mehr reinpasst? Und Platz auf den Straßen müsste dann ja auch wieder etwas mehr zur Verfügung stehen, sodass mehr öffentliche Verkehrsmittel erträglich wären.
Ich habe das Privileg, Straßenbahn, Bus und S-Bahn quasi direkt vor der Haustüre zu haben und überhaupt kein Auto zu brauchen. Daher wäre es natürlich toll, wenn die öffentlichen Verkehrsmittel umsonst wären. Ich würde jeden Monat fast 60 Euro sparen. Und das müssten dann die Leute mitfinanzieren, die dringend ein Auto brauchen. Das wäre in meinen Augen nicht fair.
Wenn jemand in der Stadt trotz viel Verkehrs Auto fährt, wird er wahrscheinlich auch nicht auf die Öffis umsteigen, wenn sie umsonst sind. Die Kosten für ein Auto sind doch jetzt wahrscheinlich schon höher, wenn man sie nicht schönrechnet und Verschleiß und andere Dinge dazurechnet. Die meisten kalkulieren ja nur mit den Benzinpreisen.
Allerdings finde ich, dass die Öffentlichen billiger werden müssten und Kinder umsonst fahren dürften, damit einkommensschwache Haushalte entlastet werden. Aber ein bisschen was sollte man schon dafür bezahlen, wie oben schon dargelegt, aus Gründen der Gerechtigkeit.
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