Konnten eure Eltern euch leicht loslassen?
Ich sehe oft, dass es vielen Eltern schwer fällt ihre Kinder, wenn sie "flügge" werden, loszulassen. Die Eltern eines guten Freundes von mir, studiert in einer anderen Stadt. Aber er kommt immer wieder "nach hause" um zu waschen oder um zu essen. Die Mutter gibt ihm auch das Gefühl, dass er es alleine nicht schafft und bequemer kann man es ja nicht haben. Neulich hat er die Wäsche in die Waschmaschine von einem Kumpel getan und da hat die Mutter zig mal angerufen, warum er nicht kommt und sie doch immer auf ihn wartet usw.
Auch bei meiner Freundin ist es so, dass die Mutter sie einfach nicht loslassen kann. Sie wohnt schon seit einiger Zeit mit ihrem Freund zusammen und ständig steht die Mutter vor ihrer Haustür und will sie besuchen. Meine Eltern sind da anders. Sie sehen, dass ich erwachsen geworden bin und sie akzeptieren auch, dass ich nicht immer zu ihnen komme. Sie meinen auch, dass es eben der Lauf der Dinge ist. Aber sie haben auch noch meine beiden Brüder zu hause, die noch jünger sind.
Mir fällt es immer wieder auf, dass es oft bei Einzelkindern so ist, dass die Eltern, und meist die Mutter, sie nicht loslassen können. Konnten eure Eltern euch gut loslassen? Wie hat es ausgeschaut, als ihr zu hause ausgezogen seid? Haben eure Eltern geweint?
Ich glaube da liegt an der Einstellung der Eltern zum Leben. Meinen Eltern ist weder mein Auszug noch der meiner Schwester schwer gefallen. Sie haben akzeptiert das wir erwachsen sind und unser eigenes Leben führen wollen. Sie haben uns immer unterstützt wenn wir Hilfe brauchten und sie verlangt haben, aber ansonsten konnten wir unsere eigenen Erfahrungen machen.
Ich denke die Frage ob Eltern leicht loslassen können oder nicht hängt im wesentlichen von deren Lebensplanung ab. Mein Vater war immer Vollzeit beschäftigt und hat das Geld nach Hause gebracht. Meine Mutter hat sich die ersten ca. 10 Jahre um uns gekümmert und war Hausfrau. Danach ist sie wieder ein paar Stunden arbeiten gegangen. Das war so der erste Schritt in ein von den Kindern gelöstes Leben. Mit steigendem Alter haben sie uns öfters mal alleine gelassen und sind wieder essen gegangen, was vorher ohne Babysitter eben nicht möglich war. Das hat sich immer mehr gesteigert, bis sie schließlich einen Tanzkurs angefangen haben und ohne uns in den Urlaub gefahren sind. Da waren wir schon fast erwachsen.
Jetzt ist mein Vater seit ein paar Jahren Rentner und sie fahren öfters in den Urlaub, gehen regelmäßig in die Sauna und zum Tanzkurs. Sie treffen sich regelmäßig mit Freunden und verbringen Zeit mit ihren Enkelkindern. Sie führen also auch ohne Kinder ein erfülltes Leben. Ihr würde niemals einfallen unsere Wäsche zu waschen, da sie ihre Zeit lieber sinnvoll für sich nutzt (Notfälle natürlich ausgeschlossen, da würde sie selbstverständlich helfen).
Bei Eltern die so an ihren Kindern klammern, ist es häufig so, dass die Kinder der absolute Lebensinhalt sind und wenn der auszieht bleibt eben nur noch Leere zurück. Wenn die Eltern und speziell die Mütter es dann nicht schaffen, diese Leere mit anderen Dingen zu füllen. Oft gehen Beziehungen dann in die Brüche weil eben das Bindeglied in Form der Kinder fehlt. Man weiß nichts mehr mit dem Partner anzufangen und merkt dann eben das man nichts mehr zu tun hat im Leben.
Helikoptereltern - das Thema ist gerade ziemlich aktuell - auch durch den neuen Kinofilm von Anke Engelke. Eltern, die ihrem Kind alles abnehmen, es vor allem schützen möchten und damit kaum zur Selbstständigkeit erziehen.
Meine Eltern waren/sind glücklicherweise nicht so. Ich weiß, dass ihre Tür mir immer offen steht, aber dennoch haben sie mich immer meinen Weg gehen lassen. Ich habe mich immer behütet, aber auch von jüngster Kindheit an sehr ernst genommen gefühlt. Das ist auch heute noch so. Ich wohne seit 3 Jahren alleine und relativ weit weg von zu Hause.
Meine Eltern haben mich in der Wohnungssuche unterstützt, waren aber nie bevormundend. Ich habe mir alleine meinen Wohnstand zusammengesammelt und mache seitdem meinen Haushalt alleine. Das habe ich zum Glück früh von meiner Mutter gelernt.
Ich finde es schrecklich, dass viele Freunde in meinem Alter so etwas nicht können, weil es ihnen immer abgenommen wurde/immer noch wird. Teilweise kommt es mir wirklich so vor, als würden einige Eltern aus Prinzip nicht "flügge" werden lassen, um sie länger von sich abhängig und damit bei sich zu haben. Kein Wunder, dass immer mehr 40-Jährige Singles noch zu Hause leben ...
Meine Mutter klebt auch heute noch sehr an mir und mit der Geburt meiner Kinder auch an ihnen. Sie würde uns garantiert auch die Wäsche machen, denn dann hätte Nähe, da ihre Eltern eben anders sind. Meine Mutter lädt uns auch ständig ein und kocht was wir uns wünschen. Ich bin kein Einzelkind, sondern habe noch drei Brüder und bei denen ist das genauso. Nach dem ich von Zuhause ausgezogen bin, hat mir meine Mutter noch sehr unter die Arme gegriffen und ich habe das auch angenommen.
Als dann meine Frau in mein Leben trat, hat sich das sehr zum Leidwesen meiner Mutter geändert. Meine Frau wollte nicht ständig dort essen und war eher genervt von meiner Mutter. Als sie dann schwanger wurde ist sie irgendwann mal ausgeflippt, weil meine Mutter sich doch sehr eingemischt hat. Ich habe es nicht als schlimm empfunden und mich eher gefreut, dass sie die komplette Babyausstattung angeschleppt hat. So mussten wir sie nicht kaufen. Meine Frau fand das nicht lustig, sie wollte das selber machen. Das zweite Mal hat es richtig geknallt, als unsere Tochter auf der Welt war. Seit dem hat sich das auf einem Level eingependelt das für alle in Ordnung ist.
Meiner Mutter macht es bis heute zu schaffen, dass ich von zu Hause ausgezogen bin. Sie betont immer wieder, wie sehr sie mich vermisst und schlägt mir auch ständig vor, dass ich irgendwann wieder in ihren Ort ziehe. Wir wohnen allerdings drei Stunden voneinander entfernt, so dass man sich nicht einfach so spontan jede Woche sehen kann. Von daher ist es für sie natürlich noch schwerer, wenn wir uns noch dazu relativ selten sehen. Mittlerweile ist das nur alle paar Monate so.
Für mich kommt es aber ehrlich gesagt nicht in Frage, noch einmal in meinen Heimatort zu ziehen. Ich muss auch sagen, dass ich meine Mutter und generell mein Elternhaus überhaupt nicht vermisse. Ich finde es ganz nett, hin und wieder mal zu Besuch zu kommen, wobei es mir aber reicht, für ein Wochenende da zu sein. Ich freue mich dann auch immer, wenn ich wieder zu mir nach Hause komme.
Ich habe nun einmal keine Geschwister, wobei meine Eltern mit der restlichen Familie keinen Kontakt mehr haben, so dass es für sie sicherlich noch schwerer ist, mich gehen lassen zu müssen. Sie haben eben nur sich und ich kann mir schon vorstellen, dass es sehr einsam für sie ist. Allerdings ist es bei mir ja auch nicht anders, wobei ich wiederum sehr glücklich mit meinem jetzigen Leben bin.
Mir ist klar, dass meine Beobachtungen überhaupt nicht repräsentativ sind, aber ich habe eher den Eindruck, dass die Mütter mehr klammern und weniger loslassen können als die Väter. So zumindest mein Eindruck nicht nur von meinen Eltern, sondern auch Schwiegereltern und sämtlichen Bekannten und aus der Verwandtschaft.
Es sind tatsächlich meistens die Frauen, die dann so furchtbar klammern, überbesorgt sind, auch ständig telefonieren wollen, um sich damit beruhigen zu können, dass die Kinder noch nicht verhungert sind, auch wenn sie gutes Geld verdienen und selbstständig geworden sind. Die Väter sehen das eher locker und sind da ziemlich gelassen. Mein Vater ist da eine ganze Ecke gelassener und relaxter als mein Schwiegervater, aber eine Tendenz ist erkennbar.
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