Konkurrenzverhalten auf dem Land anders als in der Stadt?
Vor kurzem erzählte mir ein Bekannter, dass es er bei sich im Ort eine kleine Ungeschicklichkeit mitbekommen hätte. Und zwar hätte eine Firma einem Hähnchenbräter in einem kleineren Ort auf dem Land erlaubt, dass dieser dort Dienstags auf dem Parkplatz stehen dürfte, um seine Hähnchengerichte zu verkaufen.
Allerdings gibt es wohl ein paar Meter weiter einen Imbiss den die Frau eines langjährigen Mitarbeiters aus der Firma, betreibt. Dieser Mitarbeiter hat sich natürlich darüber beschwert, dass sozusagen die Konkurrenz dort Dienstags auf dem Hof stehen darf, wenn doch ein paar Meter weiter seine Frau im Imbiss steht.
Mein Bekannter meinte dazu, dass der Hähnchenbräter nun ein paar Meter weiter weg stehen würde und man so etwas auf dem Land nicht bringen könnte, gerade wenn man die Leute eben kennt. De Firma hatte deswegen wohl auch ein Einsehen und hat dem Betreiber des Hähnchenwagens dann gesagt, dass er dort auf dem Parkplatz nicht mehr stehen könnte.
Ich denke auch, dass dies in der Stadt sicherlich nicht so ohne weiteres möglich gewesen wäre und es da sicher der Firma egal gewesen wäre, ob der Hähnchenbräter nun Konkurrenz für den Imbiss ist oder nicht.
Meint ihr auch, dass ein anderes Konkurrenzverhalten auf dem Land als in der Stadt gibt? Habt ihr da schon Erfahrungen gemacht? Meint ihr, dass so etwas wirklich nur berücksichtigt wird, wenn man sich kennt? Würde da in der Stadt niemand etwas unternehmen?
Ich denke schon das auf dem Land noch viele verständnisvoller und menschlicher sind als in der Stadt. Das liegt daran, dass im Dorf einfach jeder jeden kennt - und dass oftmals schon Jahre lang. So etwas wie du beschrieben hast könnte man bei uns auch nicht bringen. Da würden ja Feindschaften entstehen.
In der Stadt ist das völlig anders. Da leben die Mensch vor sich hin und kennen oft nicht mal die Menschen die zwei Stöcke unter ihnen wohnen. Daher ist es mit dem Konkurrenzverhalten auch etwas anderes. Wenn ich jemanden nicht kenne macht es mir auch viel weniger aus, wenn dieser weniger verkauft oder sein Geschäft nicht läuft.
Als verständnisvoller und menschlicher würde ich die soziale Kontrolle, die auf dem Land herrscht, wenn überhaupt, nur sehr bedingt ansehen. Klar, wenn man "dazu gehört", sprich, sich an die Spielregeln der Gemeinschaft hält, ist es toll, dann kann man schon darauf zählen, dass man sich gegenseitig hilft und zusammenhält, wenn es darauf ankommt. So etwas funktioniert immer besser, wenn man die Leute mit Namen kennt, ihre Kinder mit den eigenen im Kindergarten sind und man oft schon blutsverwandt untereinander ist, wie es gerade in kleineren Dörfern vorkommt. Ich komme aus einem kleineren, abgelegenen Dorf.
Aber wehe, man weicht von der Norm ab! Dann ist es auf dem Land sehr viel schneller vorbei mit der Menschlichkeit. Dafür reicht es im Extremfall schon, dass man im Alter von X noch nicht verheiratet ist, nicht in die Kirche geht, seine Kinder nicht in den Fußballverein schickt, sondern zum Klavierunterricht oder dass es sich herumspricht, dass man wegen einer psychischen Krankheit in Behandlung war. Soziale Kontrolle hat also Vor- und Nachteile, und ist auf dem Land natürlich viel stärker ausgeprägt als in größeren Städten.
Ich selber empfinde eine gewisse Anonymität sogar eher als angenehm. Dann springt mein Chef vielleicht nicht für meine ganze Familie in die Bresche, aber dafür sind die Chancen beispielsweise höher, dass mein Sohn auf Grund seiner Noten ein Vorstellungsgespräch bekommt, und nicht der Neffe des Firmeninhabers. Auch kann ich mich kleiden und meinen Hobbys nachgehen, wie ich will, und muss mir keine spitzen Bemerkungen anhören, ob ich mich etwa für etwas Besseres halte, weil ich nicht beim Hausfrauenbund bin.
Was ist daran jetzt "verständnisvoller und menschlicher" wenn der Betreiber des Hähnchengrills sich nun einen neuen Standplatz suchen muss und dadurch vielleicht erhebliche finanzielle Einbußen erleidet wenn er nicht direkt einen adäquaten Ersatz findet? Und was ist mit dem Verständnis für die Mitarbeiter, die gerne in der Pause auch mal ein Hähnchen gegessen hätten?
Ich kenne auch aus Städten genug Beispiel für die Bevorzugung von Bekannten, Freunden und Familienmitgliedern. Nur weil ich in einer großen Stadt lebe heißt das doch nicht, dass ich die Betreiberin eines Imbisses nicht persönlich kennen kann. Auch in Städten gibt es Freundschaften und solche Sachen, wer hätte das gedacht. Und warum sollte ich dann keine Entscheidung zu Gunsten meiner Bekannten mit dem Imbiss treffen? Sie wird das schon zu schätzen wissen und sich wahrscheinlich entsprechend revanchieren.
Was an diesem Beispiel jetzt "verständnisvoller" geschweige denn "menschlicher" sein soll erschließt sich mir nicht. Für mich spricht da nur der Neid und die soziale Kontrolle. Der Frau wäre bestimmt kein Zacken aus der Krone gebrochen, nur weil einmal pro Woche (!) und das jeden Dienstag ein Hähnchenstand auf dem Parkplatz steht. Den Rest der Woche hätte sie dann doch trotzdem keine Konkurrenz gehabt und hätte ihre Sachen da verkaufen können.
Für mich spricht da nur Faulheit und ein Kontrollzwang aus dem Verhalten der Frau. Denn mit einer Konkurrenz in unmittelbarer Nähe kann sie nicht mehr wie früher jeden Tag ihren üblichen und minderwertigen Fraß verkaufen, den jeder dann kaufen muss zwecks mangelnder Alternativen. Dann hätte sie ja neue Konzepte und Gerichte entwickeln müssen um wettbewerbsfähig und attraktiv für die Kunden zu bleiben. Skandal!
Veränderungen sind grundsätzlich schlecht, weil man sich ja dann den Umständen anpassen muss. Ich muss ehrlich sagen, wenn ich der Mensch am Hähnchenstand gewesen wäre, wäre mir das Gezeter dieser Frau egal gewesen. Wenn ich die entsprechenden Genehmigungen der Stadt und so weiter gehabt hätte, wäre ich da einfach stehen geblieben und die Frau hätte sich grün und blau ärgern können.
Ich pfeife auf soziale Kontrolle auf dem Land. Wenn man nett darüber spricht und einen Kompromiss aushandeln möchte, ist das eine Sache. Für mich liest sich das aber so, als hätte die Frau direkt einen Aufstand gemacht, gemeckert und rundum ausgeteilt um ihr Revier zu markieren und mit so einem unhöflichen und respektlosen Verhalten beißt man bei mir auf Granit.
Die Frau hat nicht mal den Mumm, dass sie dem Hähnchenbetreiber persönlich Bescheid sagt und mit ihm darüber spricht, sondern schickt die Firma vor, dass die wie eine Marionette den Betreiber eben zusammenpfeift und abkommandiert. So ein Verhalten ist für mich echt unterste Schublade.
Anscheinend wohne ich in einem wahren Moloch, einer Kohorte der unmenschlich und kapitalistisch Zerstörenden, denn hier in meiner Nachbarschaft steht einmal die Woche der Hähnchenwagen neben (!) dem Imbiss. Offenbar funktioniert das aber schon seit Urzeiten ohne Probleme, keiner von beiden wirkt als stünde er kurz vor der Pleite. Zwar bieten beide Essen an, aber es sind doch unterschiedliche Dinge, die man dort kaufen kann, das Angebot des Imbisses ist viel größer und breiter gestreut und die Stammkundschaft hockt da so oder so.
Die Frage aus diesem Beispiel ist für mich aber ohnehin weniger Stadt versus Land, sondern der nach Kontakten, Vitamin B und Seilschaften und das wird man selbst in den größten Metropolen der Welt finden. Wäre die Frau nicht zufällig mit einem Mitarbeiter der Firma, die dem Hähnchenwagen den Zuschlag gab, verheiratet, hätte sie vermutlich auch nicht viel bewirken können. Der Erfolg war hier eng mit der Seilschaft verbunden. Und solche Seilschaften, Netzwerke und Absprachen wird man vom Hähnchenbräter bis zum Multi-Millionen-Dollar-Konzern überall finden.
In dem Beitrag liest sich das alles mit so einer positiven Konnotation, "wir auf dem Land halten zusammen und stehen füreinander ein", aber was ist mit den Fremden, die auch wie schon erwähnt ihre Ware gerne verkaufen würden? Man könnte das ganze auch genau umgekehrt deuten, nämlich im Sinne von "Fremde kriegen hier keinen Fuß auf den Boden". Das entspricht so ziemlich meinem Bild von kleinen Kuhdörfern, wo alle im eigenen Saft schmoren und aufpassen, dass der Nachbar den Rasen ordentlich gemäht hat.
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