Komplimente nie voll und ganz annehmen können
Ich habe laut Aussagen meiner engeren Umgebung die Eigenart, Komplimente nicht ohne Wenn und Aber annehmen zu können. Wenn jemand beispielsweise mein Essen lobt, sage ich nicht einfach Danke, sondern füge dann immer noch etwas dazu, etwa, dass es ein bisschen zu salzig ist, dass ich es ja nicht selbst kreiert habe, sondern dass man bei diesem Rezept gar nichts falsch machen könne und so weiter.
Wenn jemand meine neue Frisur lobt, erwähne ich wahrscheinlich, dass sie nicht ganz pflegeleicht ist. An einem runden Geburtstag haben mir viele Gäste gesagt, dass ich zehn Jahre jünger aussehe, worauf ich unbedingt erwidern musste, dass man das ja in dem Alter höflicherweise immer sagt. Wahrscheinlich ist es für die mir schmeicheln Wollenden auch einfacher, wenn ich einfach Danke sage. Fällt es euch auch schwer, Komplimente anzunehmen oder freut ihr euch einfach nur darüber?
Ich neige in manchen Situationen auch dazu solche Dinge, wie von dir erwähnt dranzuhängen. Sicherlich macht man das manchmal, weil man etwas unsicher ist und diese Art der Aufmerksamkeit manchmal vielleicht auch nicht so angenehm ist. Dennoch bin ich in den meisten Fällen einfach dankbar über das Kompliment und sage dann einfach Danke oder mache ebenfalls ein Kompliment. Wenn mir jemand beispielsweise sagt, dass ich gut gekocht habe, dann antworte ich gerne mal das Gericht XY bei Person A mir auch super lecker geschmeckt hat, nachdem ich mich bedankt habe.
Ja, solche Leute kenne ich auch und der ein oder andere hat es mit seinem bescheidenen Getue schon so auf die Spitze getrieben und hat mich damit so genervt, dass ich einfach mal zugestimmt habe.
Die dummen Gesichter sind einfach köstlich, wenn man auf den Einwand, dass das gerade gelobte Essen ja etwa zu salzig sei nicht seine Komplimente wiederholt, was ja eigentlich Sinn und Zweck von diesem Getue ist, sondern so etwas wie "du hast recht, die Sauce war sogar ziemlich versalzen" sagt. Die schlauen Exemplare haben schnell gemerkt, dass diese Masche bei mir nicht zieht und lassen es inzwischen.
Wie du dir denken kannst bedanke ich mich schlicht und einfach für ein Kompliment und lasse es darauf beruhen. Ich brauche nicht noch ein zweites oder drittes Mal versichert bekommen, dass mein Essen wirklich wirklich gut war. Und selbst wenn mir das Essen tatsächlich zu salzig wäre - Geschmäcker sind verschieden und es ist doch gut, dass ich anscheinend den Geschmack meiner Gäste getroffen habe.
Ich glaube, dass es gerade Frauen in einer vorigen Generation nahezu anerzogen wurde, möglichst bescheiden zu sein und auch keinen Neid auf sich zu ziehen. In manchen steckt das vielleicht immer noch drin oder es ist einem einfach peinlich, auf diese Art im Mittelpunkt zu stehen. Ich würde da jetzt gar nicht ein fishing for compliments oder eine Manipulation zu noch mehr Komplimenten hinter wittern.
Selbst habe ich das Problem die meiste Zeit nicht. Wenn ich zum Beispiel zu einem Essen ein Kompliment bekäme, welches ich selbst in der Tat zu versalzen fände, dann würde ich das auch so sagen. Aber das wäre dann ernst gemeint und sachlich. Und wenn ich der Ansicht bin, es mal richtig gut getroffen zu haben, lasse ich das andere auch vorher schon wissen, dass ich dieses Mal zufrieden bin, so oft kommt das jetzt auch nicht vor.
Manche Komplimente interessieren mich nicht, weil mich die Sache an sich nicht interessiert und ich nicht das Gefühl habe, etwas dafür getan zu haben. Wenn man für etwas gelobt wird wie die eigene Figur oder die Länge der Haare, habe ich früher schon immer vage mit den Schultern gezuckt, weil ich einfach keinerlei Leistung für das Herauswachsen von Keratin oder einen schnellen Stoffwechsel hingelegt habe.
Ich kann Komplimente nur sehr schwer annehmen, was auch daran liegt, dass ich als Kind/Jugendliche nie gut genug war. Ich schaffe es halbwegs mich zu bedanken, hänge aber auch manchmal einen Satzteil an oder schaue, dass ich schnellstmöglich das Weite suchen kann. Es ist keine Bescheidenheit, ich habe es nur nie gelernt.
Oft ist auch der Hintergedanke vorhanden, dass das Gegenüber es nie ernst meinen kann oder dass irgendwas im Busch ist. Es geht mittlerweile besser, ich kann ein halbwegs gedruckstes Danke herauspressen, fühle mich trotzdem sehr unwohl dabei, ein Kompliment zu bekommen. Negatives kommt eher bei mir an. Irgendwie freue ich mich auch über ein Kompliment, aber ich kann schlichtweg nicht damit umgehen.
Bei mir kommt es einfach darauf an, wie ich es selbst empfinde. Wenn mir jemand beispielsweise ein Kompliment für meine neue Frisur macht, dann sage ich ganz offen, dass ich meine Haare als zu kurz empfinde oder mir meine Haare etwas zu hell sind, wenn ich das wirklich so sehe. Wenn ich ein Kompliment für mein Essen bekomme, selbst aber finde, dass es beispielsweise zu stark oder zu wenig gewürzt ist, dann sage ich das auch.
Ich versuche also immer, ehrlich zu sein und meine eigene Meinung zu sagen und finde das auch am besten so. Wenn mir jemand also ein Kompliment für meine neue Frisur macht und sie mir selbst gut gefällt, dann bedanke ich mich und sage, dass ich meine neue Frisur auch sehr gerne mag. Es kommt also immer darauf an, wie ich es selbst sehe.
Genau so ein Verhalten finde ich auch bei anderen Menschen gut. Es ist ja normal, dass man Komplimente nicht ganz annehmen kann oder mag, weil man die Sache selbst anders sieht. Allerdings sollte das ja nicht immer so sein. Wenn das doch der Fall sein sollte, dann zeigt mir das eher, dass jemand ein sehr geringes Selbstbewusstsein hat und nicht an sich und seine Fähigkeiten glaubt und sich selbst nicht sonderlich mag.
Mir geht es auch so, dass ich ein Kompliment meist auseinanderpflücke, in dem ich eben sage, dass dieses oder jenes nicht so gut gefällt oder passt. Das macht aber viel kaputt und oftmals haben die Personen dann irgendwann gar keine Lust mehr ein ernst gemeintes Kompliment zu machen. Daher versuche ich mittlerweile mich eher darüber zu freuen und einfach Danke zu sagen. Man muss ja nicht jedem trotzdem mitteilen, dass einen an der neuen Frisur dieses oder jenes missfällt.
Ich nehme Komplimente aller Art schon der Einfachheit halber dankend an. Diese ganzen Tänzchen kosten nur Zeit und Energie, in der das mehr oder weniger gelungene Essen kalt wird oder man sich über interessantere Dinge unterhalten könnte als ausgerechnet meinen Haarschnitt.
Allgemein messe ich Komplimenten nicht allzu viel Bedeutung bei. Schließlich sagen sie normalerweise nur aus, dass jemand anders den gleichen Geschmack hat wie ich oder dass mir jemand etwas Nettes sagen möchte, damit ich mich freue. Ob die Frisur oder der Pulli wirklich so toll sind, spielt erst mal gar keine große Rolle. Daran ist natürlich nichts Schlimmes, aber allzu viel Gewese darum zu machen erscheint mir als übertrieben und sinnlos.
Schließlich handelt es sich nicht gerade um einen Heiratsantrag, wenn jemand meinen Apfelkuchen lobt, und ich finde es peinlicher und anstrengender, wenn sich der Empfänger eines Kompliments dann windet und die positive Meinung krampfhaft zu zerpflücken versucht. Zuviel der falschen Bescheidenheit kann sogar an Unhöflichkeit grenzen, weil man ja das Urteilsvermögen desjenigen in Frage stellt, der das Kompliment ausgesprochen hat.
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