Komplimente als Beleidigung auffassen

Ich musste heute Früh doch ein wenig lachen. Denn ich war Kaffee trinken bei einer guten Bekannten. Sie hatte ein neues Kleid an und ihr Mann meinte zu ihr "In dem Kleid siehst du richtig gut aus". Der Mann hat es gut gemeint, aber die Frau war direkt beleidigt. Sie meinte, dass es eine Beleidigung war. Denn anscheinend meint der Mann wohl, dass sie nur gut ausschaut, weil sie dieses Kleid an hat. Ich finde das ein wenig arg übertrieben und ich denke, dass sie es doch gut finden sollte, wenn der Mann Komplimente macht.

Habt ihr schon ein Kompliment als Beleidigung aufgefasst? Welches Kompliment war es und wart ihr da richtig beleidigt? Muss man bei Komplimenten denn wirklich so gut aufpassen, dass diese nicht zur Beleidigung werden?

Ja es gibt sehr sensible Leute, oder eben Leute, die nicht so gut aufgelegt sind, es kommt ja auch auf die Stimmung drauf an. Viele fassen: "Wow du hast aber abgenommen!", als Kompliment auf. Andere denken sich, der meint wahrscheinlich in Wirklichkeit: "Kaum vorzustellen, dass du einmal noch fetter warst!"

Also ich denke, man kann insgesamt alle Dinge von beiden Seiten betrachten. Es gibt auch Leute, die Kritik als Lob auffassen, oder die gerne kritisiert werden, um überhaupt im Mittelpunkt zu stehen, bevor sie gar nicht auffallen. Es gibt ja nichts, was es nicht gibt.

Aber in diesem Fall war es vielleicht auch so, dass die Frau schon öfter wegen ihrer Kleidung kritisiert worden war und sie das jetzt als Anspielung verstanden hat, dass sie nur in diesem Kleid gut aussieht. Man muss ja immer auch die Vorgeschichte und die Erfahrungen der Menschen berücksichtigen, über die oder mit denen man sich unterhält.

Lob als Kränkung zu Verstehen ist eine der Eigenschaften von Depression und/oder geringem Selbstwertgefühl. Falls dieses Verhalten permanent ist, wäre eine Psychotherapie (Kognitive Verhaltenstherapie) zu Empfehlen.

Also dass Menschen sich ständig beleidigt und gekränkt fühlen auch wenn das gar nicht so gemeint ist, kenne ich auch. Die mir bekannten Menschen aber, bei denen das so ist, sind aber in der Regel mit Minderwertigkeitskomplexen behaftet und extrem unsicher, was ihre äußere Erscheinung und ihr Selbstbild angeht.

Das kann auf Dauer ziemlich anstrengend sein meiner Ansicht nach. Ich versuche solche Menschen eher zu meiden, da das mehr Drama ist als mir gut tut und ich keine Lust hätte, mich ständig rechtfertigen zu müssen wegen angeblicher Beleidigungen, die ich ausgesprochen haben soll.

Es gibt durchaus Beleidigungen, die sich wie Komplimente anhören, wie beispielsweise das berühmte: Ich finde es ja total mutig von dir, diese Farben zu tragen! oder: Super, du hast dich endlich mal geschminkt!. Und diese Aussagen kann man in meinen Augen getrost als Beleidigung auffassen. Gerade bei Komplimenten kommt es in meinen Augen wie so oft in der menschlichen Kommunikation weniger auf den Wortlaut an als auf die damit verfolgte Absicht.

Wenn man also weiß, dass sich das Gegenüber mit Süßholzgeraspel gerne schwer tut, aber prinzipiell ein wohlmeinender und freundlicher Mensch ist und nur hin und wieder ins Fettnäpfchen tappt, sollte man auch ein ungeschickt formuliertes Kompliment ansehen, wie es gemeint ist. Aber bei der berühmten biestigen Kollegin, die ganz genau weiß, was sie sagt und was sie damit bezwecken will, kann der gleiche Wortlaut einen ganz anderen Effekt haben.