Komisch wenn man um verstorbene Angehörige nicht weint?
Der Opa einer guten Freundin ist vorgestern gestorben und sie hat mir vorhin geschrieben dass sie sich richtig schlecht fühlt bzw. schämt weil sie um ihren Opa einfach nicht richtig trauern bzw. weinen kann. Sie hat sich wirklich gut mit ihm verstanden und empfindet trotzdem fast schon Freude, weil er nun erlöst ist von seinen Schmerzen und Qualen. Er hatte zuletzt in einem Pflegeheim gelebt und sich dort generell nicht so richtig wohlgefühlt. Das Schlimmste für ihn war allerdings, dass er sich zum Schluss füttern lassen musste und besonders nachts immer wieder starke Schmerzen bekommen hat, die nicht so einfach zu steuern waren. Er hatte auch mit 85 Jahren ein gutes Alter erreicht.
Ich habe ihr daraufhin gesagt, dass ich es völlig in Ordnung finde sich über die Erlösung zu freuen. Wichtig ist, dass man die Person im Herzen und in den Erinnerungen behält und nicht dass man um sie weinen muss. Möglicherweise wird eine Phase der Traurigkeit auch noch kommen. Wie seht ihr das, findet ihre es komisch wenn man um verstorbene Angehörige nicht weint? Gehört dies für euch zum Trauerprozess dazu? Habt ihr nach dem Tod eines Angehörigen auch schon einmal Freude über die Erlösung empfunden?
Ich hatte das ehrlich gesagt auch schon, dass ich nicht weinen konnte. Ich kann generell mit Trauer eher schlecht umgehen und weine nicht so schlimm. Dennoch gab es auch Momente, in denen ich mich darauf vorbereiten konnte, die Qualen gesehen habe und mich dann eher gefreut habe, dass die Person sich nicht weiter quälen muss. Ich denke letztendlich können Tränen auch nur bedingt das widerspiegeln was man empfindet.
Tränen ist das was die Gesellschaft von einem erwartet, aber ich denke auch, dass das Leben endlich ist und man nicht weinen muss nur weil man traurig ist oder es einen belastet. Der Gedanke, dass man weinen müsste, ist ja auch nicht angenehm, wenn man es nicht kann.
Ich musste auch nicht weinen, als ich die Nachricht vom Tod meines Vaters erhielt. Er war schwer krank und das Ende war absehbar. Außerdem war unser Verhältnis nicht sehr eng. Bei der Beerdigung musste ich allerdings weinen. Das hatte aber eher etwas mit der Atmosphäre bei Beerdigungen zu tun als mit der Trauer um meinen Vater. Bei Beerdigungen muss ich aufgrund der allgemeinen Stimmung und des grundsätzlichen Elends der Welt usw. immer heulen, egal, wer da zu Grabe getragen wird.
Es ist auch ein Unterschied, ob ein sehr alter, kranker Mensch stirbt als ein junger oder sogar die eigenen Kinder. Ich würde da kein schlechtes Gewissen habe, wenn ich bei bestimmten Todesnachrichten nicht weine.
Es obliegt jedem selbst, wie er/sie mit einer Trauerphase umgeht. Auch in meiner Familie sind die letzten Jahre wirklich viele Menschen verstorben, die ich als Kind immer wieder besucht habe, bei denen ich gerne war und trotzdem nicht weinen musste. Vielleicht, weil zu viel Zeit verstrichen ist, in denen ich nicht mehr da war? Das kann sein und dadurch die frühkindliche Bindung zu ihnen aufgehoben war? Das weiß ich nicht, ist aber vielleicht möglich.
Ich habe dann wiederum bei anderen Verwandten auf der Beerdigung geweint. Ich bin keine generelle „Heulsuse“, sondern eher der durchaus kontrollierte Mensch, was Emotionen angeht. Da ich es eben auch nicht mag, getröstet zu werden. Doch bei gewissen Leuten konnte ich auch nicht innehalten und das ist wohl auch in Ordnung so. Auch wenn ich eben öffentlich sehr ungern weine und man mir wohl auch anmerkt, dass mich das nervt.
Ich kenne aber auch ein Familienmitglied, der beim Tod des eigenen Papas nicht geweint hat. Mein Onkel zum Beispiel. Der hat nicht geweint, obwohl er ihn mochte, viel mit ihm zu tun hat. Doch die Beziehung in unseren Familien ist schwierig. Liebe sucht man teils vergebens, Vorhaltungen sind dafür leichter zu finden und Ärger auch. Es ist immer irgendwie eine Mischung aus Familie, Kumpel und Fremde.
Vielleicht führt das auch dazu, dass wir alle emotional viel abgestumpfter rüber kommen. Manch einer kann aber auch seine Emotionen eben besser kontrollieren und möchte nicht weinen, wenn andere dabei sind. Andere tun es überhaupt nicht und machen es für sich aus.
Ich denke auch nicht, dass Weinen stets das Zeichen der eigenen tiefen Trauer ausdrückt. Das kann auch der Gedanke an die Person sein. Jeder geht mit Todesfällen eben anders um. Man sagt ja auch gerne, dass wir Frauen da wesentlich emotionaler sind, als die Herren. Auf den Beerdigungen bisher würde ich das sogar unterschreiben.
Jeder hat eben eine andere Art wie er mit Trauer umgeht. Von daher finde ich es jetzt überhaupt nicht schlimm, wenn jemand nicht weint. Manche Menschen äußer eben ihre Trauer ganz einfach nicht mit weinen. Jeder muss da für sich seinen eigenen Weg finden.
Auch sind die Vorraussetzungen ja immer anders. Manche Menschen sterben aus heiterem Himmel, andere haben teilweise jahrelanges Leid hinter sich und damit eben auch für die Angehörigen manchmal eben auch schon jahrelangen Abschied hinter sich. Da kommt dann mit unter so ein Tod auch als Erlösung und nicht zwingend als Schicksalsschlag.
Wichtig ist doch, dass man mit sich selbst im Reinen ist und seinen eigenen Abschiedsprozess durchläuft und eben mit Trauer so umgeht, wie man es selber für richtig hält.
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