Könnt ihr positiven und negativen Stress unterscheiden?

Das Stress der Gesundheit schaden kann, wissen inzwischen schon die meisten Menschen. Immer wird aber auch darauf hingewiesen, dass man zwischen positivem und negativem Stress unterscheiden soll. Negativer Stress kann auf Dauer sehr schädlich sein, positiver Stress hingegen nicht. Dieser ist motivierend und kann sogar die Leistung steigern.

Die Frage ist aber nur, wie man positiven und negativen Stress voneinander unterscheiden kann. Ich habe beispielsweise meistens großen Spaß an meiner Arbeit, aber gestresst bin ich dennoch. Ich mache die Arbeit aber gern.

Kann man dann schon davon reden, dass es sich um positiven Stress handelt? Wie kann man selbst den positiven vom negativen Stress unterscheiden und so feststellen, wann Handlungsbedarf besteht? Könnt ihr in eurem Berufsleben beide Stressarten voneinander unterscheiden?

So schwierig ist das eigentlich gar nicht, wenn man sich vergegenwärtigt, was Stress überhaupt ist. Es ist die körperliche Reaktion auf einen Stressor. Diese besteht darin, dass der Körper sich auf "Fight or Flight" einstellt, es wird Adrenalin ausgeschüttet, Blutdruck, Puls/Herzfrequenz, Muskeltonus steigen, es kommt zur Wahrnehmungsverengung (=erhöhte Konzentration und Fixierung auf den Stressor), Energie wird bereitgestellt, die Wachheit ist erhöht, Verdauungstätigkeit, Hunger/Durstgefühl und Libido werden im Gegenzug herabgesetzt - kurz: Durch die Stressreaktion sind wir sehr viel leistungsfähiger als im "Normalzustand". Auch die Aggressionsbereitschaft steigt an - nicht schlecht, wenn der Stressor eine Situation ist, in der man sich durchsetzen muss/möchte.

All das ist nicht schädlich, der Körper steckt das weg. Im Gegenteil: Es ist sogar eine höchst sinnvolle Reaktion, die ursprünglich dazu diente, das Überleben zu sichern (oder zumindest so wahrscheinlich wie möglich zu machen). Solange auf die Stressreaktion eine Erholungsphase folgt, in der sich der Körper von der enormen Anstrengung, die sie kostet (hoher Energieaufwand) regenerieren kann, ist alles gut - der Stress ist nicht schädlich, sondern ermöglicht uns Höchstleistungen.

Schädlich wird es dann, wenn keine Regeneration möglich ist, also der Stress lange anhält, ein Stressor den nächsten jagt und der Körper aus dem oben beschriebenen Zustand nicht mehr heraus kommt. Für kurze Zeit hält der Körper den Zustand aus, aber er ist nicht dafür gemacht, sich dauerhaft in diesem Zustand zu befinden. Die Konsequenzen liegen auf der Hand, sie lassen sich aus den Vorgängen bei der normalen Stressreaktion ableiten.

Ein dauerhaft erhöhter Muskeltonus kann zu Verspannungen führen, dauerhafte Wahrnehmungsverengung zu Aufmerksamkeitsstörungen, "Fahrigkeit", erhöhter Fehlerfrequenz usw., dauerhaft erhöhte Herzfrequenz und Blutdruck zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, herabgesetzte Verdauungstätigkeit zu entsprechenden Krankheitssymptomen, vermindertes Hunger-/Durstgefühl zu entsprechendem Gewichtsverlust, Energielosigkeit und herabgesetzter Lebensqualität, erhöhte Aggressionsbereitschaft zu Reizbarkeit und Impulsivität, der dauerhaft hohe Energieverbrauch zu Abgeschlagenheit, Erschöpfung, Ermüdungserscheinungen, kognitiven Einschränkungen etc., die herabgesetzte Libido zu völligem Libidoverlust, die Wachheit zu Schlafstörungen... Dann ist Stress schädlich, kann krank machen.

Bei der Arbeit macht sich so etwas eben auch bemerkbar. Kurzzeitiger Stress kann uns zu sehr guten Leistungen bringen, langfristiger Stress ohne Regenerationsmöglichkeiten führt eher zum Gegenteil: Krankheit und Leistungseinbußen.