Könnt ihr euch prinzipiell in jede andere Person einfühlen?
Ich kann mich gut in andere Menschen hineinversetzen und mich in sie einfühlen. Auch wenn ich nicht immer ihrer Meinung bin und selbst anders gehandelt hätte, kann ich mich dennoch in die Personen hineinversetzen und zumindest nachvollziehen, wieso sie wie gehandelt haben. Allerdings kann ich das auch nicht bei jeder Person. Es gibt Menschen, die mir einfach unsympathisch sind und bei denen ich einfach nicht verstehen kann, wieso sie eben so sind, wie sie sind.
Könnt ihr euch prinzipiell in jeder andere Person einfühlen oder gibt es bei euch auch gewisse Grenzen? Bei welchen Personen fällt euch das leichter und bei welchen wiederum etwas schwerer? Auf welche Faktoren kommt es an?
Ich denke, dass ich auch über eine ganz gute Phantasie, Empathie und Vorstellung verfüge, deswegen fällt es mir auch immer einfacher mit jedem Lebensjahr mich in alle möglichen Situationen und Menschen hineinversetzen zu können. Es gibt allerdings doch auch eine ganze Menge Grenzen, wo ich mir das nicht an die Brust heften würde.
Das fängt ja schon beim Geschlecht an. Ich war nie ein Mann, wollte nie einer sein und habe auch sonst wenig männlich besetzte Eigenschaften, was auch immer das sein mag. Demzufolge werden mir manche Sachen natürlich immer fremd bleiben. Eigentlich wäre die Liste dessen, was ich mir schlecht vorstellen kann, sogar ziemlich lang. Wie sollte ich die Lebensrealität eines Stars, eines erfolgreichen Politikers oder eines Serienmörders begreifen können?
Es kann ein aufwühlendes Erlebnis sein, wenn man plötzlich wie durch ein winzig kleines Fenster für einen Moment fühlen kann, wie jemand komplett außerhalb des eigenen Lebens sich eventuell fühlen könnte, das kann im positiven funktionieren, aber auch im negativen. Es gibt Gefühlswelten, die sind so schrecklich und belastend, da will man gar nicht hin. Oder nicht noch einmal.
Im Endeffekt sind es aber doch auch oft nur die Vorstellungen, man hat ja keine Möglichkeit zu prüfen, ob dieser oder jene Mensch, sich tatsächlich so fühlt, wie man sich das gedacht hat.
Ich finde Verbena hat es mit ihrem Kommentar sehr gut auf den Punkt gebracht. Man weiß nie, ob eine Person wirklich so fühlt wie man es sich vorstellt oder wie man sich vorstellt, dass man fühlen würde, wenn man theoretisch in dieser Situation wäre.
Ich finde, man kann zwar versuchen bestimmte Handlungs- und Sichtweisen nachzuvollziehen, aber solange man nicht in den Schuhen von jemandem gesteckt hat und sogar ein Stück weit damit gelaufen ist, kann man sich noch so viel einreden, die Gefühlswelt bleibt trotzdem fremd.
Ich kann zum Beispiel sehr gut Menschen verstehen, die etwas ähnliches durchlebt haben als ich. Bei anderen wird es schon schwieriger. Wie soll man sich in Opfer einfühlen, wenn man nie vergewaltigt wurde, nie mit dem Leben kämpfen musste, nie sein Hab und Gut verloren hat durch Naturkatastrophen? Wenn man da trotz mangelnder eigener Erfahrungen und Erlebnisse meint, das voll und ganz nachvollziehen und verstehen zu können, grenzt das für mich an Heuchelei und Selbstbetrug.
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