Können Seriencharaktere fehlende Freunde ersetzen?
Eine Bekannte von mir hat eine seltsame Auffassung. Sie ist der Meinung, dass fehlende gemeinsame Freunde durch das Schauen von Serien kompensiert werden könnten. Denn da würde man ja Seriencharaktere lieb gewinnen, sympathisch und unsympathisch finden, mit ihnen mitfiebern und zusehen, wie sie Probleme und Hindernisse überwinden.
Ich finde diese These ziemlich gewagt. Ich schaue auch ganz gerne die eine oder andere Serie, aber trotzdem könnten diese Serien meine Freunde nicht ersetzen. Es ist schließlich ein Unterschied, ob man sich nur "berieseln" lässt oder ob man mit seinen Freunden aktiv spricht und ihnen bei der Lösung von Problemen hilft. Wie seht ihr das? Können Seriencharaktere fehlende Freunde ersetzen oder findet ihr das schwachsinnig? Kann so nur ein Serienjunkie reden? Findet ihr so eine Einstellung noch "normal"?
Ich sehe da einen ganz klaren Unterschied und würde auch niemals behaupten, dass mir Seriencharaktere ähnlich wichtig wie reale Freunde wären. Immerhin handelt es sich um fiktive Personen, mit denen man nicht interagieren kann und deren Schicksal weder von mir beeinflusst werden kann noch mein Leben irgendwie tangiert. Es ist zwar schon so, dass man eine gewisse emotionale Bindung zu einem liebgewonnenen Seriencharakter aufbaut und auch mit ihm mitfühlt und mitfiebert, aber letztendlich ist das eine ganz andere Ebene als eine reale Beziehung und könnte diese für mich nie ersetzen.
Von einer echten Freundschaft erwarte ich mir gegenseitiges Verständnis, Hilfs- und Gesprächsbereitschaft, Spaß und schöne Aktivitäten, die man gemeinsam erlebt, und ein Gefühl von Geborgenheit und Akzeptanz. Das kann mir nur ein Mensch geben, der tatsächlich existiert, der mich kennt und auf mich eingeht und der auch Gefühle für mich hat. Ich finde es schon bedenklich genug, wenn Teenager sich in ihren Schwärmereien für Stars verlieren und Ausdrücke wie "Er versteht mich viel besser als jeder andere" verwenden - denn das ist schlicht und ergreifend nicht möglich. Mit Seriencharakteren sieht es da ähnlich aus.
Über eine gute echte Freundschaft geht tatsächlich nichts, und ich würde meine beste Freundin selbst über meinen absoluten Lieblingscharakter aller Zeit stellen. Denn natürlich ist es ein großer Unterschied, ob man nur zuschaut und vielleicht tagträumt, oder ob man ein Gespräch mit einer echten, realen Person führt.
Trotzdem weiß ich, dass ich fiktive Charaktere sicher oft genug etwas mehr lieb gewinne, als was andere wohl als "normal" bezeichnen würden. Und ja, ich nutze die auch ganz gerne mal, wenn ich mich schlechte fühle, und stelle mir dann ein Gespräch mit denen vor, wie ich es auch mit einem realen Freund führen könnte. Die Gründe dafür können ganz verschieden sein: Vielleicht ist es mitten in der Nacht, und alle meine Freunde schlafen. Oder ich will nicht, dass sie sich Sorgen machen, denn meinen fiktiven Gesprächspartner kann ich die ganze Situation beim nächsten Tagträumen einfach vergessen lassen.
Auch kann so etwas Leuten helfen, die sich gerade einfach einsam fühlen. Ja, vielleicht wäre ein realer Freund besser, aber ein fiktiver ist immer noch angenehmer als gar keiner. Solange die Person noch weiß, dass der Freund eben nur fiktiv ist, finde ich das auch nicht unbedingt bedenklich. Glücklicherweise ist meine beste Freundin mir in dem Punkt ähnlich, und so schwärmen wir oft genug gemeinsam von unseren fiktiven Freunden, kleinen Geschwistern, und so weiter.
Sicher gibt einem eine Serie auch etwas und wenn man diese über längere Zeit zum Beispiel täglich schaut, dann verbringt man schon viel Zeit damit. Auch hat man dann natürlich Seriencharaktere, mit denen man sich identifizieren kann und die man mit der Zeit lieb gewinnt. Aber trotz all diesen Punkten könnten für mich Seriencharaktere niemals echte Freunde ersetzen.
Ich schaue auch gerne mal Serien, aber mit Freunden verbindet einen doch viel mehr und man redet eben miteinander, als sich die Serie nur anzusehen und auf diese Weise mit den Charakteren mitzufiebern. Außerdem dauert auch die längste Serie nicht ewig und irgendwann ist sie durchgesehen und man muss schauen, was man dann macht.
Wenn man es wirklich so empfinden hat, dass die Seriencharaktere einem die Freunde ersetzen, dann ist es doch sicher auch sehr unangenehm, wenn die Serie vorbei ist und das Gefühl würde ich so auch nicht haben wollen.
Es stimmt schon, dass Seriencharaktere einem mit der Zeit vorkommen wie Freunde. Wenn man eine Serie über viele Monate oder gar Jahre verfolgt, dann "kennt" man die Charaktere eben auch entsprechend gut. Man sieht, wie sie sich weiterentwickeln, erlebt, wie es ihnen gut und schlecht geht, wie sie lachen und weinen. Sie haben teilweise ganz ähnliche Probleme wie man selbst und man kann sich im Idealfall mit ihnen identifizieren.
Oft erlebt man ja auch mit, wie sich die Charaktere charakterlich entwickeln, also wie sie reifer werden und an Erfahrung gewinnen. Oft sieht man und merkt man auch, wie sie älter werden. Man lernt sie kennen und lieben, wenn man sie eben entsprechend lange begleitet. Von daher können sie einem schon so vorkommen wie Freunde.
Ersetzen können sie Freunde meiner Meinung nach aber nicht, immerhin sind es nur fiktive Personen und keine realen Menschen. Man kann ihnen ja nur zusehen und sich nicht wirklich mit ihnen austauschen. Die Charaktere können ja nichts von den Problemen wissen, die man hat und einem nicht helfen. Von daher sollte man auch nicht auf echte Freunde verzichten. Diese sind nach wie vor wichtig und mit diesen kann man sich auch gemeinsam eine Serie anschauen, was auch viel Spaß macht.
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