Können Priester gesetzlich belangt werden?

vom 20.02.2015, 13:41 Uhr

Vor einigen Tagen sah ich eine Folge "Gotham", in der es thematisch um einen Ballonmann ging, der irgendwelche korrupten Personen, die in der Öffentlichkeit standen, dann eben dadurch bestraft hat, dass er einzelne Personen an einen Wetterballon gekettet hat und diese dadurch getötet wurden.

Das dritte Opfer dieses Ballonmannes war ein Priester oder Kardinal, auf jeden Fall eine religiöse Person und der Ballonmann hat am Ende damit argumentiert, dass diese Menschen machen könnten was sie wollten und dass sie dafür eh nicht belangt werden würden. Er sah sich in der Pflicht, diesen Kirchenmann "angemessen" zu bestrafen, weil es sonst niemand tun würde.

Das fand ich ein wenig sehr merkwürdig und mir ist klar, dass vieles in diesen Serien auch Fiktion ist. Es gibt immer wieder Fälle von Kindesmissbrauch von irgendwelchen Priestern oder Bischöfen, aber wurde deswegen tatsächlich jemand mal belangt? Ich habe noch keine Bestrafung durch das Gesetz mitbekommen oder hab ich etwas verpasst? Genießen Kirchenmenschen eigentlich Immunität oder können die tatsächlich bestraft werden, sofern man ihnen ihre Taten nachweisen kann?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Das Problem ist wahrscheinlich tatsächlich das Nachweisen der Taten. Dazu kommt außerdem die Verjährungsfrist, die es bei sexuellem Missbrauch ja gibt. Es gab ja eine ganze Reihe Fälle, in denen die Opfer von den Tätern wahrscheinlich so eingeschüchtert worden sind, dass sie erst nach vielen Jahren über den Missbrauch öffentlich sprechen konnten und dann konnten die Täter nicht mehr belangt werden.

Und selbst wenn es auf dem Papier keine Immunität gibt, gibt es diese sicher in den Köpfen vieler Menschen. Religionen nehmen ja für sich in Anspruch eine moralische Instanz zu sein und viele Leute hinterfragen überhaupt nicht, ob dieser Anspruch berechtigt ist oder nicht. Genau wie niemand hinterfragt, ob der christliche Gott tatsächlich "gut" sein kann, wo er laut Bibel doch eindeutig ein Massenmörder ist. Dieses Denken führt sicher dazu, dass viele Opfer lieber schweigen, dass ihnen nicht geglaubt wird, dass es nicht zu einer Anklage kommt oder dass ein Angeklagter nicht verurteilt wird.

Und innerhalb der Kirche fühlt man sich wahrscheinlich teilweise schon über dem Gesetz stehend. Das sieht man gerade auch bei der Debatte um Kirchenasyl. Ich würde nie auf die Idee kommen, dass das deutsche Asylrecht für mich nicht gilt, die Kirchen denken das aber schon. Und Missbrauchsfälle werden eben auch lieber im Mafia Stil innerhalb der Familie geregelt, ohne Polizei. Es sind ja schon viele Priester "zur Strafe" einfach versetzt worden.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Es ist schon so, dass man sagen könnte, dass Priester einen Freifahrtenschein haben. Dieser setzt jedoch nur die kirchliche Rechtssprechung voraus, denn diese ist von der staatlichen Rechtssprechung vor einem vereidigten Richter getrennt. Somit muss man hier klar sagen, dass zwischen den "Kirchenrechten" sowie den staatlichen Gesetzen, Richtlinien sowie Rechten unterschiede liegen.

Wenn ein Priester als Beispiel bei der Polizei wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt wird, dann verfolgt unser Staat selbstverständlich dieses Vergehen. Dabei macht der Staat keine Unterschiede, ob es ein katholischer Priester, ein evangelischer Pfarrer oder Ottonormal-Bürger ist. Vor unserem Gesetz ist jeder, bis auf politische Menschen, gleich. Er wird genau so vor Gericht gestellt, wie am Ende Du oder ich. Dabei ist die Strafzumessung ebenso dieselbe.

Anders hingegen sieht es vor dem kirchlichen Recht aus. Wenn niemand dem Priester für das Vergehen anzeigt, bei der Polizei. Bleibt er in der Kirchengemeinde als "Unschuldig" bekannt, weil kein geltendes Recht ihm die Schuld bewiesen hat. Höchstens eine Versetzung droht dem Priester aus diesem Anlass, weil man natürlich das Ansehen der Kirche wahren muss, aber das ist im Grunde genommen alles.

Leider sehe ich es auch so, dass die kirchliche Rechtssprechung mir deutlich missfällt. Hierbei empfinde ich vieles als reine Willkür und Opferdemütigung. Sie wollen um jeden Preis den Ruf der Kirche wahren und sind somit nicht einmal bereit, selber wegen Verdachtsmomente eine Anzeige zu erstellen. Deswegen ist es auch so schwer, wenn Opfer nicht aussagen.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Da Kirche und Staat getrennt sind, kann ein Priester natürlich wie jeder andere für Straftaten belangt werden. Du glaubst doch nicht wirklich, dass ein Priester beispielsweise mit einem Mord davonkommen kann, den ihm ein staatliches Gericht nachweisen kann. Wo kämen wir denn da hin?

Eine Verurteilung ist mir auch nicht bekannt, allerdings ist mir genauso wenig ein Fall bekannt, in dem einem Priester oder sonstigen Geistlichen ein derartig gravierendes Verbrechen vorgeworfen wurde. Von den Missbrauchsfällen natürlich abgesehen, aber die lagen schon so lange zurück, dass sie verjährt waren oder gar nicht mehr nachgewiesen werden konnten.

Dass die Kirche selbst ihren Dienern quasi einen Freifahrtschein gibt, wissen wir ja dank Herrn Tebartz van-Elst, der, anstatt entlassen zu werden, nun im Vatikan arbeiten darf. Für Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft war das, was er gemacht hat, ja nun nicht relevant.

Zu deiner TV-Serie fehlen nun ein bisschen mehr Hintergrundinformationen, denn das Kirchenmänner machen dürfen, was sie wollen, ohne belangt zu werden, ist ja zumindest teilweise zutreffend, solange sich sich eben innerhalb der Kirche bewegen und nicht gegen ein staatliches Gesetz verstoßen. Es kann natürlich auch sein, dass sich einfach kein Zeuge traut, den guten Herrn Pfarrer zu belasten, aber außer vielleicht in erzkatholischen bayerischen Dörfern weiß man heutzutage hoffentlich, dass Priester auch nur Menschen sind.

Cloudy24 hat geschrieben:Und selbst wenn es auf dem Papier keine Immunität gibt, gibt es diese sicher in den Köpfen vieler Menschen. Religionen nehmen ja für sich in Anspruch eine moralische Instanz zu sein und viele Leute hinterfragen überhaupt nicht, ob dieser Anspruch berechtigt ist oder nicht. Genau wie niemand hinterfragt, ob der christliche Gott tatsächlich "gut" sein kann, wo er laut Bibel doch eindeutig ein Massenmörder ist. Dieses Denken führt sicher dazu, dass viele Opfer lieber schweigen, dass ihnen nicht geglaubt wird, dass es nicht zu einer Anklage kommt oder dass ein Angeklagter nicht verurteilt wird.

Na ja, also bitte, es trifft auf Opfer von sexuellem Missbrauch im Allgemeinen zu, dass sie sich oft nicht trauen, etwas zu sagen. Vor allem, wenn sie noch Kinder waren, als ihnen das angetan wurde. Dazu muss der Täter kein Pfarrer gewesen sein. Wenn es der eigene Onkel oder ein Freund der Familie war, ist die Scham genauso groß und man schweigt genauso. Daran ist nicht die Religion schuld, sondern die Tatsache, dass man immer Angst hat, als Lügner dazustehen, wenn der Täter jemand ist, der eigentlich eine Vertrauensperson sein sollte.

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» Jessy_86 » Beiträge: 5456 » Talkpoints: 0,18 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



@Jessy_86: Du glaubst also, dass es tatsächlich keinen Unterschied macht, ob ein Priester oder dein Onkel wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt werden? Oder beschuldigt werden? Da sprechen die Zahlen aber eine ganz andere Sprache und es ist naiv zu glauben, dass das mit dem unterschiedlichen sozialen Status der beiden Personen überhaupt nichts zu tun hat.

Und wo habe ich behauptet, dass die Opfer von einem Onkel nicht genauso eingeschüchtert sein können? Nirgends, weil das nämlich hier gar nicht das Thema war.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Ich kenne mehrere Missbrauchsopfer und weiß aus eigener Erfahrung, dass es für Betroffene sehr wohl einen Unterschied macht, von wem sie missbraucht wurden. Sei es der Nachbarsjunge, der Vater des besten Freundes oder ein völlig fremder. Bisher konnte ich an den Opfern feststellen, dass es für sie persönlich sehr wohl ein Unterschied ist, wer ihnen das angetan hat.

Denn wenn es der Onkel wäre, dann ist man nicht nur ein Opfer des Missbrauches, sondern auch des Vertrauens und mehr. Nie im Leben würden Kinder denken, dass ein Onkel so böse Dinge tut. Es wird für Betroffene schwerer vorwiegend den Herren in der Familie zu vertrauen, das Vertrauen wird zurückgehen und der Glaube in die familiären Werte ist ohnehin bis ins Mark erschüttert.

Während Opfer der Kirche durch die immer wieder auftretenden Fälle von sexuellen Missbrauchs gar keine große Hoffnung mehr haben, dass rechtlich irgendetwas passiert. Der Papst sondert solche Täter sogar selber aus dem jeweiligen Land ab und setzt sie wo anders wieder neu aus. Bei der Kirche selber wirst Du durch die kirchliche Rechtssprechung eben nicht belangt.

Doch auch vor dem Gesetz her hilft es einem Opfer nicht immer viel mehr, wenn der Pfarrer & Co beispielsweise verurteilt werden. Denn Menschen, die in die Kirche gehen und an Gott glauben, werden hier auf eine harte Probe gestellt. Ihr Glaube wird infrage gestellt, denn immerhin sind Priester die "Diener" Gottes und unmittelbar auf "Du Kurs" mit dem heiligen Herren. Opfer fragen sich, wie man so etwas im Namen Gottes tun kann. Wo der Schutz Gott ist und mehr.

Ich bin schon seit jungen Jahren eine Verächterin der katholischen Kirche. Denn besonders hier treten die Priester immer wieder in den Fokus des sexuellen Missbrauchs. Dies liegt meiner Meinung nach daran, weil die katholische Kirche ohnehin die Enthaltsamkeit vorsieht und da Kinder meist die Opfer sind, spricht es für sich, dass hier das schwächste Glied aus einer Kette gewählt wird, um die natürlichen Triebe zu senken. Die selbstverständlich auch ein Priester hat.

Darüber hinaus bin ich der Ansicht, dass Taten wie sexueller Missbrauch und Vergewaltigung endlich auch vor unserer Rechtsprechung nicht zu schnell verjähren dürfen. Die Opfer leiden immerhin ihr Leben lang, so wie Hinterbliebene eines Mordopfers. Hier darf man also die Verjährungsfrist deutlicher anheben, damit auch im Nachhinein Menschen, insbesondere auf diesen Fall jetzt Priester, zur Rechenschaft gezogen werden können.

Denn viele schaffen es erst ihre Priester anzuzeigen, wenn sie selber den Absprung zur Kirche und Gott geschafft haben.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


@Cloudy24: Du hast geschrieben, dass die Taten nicht mehr nachgewiesen werden konnten bzw. verjährt sind, weil die Opfer so lange geschwiegen haben und dass sie solange geschwiegen haben, weil in den Köpfen der Menschen geistliche eine Art Immunität haben und den Opfern deshalb niemand glauben. Ich sage, dass das gleiche Problem auch vorhanden ist, wenn der Täter kein Priester, sondern jemand anders ist. Ganz einfach.

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» Jessy_86 » Beiträge: 5456 » Talkpoints: 0,18 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



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