Können Menschen sich zurückverändern?

Ich lese momentan ein Buch, welches eigentlich sehr tief in die Komplexität der menschlichen Psyche eintaucht. In dieser Geschichte geht es um eine Frau, die in ihrer Vergangenheit scheinbar ein komplett anderer Mensch gewesen sein soll. Im Laufe der Geschichte wird dargestellt, dass einige grobe Schicksalsschläge ihr Leben so verändert haben, dass sie verbittert und isoliert lebt. Natürlich gibt es auch ein dunkles Geheimnis, damit Spannung hervorgerufen wird.

Die Frau fasst im Laufe der Geschichte den Entschluss sich zu verändern und wieder ihr altes Ich aufzurufen, was mit Höhen und Tiefen und natürlich auch mit Zusammenbrüchen einhergeht. Sprich sie möchte unbedingt krampfhaft der Mensch werden, der sie früher war, scheinbar liebenswürdig und halt auch sehr gesellig. Allein das stelle ich mir schon sehr kompliziert vor, weil man wird nie mehr der Mensch sein, der man mal war, wenn man sein Leben durchlebt.

Ich habe schon Einiges über die menschliche Psyche gelesen, aber die Sache kommt mir schon etwas komisch vor. Kann man sich sozusagen zurückverändern und wieder die Empathiefähigkeiten hervorrufen, die man scheinbar verloren glaubte? In der Geschichte ist es schon sehr verworren und kompliziert, aber funktioniert das eigentlich wirklich? Eigentlich sorgen ja gerade diese Schicksalsschläge dafür, dass man der Mensch wird, der man eigentlich ist. Kann man diesen Prozess rückgängig machen?

Ich hatte vor Kurzem ein anderes Buch, in dem es um schizophrene Veränderungen gegangen ist, sprich in einer Person lebten weitere Menschen parallel mit. Geht das eigentlich auch in die Richtung dieser beschriebenen Veränderlichkeit? Oder muss ich hier komplett unterscheiden und darf keine Zusammenhänge zwischen den Büchern und dem fachlich Angelesenen ziehen, sondern sollte das Buch einfach auf mich einrieseln lassen?

Ich kann mir schon vorstellen, dass das bis zu einem gewissen Grad geht. Sicherlich kann man nie alle Spuren wieder aus der Psyche entfernen. Aber man kann, wenn die belastenden Zustände die einen verändern aufhören oder lange genug zurück liegen schon sich wieder erholen. Der eine Mensch besser, der andere schlechter. Das Stichwort zu dem Thema ist wohl Resilenz.

Und sicher spielt da auch eine Rolle, wie gut man sozial vom Umfeld aufgefangen und wieder aufgebaut wird, oder ob man professionelle Hilfe dazu hat. Das kann Geschwindigkeit und Ausmaß sicher beeinflussen.

Ich kann mir ehrlich gesagt auch nur schwer vorstellen, dass das funktioniert. Meiner Ansicht nach kann man nur dann der Mensch werden, wenn man früher war, wenn man es schafft, bestimmte prägende Ereignisse komplett auszublenden und zu löschen. Eben so, als wären diese nie passiert. Das stelle ich mir aber extrem unwahrscheinlich und unrealistisch vor, wenn ich ehrlich bin.

Denn so gesehen wird man ja durch fast alles geprägt, auch wenn man es nicht immer merkt. Wenn man erst total vergesslich und verschusselt ist und dadurch dann Nachteile bekommt, verändert das einen ja auch total, sodass man im Normalfall ziemlich pingelig wird und nichts mehr so schnell vergisst, aus Angst vor weiteren Nachteilen dadurch. Auch Menschen verändern einen. Das kann der Klassenlehrer aus der Oberstufe sein oder die Kindergärtnerin als man 5 Jahre alt war. Jede Beziehung ändert einen Menschen und jede Freundschaft. So bin ich persönlich nicht mehr der Mensch, der ich war, kurz bevor ich meinen Partner kennenlernte und eine Beziehung mit ihm einging.

Ich vermute, dass man höchstens so werden kann wie früher, wenn man eine Amnesie hatte und eben sehr viele prägende Erlebnisse vergessen hat. Wobei ich mir nicht mal da sicher bin. Es kann ja auch sein, dass derartige Informationen trotzdem im Gehirn gespeichert sind, man sie nur nicht lesen und sich an sie erinnern kann.