Kleine Frau ohne Autorität - Wie wird man ernster genommen?
Ein wesentliches Problem, das ich habe, ist meiner Meinung nach das Fehlen von natürlicher Autorität. Es gibt ja Menschen, die flößen einem irgendwie allein durch ihr Auftreten einen gewissen Respekt ein. Meistens sind das Personen, die eher etwas größer sind und eine tiefere Stimme haben, die fest im Leben stehend wirken. Ich denke da beispielsweise an manche Personen in Führungspositionen, mit denen ich im Laufe meines Lebens zu tun hatte. Oft, wenn auch nicht immer, sind das relativ große Menschen, die auch ohne Anzug oder Arztkittel irgendwie eine Ausstrahlung haben, die Respekt einflößt – eine natürliche Autorität.
Ich habe das leider nicht. Ich bin ziemlich klein und kleiner als der Durchschnitt. Ich muss also normalerweise zu den meisten Menschen etwas nach oben gucken, wenn man sich gegenüber steht. Außerdem habe ich eine zarte Stimme. Als ich mich das erste Mal auf Band gehört habe, war mir das total peinlich, das klang wie ein kleines Mädchen. Mir passiert es auch oft, dass mich Menschen deutlich jünger schätzen und von Fremden werde ich oft spontan geduzt, obwohl ich Mitte 30 bin. Manchmal interpretiere ich das positiv, denn offenbar habe ich wenig Falten im Gesicht, aber manchmal wirkt es wirklich so als hätten da andere nicht viel Respekt vor mir oder als würde ich keinerlei Autorität ausstrahlen und die Leute denken wirklich, sie haben da eine nicht ernst zu nehmende Jugendliche vor sich stehen.
Auch bei Ärzten ging es mir oft so, dass ich das Gefühl hatte, die drücken mir einfach ihre Meinung auf und ob ich nicht lieber eine andere Behandlungsform hätte, spielt gar keine Rolle. Insbesondere auch mit Arzthelferinnen, die ich als unfreundlich empfand, hatte ich das Problem. Daher habe ich vor einem Jahr meinen Dr.-Titel sowohl in den Ausweis als auch auf die Krankenkassenkarte eintragen lassen und bei Ärzten sowie Arzthelferinnen hat sich seitdem wirklich etwas getan, inzwischen werde ich eher als Gesprächspartner auf Augenhöhe behandelt. Überall dort, wo man den Ausweis vorlegen muss, werde ich nun, so kommt es mir vor, irgendwie netter und respektvoller behandelt. In anderen Situationen aber nicht, was dann meiner Meinung nach wieder an der fehlenden natürlichen Autorität liegt, die ich eben nicht ausstrahle.
Es gibt durchaus Situationen, wo ich mich darüber ärgere. Wenn mich im Supermarkt die Kassiererin mit "Du" anspricht ist das nun nicht so tragisch. Aber wenn ich beispielsweise mit Werkstätten oder Handwerkern zu tun habe oder mit Firmen, ohne dass die meinen beruflichen Hintergrund kennen, dann fällt mir dieses Gefälle schon auf – da werde ich irgendwie wie ein Teenager behandelt. Nun will ich ja auch nicht allen immer meinen Beruf unter die Nase schmieren, damit sie Respekt vor mir haben, das wäre ja in vielen Fällen ziemlich unpassend. Und ich will jetzt auch nicht privat immer im Business-Outfit herumlaufen, damit man mich nicht für ein kleines Mädchen hält.
Was könnte man denn tun, um mehr natürliche Autorität auszustrahlen? An meiner Stimme und an der Körpergröße kann ich ja nunmal nichts ändern. Und warum ist denn das nur so in unserer Gesellschaft, dass man als kleine Frau nicht ernst genommen wird?
Ich denke, dass es weniger auf die Körpergröße ankommt als auf die Haltung und die Stimme. Ich kenne viele kleine Frauen, die selbstbewusster sind als ich, die ich eher groß bin. Die Stimme kann man trainieren. Eine meiner Nichten möchte Lehrerin werden. Sie macht zur Zeit ein Stimmtraining, weil sie dafür kritisiert wurde, dass sie zu hoch, zu leise und viel zu schnell redet. Sie meint, dass das ihr sehr viel nützt, um mehr Autorität auszustrahlen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es vor allem auf die innere Einstellung ankommt. Auch wenn du dir noch so wünschst, weniger klein und "harmlos" zu sein, wirst du deswegen nicht das Wachsen anfangen. Deswegen muss man mit dem arbeiten, was man hat, anstelle mit dem zu hadern, was fehlt oder zu fehlen scheint.
Um es mal ganz plakativ und überspitzt zu formulieren: Wenn du schon mit dem Gedanken "Ich bin eine kleine Frau mit dünner Stimme, mich nimmt doch sowieso keine Sau ernst" in der Autowerkstatt aufläufst, ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass es genau so kommt. Entweder du kommst tatsächlich mickrig und piepisg rüber oder man merkt genau, dass du krampfhaft versuchst, nicht mickrig zu wirken und statt dessen eher peinlich wirkst.
Das Problem haben 1,90 große Männer mittleren Alters mit tiefer Stimme gemeinerweise nicht, aber anstelle sich an der Unfairness aufzureiben, ist es meiner Meinung nach durchaus möglich, sich unabhängig von der sterblichen Hülle ein souveränes Auftreten zuzulegen. Ich sage mir in besagter Autowerkstatt beispielsweise: Ich bin die Kundin, ich bringe das Geld und ich bestimme, wo es langgeht. Ohne mein Einverständnis passiert hier erst mal gar nichts. Also habe ich ein Recht darauf, höflich und anständig behandelt zu werden. Und diese Einstellung strahle ich dann auch aus.
Und natürlich darf man auch nicht vergessen, dass die eigene Wahrnehmung auch eine große Rolle spielt und in das Verhalten der Mitmenschen nicht zu viel hineininterpretieren. Vielleicht verhält sich der Werkstattleiter herablassend, weil ich eine Frau bin, oder vielleicht ist es einfach seine Art. Oder vielleicht möchte ich einfach mehr hofiert und bevorzugt behandelt werden als die Leute Zeit und Lust haben.
Gerbera hat geschrieben:Das Problem haben 1,90 große Männer mittleren Alters mit tiefer Stimme gemeinerweise nicht, aber anstelle sich an der Unfairness aufzureiben, ist es meiner Meinung nach durchaus möglich, sich unabhängig von der sterblichen Hülle ein souveränes Auftreten zuzulegen. Ich sage mir in besagter Autowerkstatt beispielsweise: Ich bin die Kundin, ich bringe das Geld und ich bestimme, wo es langgeht. Ohne mein Einverständnis passiert hier erst mal gar nichts. Also habe ich ein Recht darauf, höflich und anständig behandelt zu werden. Und diese Einstellung strahle ich dann auch aus.
Das stimmt natürlich, es hat auch was mit der inneren Haltung zu tun. Um beim Beispiel der Werkstatt zu bleiben - es ist in der Realität ja schon so, dass man da Bittsteller ist. Das hat sich in den letzten Jahren irgendwie gewandelt, aber in meiner Region muss man wirklich froh sein, wenn man zeitnah Werkstatt-Termine bekommt. Ich hatte das Auto beispielsweise sechs Wochen in einer Werkstatt stehen, die sich das Motorproblem anschauen wollten und in den sechs Wochen ist nahezu nichts passiert. Ich habe einmal pro Woche angerufen, was meiner Meinung nach nicht zu oft ist, und jedes Mal hieß es, kein Personal da, keine Zeit und am Ende habe ich es kaputt wieder abgeholt. Zumindest hat mich das nichts gekostet, so viel Anstand hatten die dann schon. Und auf den Termin in der nächsten Werkstatt musste ich mehrere Wochen warten. Die haben mich als Kunde nicht nötig. Das ist teilweise schon wie bei der Vergabe von Facharzt-Terminen. Wenn ich mich da irgendwie beschweren würde, würden die sagen "gehen Sie doch woanders hin".
Die einzige Werkstatt hier, bei der man zeitnah einen Termin bekommt und die auch nur das macht, was man will, ist eine von einem einzelnen Meister betriebene freie Werkstatt. Er meldet sich auch von alleine zwischendurch oder schickt dann Bilder vom aktuellen Stand per WhatsApp. Er nimmt auch alles an, egal was man hat, da muss man nicht bitten oder betteln. Nur für die Motorsache dachte ich halt, wäre es besser, einen richtigen Motorinstandsetzer zu suchen. Ich erwarte ja keinen Handkuss, aber dass eben die Kommunikation funktioniert und möglich ist das schon. Dass andere Werkstätten das nicht machen, wird aber daran liegen, dass sie es nicht nötig haben. Die können auf mich verzichten. Nur ich manchmal auf die nicht.
In Fachwerkstätten habe ich es oft erlebt, dass die einem Dinge aufschwatzen wollen, die man nicht möchte und wenn man die ablehnt, dann werden die auch etwas pampig. Oder neulich im Baumarkt wollte ich eine bestimmte Farbe für meinen Vater mitbringen, ich kann ja wegen meines Gewerbescheins in die Baumärkte. Mein Vater hat mir aufgeschrieben, was er will und der Baumarkt-Mitarbeiter wollte mir stattdessen irgendeine andere Farbe verkaufen, die auch teurer war. Als ich gesagt habe, dass ich gern das hätte, was auf dem Zettel steht, da war er beleidigt und tat richtig bockig und guckte mich nicht mehr an.
Eine der beeindruckendsten kleinen Frauen, die mir je begegnet ist, war meine Schwiegermutter. Deutlich unter 160 Zentimeter klein und mit maximal 42 Kilogramm wirklich zart, hatte die nie Probleme. Ob Einkaufen, Autowerkstatt, Krankenhaus oder nur der Gang durch die Stadt oder eben Ihr Job in der Geschäftsleitung – da reichte ein Blick und selbst die imposantesten und von sich überzeugtesten Männer schrumpften zusammen.
Bei ihr war es eindeutig auf eine gute Haltung mit gesunder Körperspannung, absolute Souveränität und Gelassenheit zurückzuführen. Während andere Frauen, auch sehr große, häufig Männern in der Fußgängerzone ausweichen müssen, hatte Schwiegermutter immer Platz.
Sie hatte so eine Ausstrahlung, da wusste jeder, die hat Zähne und wenn Sie die einsetzen muss, dann wird es weder laut oder gar hysterisch, aber ganz bestimmt wird es für den Betroffenen peinlich und absolut unerfreulich. Dabei war sie generell freundlich, aufmerksam und zugewandt, Überheblichkeit oder Arroganz strahlte sie so gar nicht aus.
Was aber ganz klar war: Wenn es nicht um Körperkraft ging, dann hatte sie nie im Hinterkopf, dass sie eine Frau und noch dazu eine sehr kleine und zierliche war. Sie war schlichtweg ein Mensch, der deutlich eine gewisse Anspruchshaltung im Umgang miteinander hat und diese Haltung selbst Queen-Elisabeth-mäßig durchzog und eben auch forderte.
Und auch wenn ich etwas größer bin als die deutsche Durchschnittsfrau (aber weit entfernt von Laufsteggröße) kann ich ein Lied davon singen, was Haltung, Ausstrahlung und Souveränität bringen. Ich wurde damals plötzlich verdammt weiblich und zog als Teenager blöde Sprüche über 100 Meter Entfernung selbst von Senioren an. In weiten Klamotten Versteck spielen, das hat nicht funktioniert und noch verletzlicher gemacht. Seit ich die Kurven selbstbewusst und nicht bewusst kaschiert trage, ist zu 100 Prozent Ruhe und falls doch mal was kommt, trifft es mich nicht und ich stelle den Deppen locker bloß.
Auch im beruflichen Umfeld reduziert mich niemand mehr auf das Geschlecht und die Figur. Aber ich ich bin tatsächlich ziemlich ähnlich unterwegs wie meine Schwiegermutter. Sie hatte das Theater, weil Frauen damals gefälligst heirateten und sich versorgen ließen und ich wegen der Kurven. Aber wir haben beide sehr ähnliche Strategien entwickelt und stehen einfach über diesen Dingen und haben keinerlei Schwierigkeiten, jemanden leise und ruhig aber konsequent zusammenzufalten, wenn er sich danebenbenimmt.
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