Kleine Dörfer - deprimierend oder doch sehr unterschiedlich?
Vor einiger Zeit habe ich meine Freundin in ihrer neuen Studentenwohnung besucht und bin mit der Bahn gefahren. Ich hätte lieber das Auto genommen, allerdings hätte das sogar länger gedauert, als mit der Bahn zu fahren. Auf dem Weg dahin ist mir aufgefallen, dass die Ortschaften unglaublich trist waren. Ich musste an einem Bahnhof umsteigen und hatte 20 Minuten Zeit. Ich wollte mir etwas vom Bäcker holen, aber zu meinem Entsetzen waren alle Filialen in der Bahnhofshalle absolut leer. Man konnte nichts bekommen, wenn man nicht auf einen Snackautomaten zurückgreifen wollte.
Als es dann weiter ging kam mir die Ortschaft auch sehr öde vor. Überall sah man verlassene Fabriken und Häuser die aussahen wie Ruinen. Auch die Vorstadt in der meine Freundin wohnte wirkte sehr kahl und irgendwie sehr deprimierend. Dabei war es sehr ländlich gelegen und sie hatte es dennoch nicht weit zur Uni. Anfreunden konnte ich mich damit aber dennoch nicht. Die Landschaft in Verbindung mit den heruntergekommenen Ruinen wirkte einfach traurig.
Meine Eltern leben auch in einem kleineren Dorf, aber dieses wirkt meiner Meinung nach sehr fröhlich, auch wenn dort nicht mehr los ist, als in dem Ort in dem meine Freundin wohnt. Die Atmosphäre ist anders, das Wetter ist meist gut und die Stadt wirkt auch nicht so heruntergekommen aus. Wie ist das bei euch, findet ihr kleinere Städte auch oft deprimierender, als große Städte? Oder mögt ihr die Betonlandschaften in den Städten weniger? Was macht eine Ortschaft für euch gemütlich und wann wirkt sie deprimierend?
Ich denke es kommt eben darauf an, wie stark ein bestimmtes Gebiet von Schrumpfungsprozessen geprägt ist. Das Dorf meiner Eltern beispielsweise ist auch eher trist und deprimierend. In meinen Augen ein ideales Rentner-Paradies, es ist idyllisch, es gibt kaum Kinder. Man hat seine Ruhe. Jedoch sind die beruflichen Chancen in der Gegend sehr miserabel, sodass gerade die jungen qualifizierten Menschen dort wegziehen und woanders eine Familie gründen wollen. So wird demnächst auch die Grundschule geschlossen, selbst der Bäcker an der Hauptstraße in optimaler Standortlage hat schon nach wenigen Jahren zugemacht. Sogar kleine Supermärkte wie Edeka existierten nur sehr kurz.
Auf mich persönlich wirken kleine Dörfer immer ein wenig deprimierend, auch wenn sie gar nicht heruntergekommen sind und wenn die Ortschaft an sich schön ist. Dennoch ist es ja so, dass ein Dorf einfach nicht viel zu bieten hat. Es gibt kein Kino, oft kein Schwimmbad, kaum Cafés und Restaurants und auch keine Möglichkeiten, um shoppen zu gehen. Das sind jedoch alles Sachen, auf die ich gerne zugreife und die ich nicht missen möchte und allein deshalb wirken Dörfer auf mich immer etwas deprimierend.
Ich stelle mir dann immer automatisch vor, wie es wäre, dort zu leben und komme zu dem Schluss, dass mir das nicht gefallen würde. Ich fände es deprimierend, immer auf das Auto angewiesen zu sein, wenn ich irgendwo hin wollen würde. Zu Fuß würde man schließlich nicht weit kommen. Und ich fände es schlimm, dass ich mich so ausgeschlossen und abgegrenzt von der restlichen Welt fühlen würde.
Für mich sind Dörfer einfach nichts und da macht es keinen Unterschied, ob es sich um eine schöne Ortschaft handelt oder nicht. Für mich haben Dörfer immer den Beigeschmack von Abgeschiedenheit und Langweile an sich und damit kann ich mich absolut nicht anfreunden. Von daher werde ich wohl auch nie ein wirklich gutes Bild von kleinen Dörfern haben können.
Ich habe vor ein paar Jahren einmal eine längere Wanderung durch Norddeutschland gemacht. Der Fernwanderweg führte von Hamburg eigentlich bis zum Bodensee. Ich habe es wegen der Hitze allerdings nur bis Detmold geschafft. Ich war ehrlich gesagt über die Dörfer, die ich durchwanderte, entsetzt. Sie wirkten alle wie ausgestorben. In vielen von ihnen war kein einziges Geschäft und auch kein Gasthof, wo ich etwas essen konnte.
Ich glaube aber, dass es auch noch andere Dörfer gibt, die noch nicht so ausgestorben sind. Ich hoffe das zumindest. In einem dieser Dorf habe ich mit einem aufgeschlossenen Bewohner gesprochen. Der erzählte mir, dass der letzte Bäcker vor einigen Wochen zugemacht hat, weil es sich nicht mehr lohnt. Die Leute führen alle zum Aldi, der ein bisschen außerhalb liegt. Das einzige Gasthaus konnte sich auch nicht mehr halten.
Nun kaufen sich die Leute den Alkohol im Aldi und feiern im Vereinshaus. Er behauptete, dass die Hälfte der Dorfbewohner Alkoholiker seien. Vereinshäusern bin ich auf meiner Wanderung des öfteren begegnet und ich hatte mich beim Vorbeiwandern immer gefragt, warum es in dieser verlassenen Gegend so viele Vereine gibt.
Ich bin auch oft mit dem Zug unterwegs und kenne die furchtbarsten einsamen, verdreckten Bahnhöfe in Gott verlassenen Gegenden. Schade eigentlich. Ich wohne viel lieber in der Stadt als in dem noch so idyllischsten Dorf, wo es keine Geschäfte und keinen Gasthof mehr gibt. Ich wüsste auch nicht, wer diese Dörfer noch retten könnte.
Ich lebe in einem relativ kleinen Dorf, wobei es sicherlich kleinere gibt. Besonders an unserem Dorf ist, dass ich hier schon zur Grundschule gegangen bin und dafür, dass es ein kleines Dorf ist, gibt es doch einiges zu sehen oder zu erleben. Wir haben eine eigene Bücherei bei der Grundschule, einen Bäcker, einen Edeka, ein Wald-Freibad, eine Autowerkstatt, eine Tankstelle, einen kleinen Blumenladen, einen Kindergarten, ein Jugendtreff, eine Kirche und einige Selbstständige Betriebe (Bauern, Tischler, Elektriker). Somit könnte man definitiv ohne weiter weg fahren zu müssen hier leben. Das Dorf ist auch wirklich schön und toll gestaltet.
Ich glaube ich könnte auch nicht in einem Dorf leben, in dem es gar nicht außer ein paar Häuschen gibt. Es gibt auch wirklich einige Dörfer die wirklich traurig wirken. In einer Stadt könnte ich definitiv nicht wohnen, das wäre mir auf jeden Fall zu laut und zu viel. Auch im Urlaub sind wir lieber in kleinen Dörfern, als in großen Städten. Da wir nicht ohne unsern Hund losfahren, fahren wir fast immer nach Rügen in den Urlaub. Dort gibt es viele kleine Dörfer und ich finde sie nicht traurig oder deprimierend. Sie haben alle ihren eigenen Charm und ich mag die Stille. Vor allem gibt es meistens viele Landwege und gerade für den Hund ist das super. Der Natur kann ich definitiv nur Gutes abgewinnen.
Auch bei uns im Dorf gibt es Ecken oder Höfe, die sehr traurig wirken. Wir haben in der Nähe eine Straße, in der ein Herr lebt, der alles sammelt und es sammelt sich immer mehr an. Es gibt auch einige sehr alte Häuser die nicht mehr bewohnt werden und somit traurig aussehen. Aber im Großen und Ganzen ist unser Dorf wirklich schön.
Ich würde Dörfer auch nicht vom bloßen Durchfahren be- oder verurteilen. Gerade um den Bahnhof oder in den Industriegebieten drum herum sieht es oft ausgesprochen trist aus, aber das heißt ja nicht, dass es keinen florierenden Dorfkern und keine Veranstaltungen mehr gibt. Und dass es auf dem Lande ruhiger zugeht als in der Stadt, ist ja keine neue Erkenntnis.
Viele "Dorfbewohner" fahren zudem auch zum Arbeiten in die nächste größere Ortschaft, sodass es wochentags naturgemäß ziemlich verödet aussieht, weil die Tagestouristen logischerweise ausbleiben. Aber allein von einem derartigen Eindruck würde ich nicht daraus schließen, dass es auf dem Land keinerlei Unterhaltung gibt. Bei uns in der Gegend sind unterschiedliche Vereine beispielsweise sehr aktiv, und nicht nur, um die Alkoholiker zu befüllen.
Auch die Kirche und unterschiedliche Formen des sozialen Engagements spielen durchaus eine Rolle, auch wenn es eher um Laientheater und Blaskapelle geht als um klassisches Ballett. Davon ist für Außenstehende auch nur selten etwas zu sehen, gerade wenn man nur am Bahnhof herumlungert. Selbst für Freunde der "hohen Kultur" werden Busfahrten in die nächste Großstadt organisiert. Von daher bin ich durchaus der Meinung, dass auch das Dorfleben abwechslungsreich sein kann. Es fordert nur etwas mehr Engagement des Einzelnen, der in größeren Ortschaften alle möglichen Angebote quasi nachgeschmissen bekommt.
Meiner Wahrnehmung nach gibt es durchaus Unterschiede, ob ich kleine Orte deprimierend finde oder nicht, was zum Teil auch damit zusammenhängt, ob es im Ort einen gewissen Tourismus gibt oder nicht. Touristische Attraktionen in der Nähe führen manchmal dazu, dass sich der kleine Ort hübscher herausputzt und es mehrere Cafés und Restaurants gibt, die die Lebensqualität für mich erhöhen würden. Andere kleine Orte wiederum strahlen eine gewisse Tristesse aus, wenn es kaum noch einen funktionierenden Laden gibt, die Häuser grau, und kaum ein Mensch auf der Straße zu sehen ist.
Ich selbst bin ja eher ein Stadtmensch, der sich in Dörfern und Kleinstädten nicht allzu wohl fühlt, aber am ehesten könnte ich mich mit einem Leben in einer Kleinstadt vorstellen, wenn diese entweder in der Nähe einer Großstadt oder in der Nähe einer Touristenattraktion ist (wie zum Beispiel in einem Küstenort an der Nord- oder Ostseeküste). Wichtig wäre mir auf jeden Fall auch eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, der ja auch meistens besser ausgebaut ist, wenn der Ort mit Touristen zu tun hat.
Ich kann dir hier in der Stadt Ecken zeigen, die für dich wahrscheinlich genauso deprimierend währen wie dieses Dorf. Ehemaliges Kasernengelände, Wohnblöcke nur teilweise saniert, keine Grünanlagen oder Spielplätze, weil Soldaten so was halt nicht brauchen und weil man in Sozialwohnungen, die da vielleicht nicht mehr lange stehen werden, auch kein Geld mehr investiert. Nett, oder?
Auf der anderen Seite könnte ich dir schick raus geputzte Dörfchen im Schwarzwald zeigen, in denen auch unter der Woche viel los ist, weil Touristen die typischen Klischees vor die Linse bekommen wollen.
Ich glaube, dass es generell darauf ankommt wo ein Dorf liegt. Es gibt Regionen, in denen die Dörfer aussterben, weil es keine Jobs gibt und die jungen Leute weg ziehen. Auf der anderen Seite gibt es Dörfer, die stark wachsen, weil Menschen in der Stadt keine Wohnung finden und zur Arbeit pendeln können.
Und apropos Pendeln, wenn ein Dorf ausgestorben wirkt könnte das auch einfach daran liegen, dass die meisten Leute woanders arbeiten. Warum sollte man dann eine Bäckerei im Bahnhof ganztägig bestücken wenn nur Morgens die Pendler einkaufen bevor sie zur Arbeit fahren?
Cloudy24 hat geschrieben:Auf der anderen Seite gibt es Dörfer, die stark wachsen, weil Menschen in der Stadt keine Wohnung finden und zur Arbeit pendeln können.
Wobei ich viele dieser stark gewachsenen Dörfer bzw. Kleinstädte auch nicht sehr attraktiv finde, sofern keine innovativen Wohn- und Architekturkonzepte umgesetzt wurden. Und die Verkehrsinfrastruktur hinkt meistens auch hinterher, weil außer einer Straßenanbindung kaum weitere Verkehrsanbindungen eingeplant wurden. Für mich ist ein kleiner Ort am ehesten dann attraktiv, wenn es einen richtigen Ortskern gibt, der halbwegs hübsch aussieht, ein paar Geschäfte und sogar die eine oder andere Gaststätte besitzt, und idealerweise auch eine Bahn- oder Bushaltestelle mit regelmäßigen Abfahrtszeiten.
Ich mag die meisten Städte nicht und finde die eher deprimierend. Als ich zum Studium in die Landeshauptstadt ziehen musste und dort die hässlichen Wohnblocks gesehen habe, wäre ich am liebsten wieder abgehauen. Dass es in Städten Restaurants und Schwimmbäder gibt, nützt mir nichts, ich bin nicht der Weggeher, aber einen Dönerladen findet man inzwischen trotzdem fast in jedem Dorf, also wäre meine Ernährung gesichert.
Nach dem Studium bin ich dann wieder in ein Dorf gezogen, was zwar in der Nähe der Stadt liegt, weil ich da manchmal aus beruflichen Gründen hin muss, aber was keine hässliche Stadt-Blocks hat und einfach schön ruhig ist. Gar nicht weit weg ist ein Supermarkt, da könnte ich hin laufen, aber ich fahre lieber mit dem Auto, weil ich meine Einkäufe nicht schleppen will. Mich würde es aber auch nicht stören, wenn ich da mit dem Auto etwas weiter fahren müsste. Öffentliche Verkehrsmittel nutze ich ohnehin nicht.
Was aber stimmt, ist die Sache mit den Bahnhöfen. Wenn Bahnhofsgebäude nicht mehr genutzt werden, dann vergammeln die. Meistens sieht das nicht besonders toll aus. Eigentlich sollten die lieber abgerissen werden, anstatt dass sie sich zu Ruinen entwickeln, aber vielleicht denkt die Bahn, die kauft irgendwann noch jemand.
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