Kleidung grundsätzlich immer für das Wunsch-Ich kaufen?
Ich habe mal die interessante These von einer Kollegin gehört, die meinte, dass man Kleidung immer nur für das Wunsch-Ich kaufen würde, auch völlig unbewusst. Das würde man daran erkennen, dass ganz viele Frauen Kleidung, im Schrank hätten, die sie nie tragen würden. Viele Frauen hätten Kleidung, die ihnen zu klein ist, zu aufreizend oder einfach unpassend für de Alltag, so dass diese im Schrank verstauben würden.
Eine kneifende Jeans würden viele Frauen kaufen - weil sie die Hoffnung hätten, etwas abzunehmen. Genauso würden viele auch öfter Kleidung kaufen, die letztendlich nicht ihrem Stil entspricht - wobei sie aber ihr Wunsch-Ich aber so sehen würden und sich gerne in dieser Kleidung wohlfühlen würden. Kauft ihr Kleidung immer für euer Wunsch-Ich? Was ist eurer Meinung nach an dieser Theorie dran? Wenn man mit seiner Körbchengröße nicht zufrieden ist, kauft man sich doch in der Regel schließlich auch keinen viel zu großen BH.
Wenn man Kleidung nur grundsätzlich für ein non-existentes Ich kaufen würde, würde das im Umkehrschluss bedeuten, keine Frau hätte überhaupt irgendetwas im Kleiderschrank, was sie gerne trägt. So etwas wie Lieblingsklamotten gäbe es dann auch nicht, weil ja am Ende alles ein Fehlkauf ist. Das ist doch Blödsinn. Was ist mit ganz normalen Basics wie Oberteilen und Jeanshosen? Oder Jacken, Schuhen, gerade Sneakers oder Mäntel, die man fast täglich anzieht?
Ich will damit nicht sagen, dass es dieses Verhalten nicht wirklich gibt, aber ich glaube einfach nicht, dass alles, was jemand kauft, am Ende ein Fehlkauf ist. Einiges davon ist mir im Laufe des Lebens sicher auch schon passiert, weil man sich früher noch nicht so gut einschätzen konnte oder nicht wusste, wer man wirklich ist und was man tragen wird bzw. was einem überhaupt steht oder nicht. Das ist aber auch ein erlernbarer Prozess.
Es kam auch schon vor, dass ich mir hohe Schuhe kaufte, bis ich irgendwann mal begriffen habe, dass ich in High Heels nicht gut laufen kann und darauf keine Lust habe. Oder dass ich manche Dinge zum Angucken zwar vorm Spiegel toll fand, damit aber nicht vor die Tür gehen wollte. Das war aber auch früher schon nur ein kleinerer Prozentsatz und heute kommt es gar nicht mehr vor.
Ich denke nicht, dass das der Fall ist. Es kann doch auch sein, dass man einige Klamotten im Schrank hat, weil sich nach dem Kauf die Figur verändert durch Krankheit, Schwangerschaft oder was auch immer. Es gibt auch den Fall, dass man Kleidung im Schrank hat, die man im Alltag nicht so oft trägt. Würdest du festliche Kleidung wie ein Ballkleid oder Abendkleid im Alltag tragen? Bei solchen Sachen wartet man auf die passende Gelegenheit. Das heißt aber nicht, dass die Sachen im Schrank "verstauben".
Für mich klingt das schon reichlich neurotisch. Ich kaufe Kleidung, weil ich vom Klima und der Tradition her schlecht im Lendenschurz herumlaufen kann und bin absolut schmerzfrei, was mein "Wunsch-Ich" angeht. Davon, dass ich zu kleine Klamotten kaufe, werde ich auch nicht weniger dick, und ich schaudere bei dem Gedanken, dass mein "Wunsch-Ich" sich nach der Theorie nichts Schöneres vorstellen kann als Basic Oberteile ohne Print und gut sitzende Jeans.
So laufe ich nämlich 90 Prozent der Zeit herum und fühle mich (offensichtlich anders als viele Frauen) nicht pausenlos fett oder hässlich oder nicht sexy genug oder sonstwie unzureichend, was meinen Körper angeht. Ich würde also nicht von mir selbst auf alle anderen Frauen schließen, wenn ich die erwähnte "Kollegin" wäre.
Vor vielen Jahren kaufte ich mir einmal ein Kleid, welches ein Hauch von Nichts war. Es war nicht wirklich aus Stoff, mehr so metallisch aber sehr leicht. Oben war es ein Corsage unten eine Art von Ballonrock, der Anfang der Neunziger noch angesagt war. Mein damaliger Freund äußerte sich auch skeptisch, da es kein Alltagskleid war. Da ich von niemandem die Erlaubnis brauchte, kaufte ich es mir trotzdem.
Es hing schon gut anderthalb Jahre im Schrank, bis es zum ersten Mal von mir getragen wurde. Wir waren auf einer schicken Silvesterparty, dort passte es gut hin. Vielleicht habe ich das Kleid in der Zeit, in der es mir passte fünfmal getragen. Aber das störte mich absolut nicht. Es war eben etwas besonderes und sehr auffälliges und eben nichts für den Alltag und die übliche Freizeitgestaltung.
Ich habe das Kleid absolut nur für mich gekauft und gefiel mir darin außerordentlich gut. Ein Wunsch-Ich habe ich gar nicht, dass braucht sich bei mir auch nicht einnisten. Ich lebe absolut in der Realität und wenn ich geistig weiterhin gesund bleibe, wird sich daran auch nichts ändern. Vor vielen Jahren kaufte ich mir ein paar rote hohe Pumps. Keine Ahnung, was ich mir dabei dachte. Diese hatte ich tatsächlich nie getragen.
Da mein "Wunsch-Ich" auf jeden Fall kleinere Füße und kürzere Beine hat als ich hätte ich mit dieser Taktik ein ziemliches Problem.
Aber es lässt sich natürlich nicht wegdiskutieren, dass es Frauen gibt, die zu kleine Sachen kaufen in dem Glauben, dass sie da mal rein passen werden. Und die Freundin, die ich nur in Hosen kenne, die aber vor ein paar Jahren eine ganze Stange mit Kleidern und Röcken im Freundeskreis verteilt hat, ist auch real.
Und Tatsache ist auch, dass dieses "Wunsch-Ich" in der Werbung eine ganze große Rolle spielt. Das Lebensgefühl, dass verkauft wird, ist teilweise wichtiger als die Produkte selbst und natürlich wird nicht das Leben verkauft, das die Kundinnen aktuell haben, sondern das Leben, dass die Kundinnen gerne haben wollen.
Es ist durchaus möglich, dass das manche Menschen so machen und ich habe es auch schon öfter gehört, dass gerade Frauen sich Kleidung kaufen, in die sie dann nach dem Abnehmen passen wollen, um sich zu motivieren. Aber ich konnte so einem Verhalten noch nie etwas abgewinnen, weil ich es nicht unbedingt überhaupt motivierend finde.
Wenn man das Abnehmen nicht so schafft, dann hat man immer auch noch dieses Kleidungsstück, das einen daran erinnert, wenn man in den Schrank schaut. Das würde ich nicht wollen. Auch Kleidung, die einfach nicht meinem Stil entspricht, habe ich nicht im Schrank. Deswegen kann ich der These deiner Kollegin auch nicht zustimmen. Nur weil sie das vielleicht so macht, kann sie nicht davon ausgehen, dass das grundsätzlich jeder so macht.
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