Kindesmissbrauch mit Menschenopfern vergleichbar?

vom 25.02.2019, 07:53 Uhr

Laut Medienberichten hat der Papst vor kurzem eine Rede auf einem mehrtägigen Antimissbrauchsgipfel in Rom gehalten. Er hat in dieser Rede sexuelle Übergriffe auf Kinder und Jugendliche dann noch mit Menschenopfern verglichen. Dies sieht natürlich nicht jeder so und viele kritisieren diese Aussage.

Findet ihr persönlich, dass man Kindesmissbrauch mit Menschenopfern vergleichen kann? Oder fehlt euch hierfür jede Form von Verständnis? Meint ihr, dass der Papst mit so einer Aussage viel schlichten und beruhigen kann oder tut er mit so einer Aussage der katholischen Kirche keinen Gefallen?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Mir fehlt da nicht das Verständnis. Es ist beides etwas, das irgendwie hingenommen wird und mit jedem Missbrauch stirbt die Seele des Kindes und damit ein Teil des Kindes. Natürlich sind das auch 2 Dinge, die völlig unabhängig voneinander zu betrachten sind, jedoch kann man sie auch vergleichen, wenn auch eher auf eine poetische Art und Weise, da unterschiedliche Verbrechen unterschiedlich betrachtet werden müssen. Selbst ein Missbrauch ist nicht gleich einem anderen Missbrauch.

Der Papst hätte hier aber sicherlich auch bessere Worte finden können, mahnendere Worte und Worte die ausdrücken, dass das keine leichte Sache ist und das man das nicht so hinnehmen muss, weil es eben gegeben ist. Die Kirche hat einen Umschwung bitter nötig und so langsam sollte man das erkennen und Pädophilen keinen Rahmen mehr lassen. Dieses Problem besteht ja auch nicht erst seit kurzem.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Man kann alles vergleichen. Man kann selbst eine Heckenschere mit einem Ball vergleichen. Beides sind Gegenstände, dies man anfassen kann. Es ist die Frage, was die Motivation für einen Vergleich ist. Und ich finde in diesem Fall den Vergleich abartig und ungeheuerlich. Er besagt doch, dass Kindesmissbrauch ein kulturelles Problem ist und mit der Kirche gar nichts zu tun hat. Es schwingt auch mit, dass man es irgendwie hinnehmen muss.

Wenn man schon Ähnlichkeiten sucht, dann ist die einzige Gemeinsamkeit, dass Kinder Opfer sind und gequält werden, wobei ich gar nicht weiß, ob die Kinder bei den Kinderopfer in alten Zeiten immer gequält wurden. Bei den Inka wurden sie unter Alkohol und Drogen gesetzt, bevor sie auf irgendeinem hohen Berg letztendlich starben.

Es gibt so viele Unterschiede, dass ein Vergleich ziemlich absurd ist. Da ist zum Beispiel die Motivation. Beim Kindesmissbrauch ist die einzige Motivation die Erfüllung der sexuellen Wünsche des Verbrechers ohne Rücksicht auf das Kind. Beim Menschenopfer wird dann doch irgendwie an das Wohl der Gemeinschaft gedacht, dass es beispielsweise regnen möge, um das Dorf vor einer Hungersnot zu bewahren. Auch die Akzeptanz in der jeweiligen Kultur ist eine andere. Menschenopfer, obwohl in heutiger Zeit als grausam empfunden, waren kulturell anerkannt, während beim Missbrauch der Pfarrer weiß, dass es sowohl gegen staatliche Gesetze als auch gegen die der Kirche verstößt.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich finde nicht, dass der Papst Kindesmissbrauch mit Menschenopfern verglichen hat, auch wenn die Schlagzeilen das groß titeln. Denn so ein Vergleich wäre selbst für die katholische Kirche irre. Der gute Mann hat zuerst ausgeführt, dass der Missbrauch von Kindern generell ein gesellschaftliches Problem ist, das viel stärker bekämpft werden muss. Und weil das Problem so groß ist und die gesellschaftliche Akzeptanz so groß ist, erinnert ihn das an frühere Zeiten, in denen Menschenopfer akzeptiert waren.

Da erkenne ich keinen Vergleich der Taten, aber gesellschaftliche Parallelen gibt es schon. Denn niemand möchte, dass es ihm selbst oder einem anderen passiert. Aber wenn es anderen passiert, dann wird weggesehen und die Situation wird hingenommen. Den Teil der Rede finde ich gar nicht so abwegig, da sind ganz andere Klopper drin.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



cooper75 hat geschrieben:Der gute Mann hat zuerst ausgeführt, dass der Missbrauch von Kindern generell ein gesellschaftliches Problem ist, das viel stärker bekämpft werden muss.

Aber genau das heißt doch, dass er relativiert. Weil das auch in anderen Bereichen passiert, bettet er den Missbrauch in der Kirche, der auch strukturelle Gründe hat, einfach dort ein. Über die strukturellen Gründe muss er sich dann keine Gedanken machen, wenn es doch überall so ist. Die Kirche trägt besonderes hohe Moralvorstellungen vor sich her, sollte also nicht mit den Fingern auf andere zeigen, sondern auf sich selbst.

cooper75 hat geschrieben: weil das Problem so groß ist und die gesellschaftliche Akzeptanz so groß ist, erinnert ihn das an frühere Zeiten, in denen Menschenopfer akzeptiert waren

Nein! Die gesellschaftliche Akzeptanz ist eben im Vergleich zu den Zeiten der Menschenopfer nicht groß! Wäre ja, schlimm, wenn es so wäre. Ich kenne keinen einzigen Menschen und keine einzige Institution, die Missbrauch an Kindern billigt.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Anlupa, natürlich ist die gesellschaftliche Akzeptanz sehr hoch. Denn sonst könnte es gar nicht zu so vielen Fällen kommen. Das gilt für die Kirche ebenso wie für den Rest. Kindesmissbrauch wird unter den Teppich gekehrt und das Opfer wird regelmäßig stärker belastet als der Täter.

Wo ist denn die große gesellschaftliche Ächtung bei den ganzen Sextouristen, die gezielt an Orte mit Kinderprostitution reisen? Warum sperrt die Deutsche Reiterliche Vereinigung einen Reitlehrer, der für Kindesmissbrauch an Reitschülerinnen verurteilt worden ist, nicht für Sportveranstaltungen? Begründung: Der Missbrauch fand nicht auf einem Turnier statt. Warum werden Lehrer nach Vorfällen meist nur versetzt und manch Pädagoge wird zum Wanderpokal?

Ich habe übrigens nicht bestritten, dass die Rede sehr unbefriedigend ist und echte Schwächen hat, wenn du meinen letzten Satz gelesen hast. Ich habe mich nur auf den vermeintlichen Vergleich bezogen, den er nicht gemacht hat. Dafür gehen die wirklich haarsträubenden Aussagen, die er tatsächlich gemacht hat, unter.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Also mein Problem an diesen ganzen Diskussionen mit dem Papst und anderen Geistlichen ist, dass sie gerne dann sagen, es sei ein gesellschaftliches Problem. Das hat niemand in der Gesellschaft im Ansatz auch nur verleugnet. Es geht aber primär den Leuten auch darum, dass die katholische Kirche genug in ihren eigenen Reihen hat, und statt zu handeln, werden Priester versetzt, es werden Opfer mundtot gemacht, mit den Spendengeldern etliche Prozesse gegen Opfer geführt usw. Darum geht es doch.

Es geht nicht darum, dass dies sowieso schon gesellschaftlich ein Problem ist, welches man bekämpfen muss. Da pflichte ich ihm oder den Geistlichen bei. Der eine Geistliche behauptete letztens, Kindesmissbrauch kommt nur bei Schwulen vor. Der Papst guckt seit Jahren mehr weg als hin. Siehe den aktuellen Fall in Australien, wo der höchste Geistliche mit wahrscheinlich 50 Jahren in Haft geht und noch steht der tolle Papst immer noch dahinter.

Die katholische Kirche will Gottes Willen weitergeben, Gottes Liebe usw. Die fängt vor allem aber auch da mal an, dass man ekelhafte Priester, die sich an Kinder vergehen aussondert, ihnen ihre Geistlichkeit abspricht und sie nicht mehr schützt. In denen man den Opfern endlich beisteht und sagt, das ist nicht Gottes Wille, und wir werden dir helfen.

Statt dessen empfehle ich gerne mal Sister Mary Cesnik ihren Fall zu schauen. Auch der Missbrauch der spanischen Kirche und etliche Artikel zu lesen. Auch die Kinderheime von Nonnen in Deutschland mit Prügeln usw geprägt und durch Missbrauch von geistlichen. Man soll nur mal richtig hingucken.

Niemand sagt, das sich das gesellschaftlich totschweigen will, aber die Kirche ist da auch sehr auffällig und hat gefälligst endlich zu gucken, was Sache ist und zu handeln. Mit Relativierungen und ähnlichen Vergleichen wie Menschenopfern muss mir da niemand kommen, sollte er es so in der Art gesagt haben.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Kätzchen, es nützt ja nichts die katholische Kirche ohne die Gesellschaft zusehen. Denn das eine prägt das andere mit. Und was beim einen liberalisiert wird, das hat Einfluss auf den anderen. Dass die Kirche endlich aufräumen muss und der Papst rumlaviert, ist unbestritten. Aber wo war denn ansonsten der gesellschaftliche Aufschrei?

Du musst dir bewusst machen, dass die letzten Jahre mit sexuellem Missbrauch extrem locker umgegangen worden ist und solche Taten überall fein unter den Teppich gekehrt werden. Denn keine Institution möchte einen Skandal, Und der Staat hat verdammt viel getan, damit solche Taten "nicht so schlimm sind.

Von 1872 bis 1973 war der sexuelle Missbrauch noch nicht erfunden, das hieß das Unzucht mit Kindern. Und solche Unzucht wurde mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft, das ging hoch bis zu zehn Jahren. Bei mildernden Umständen gab es immer noch sechs Monate. Und dann kam glorreiche Jahr 1973 und es gab den sexuellen Missbrauch von Kindern. Aber da wurde gleich die Mindestfreiheitsstrafe auf ein halbes Jahr gesenkt, in minder schweren Fällen gab es eine Geldstrafe. Und so kurze Freiheitsstrafen wurden direkt in umgewandelt. Was für ein Zeichen setzt denn da bitte der Staat? kann ja alles nicht so schlimm sein! Viel besser ist es mit der Novelle 2008 nicht geworden.

Und das betrifft auch den sexuellen Missbrauch Jugendlicher. Bis 2008(!) war Sex mit Jugendlichen ab 16(!) gegen Geld oder unter Ausnutzung einer Notlage nicht verboten. Und bis 1994(!) war es vollkommen in Ordnung, mit einem Mädchen unter 16 Jahren vollkommen in Ordnung, wenn der Täter das Opfer geheiratet hat. Dann war die Strafverfolgung ausgeschlossen. :wall:

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


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