Kinder schlecht behandeln, weil man sterben muss?

vom 01.02.2016, 21:38 Uhr

Ich habe mal vor einigen Tagen eine Serie gesehen, wo es eigentlich darum ging, dass ein todkranker Vater nun Straftaten verübt. Er behandelt jedoch gleichermaßen sein Kind so schlecht, dass ihm der nahende Abschied einfacher fällt und er alleine zurecht kommen kann. Das war so der eigentliche Grundgedanke dahinter, den der Vater im Kopf hatte.

Nun kenne ich von vielen Berichterstattungen und Bekannten ein ähnliches Szenario. Entweder haben Väter/Mütter ihre Kinder völlig schlecht behandelt, weil sie womöglich bald sterben mussten (Krebs) oder sie haben es schlechter behandelt, sich von ihnen entfernt etc.

Eben all das, damit ein Kind die womöglich baldige Trauer zu vereinfachen, was ich wirklich mehr als suspekt finde. Jeder von uns muss lernen, dass auch unsere Eltern gehen. Niemand mag den Tod von irgendeinem geliebten Menschen, aber das muss man eben lernen.

Wieso kommt man also auf die Idee, es seinen Kindern "einfacher" machen zu wollen, indem ich es schlecht behandel, es von mir distanziere und mehr? Würdet Ihr das so machen oder was denkt ihr von den Menschen, die das tun?

Benutzeravatar

» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Ich weiß nicht, wie verzweifelt verquer Sterbende denken. Mit etwas Abstand, nicht bald sterbend, bin ich der Meinung, dass es wirklich absolut nicht hilft. Nehmen wir mal an, das Kind ist 8 Jahre alt, als der Vater merkt, dass er nur noch etwa drei Monate zu leben hat. Und dann fängt er an, das Kind schlecht zu behandeln.

Das Kind hatte also 8 Jahre lang eine super Beziehung zu seinem Vater, der Vater hat es geliebt. Und dann plötzlich nicht mehr und dann ist er gestorben. Warum sollte das Kind dann weniger traurig sein? Es hat dennoch einen liebenden Vater verloren, den es selber ebenso geliebt hat.

Nur zusätzlich hat das Kind dann noch das Problem, dass der Vater in letzter Zeit gemein war. Und dazu macht das Kind sich dann Gedanken. War es nicht lieb genug? Hätte es was anders machen sollen? Ist der Vater wegen ihm gestorben?

Zudem hat der Vater damit sich und seinem Kind ein paar schöne letzte Momente genommen. Also ich sehe wirklich keinen Sinn darin. Der eigentliche Zweck, dem Kind Leid zu ersparen, ist ja sehr nobel, aber es funktioniert halt leider überhaupt gar nicht. Und das sollte eigentlich jeder wissen. Aber wie gesagt, Sterbende sind verzweifelt.

Benutzeravatar

» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ich habe so ein Verhalten schon im privatem Umfeld mitbekommen. Dort gibt es eine Frau, die an MS erkrankt ist und seit dem versucht sie alle ein bisschen gegen sich zu wenden und behandelt sie schlecht. Wobei sie auch immer sehr positiv auf Kontaktaufnahmen reagiert. Es fällt eben sehr auf, dass sie nicht möchte, das man sich um sie sorgt.

Ich denke, dass die Menschen dann denken, das man leichter mit einer gewissen Wut im Bauch Abschied nehmen kann. Wenn man wütend ist, ist man sicherlich leichter bereit loszulassen. Letztendlich bringt so eine Einstellung aber nichts. Immerhin ist es ja immer noch ein geliebter Mensch und selbst wenn man im ersten Moment vielleicht ein bisschen sauer ist, wird man auf lange Sicht doch Trauer empfinden.

Benutzeravatar

» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich finde so ein Verhalten eher kontraproduktiv. Mag sein, dass man als sterbender Vater denkt, dass man dem Kind so erleichtert, Abschied zu nehmen. Bei mir würde das aber eher das Gegenteil bewirken.

Wenn mein Vater beispielsweise bedingt durch eine Krebserkrankung mich von heute auf morgen schlecht behandeln würde und dann nach kurzer Zeit sterben würde, würde ich mir eher große Vorwürfe machen. Es würde mich richtig quälen, weil ich die ganze Zeit denken würde, dass ich etwas getan hätte, um meinen Vater zu verstören und von mir wegzustoßen und dass ich alleine Schuld an unserem schlechten Verhältnis vor seinem Tod gewesen bin. Da man durch den Tod keine Gelegenheit bekommt, noch Sachen zu klären, würde mich das bis an mein Lebensende verfolgen und quälen.

Benutzeravatar

» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich kann mir einfach vorstellen, dass man im Endstadium einer schweren unheilbaren Krankheit anders denkt. Einfach mal deshalb, weil Schmerzen auch auf das Denken zurück wirken. Vielleicht auch ein wenig deshalb, weil Sterben in unserem Kulturkreis immer noch ein gewisses Tabuthema ist und man sich schnell alleine im Kreis dreht und sich schneller als normal in eine fixe Idee verrennt.

Andererseits kann ich mir auch vorstellen, dass mancher seinen eigenen Abnabelungsprozess versucht schön zu reden. Es ist sicher nicht einfach als Elternteil zu wissen, dass man bald stirbt und sein Kind nicht mehr begleiten und beschützen kann. Klar haben dann die Kinder oft noch einen anderen Elternteil, aber nicht immer. Und sicher ist auch für den sterbenden Elternteil der Abschied sehr schwer, weil man eben aus Erfahrung weiß, dass das eigene Kind bald viel durchmachen wird. Und so kann ich mir schon vorstellen, dass man sich dann distanziert, weil einem der Abschied selbst leichter fällt und dass man sich so erfolgreich einredet, dass es dem Kind auch so gehen muss, wenn man das selbst als Erleichterung empfindet. Aber das muss eben nicht so sein, dass das Kind auch so empfindet.

Ich hatte im erweiterten Bekanntenkreis auch schon so einen Fall, dass bei einem Mitschüler der Kinder ein Elternteil viel zu jung an einer Krankheit gestorben ist. Auch da war das zu merken, dass der betreffende Elternteil sich immer weiter zurück gezogen hat. Das Kind hat in dem Fall doppelt gelitten, weil es den Vater als Vaterfigur schon eine Weile vor dem eigentlichen körperlichen Tod immer mehr und mehr verloren hat. Das war nicht einfach.

Letztlich finde ich es aber schwierig zu urteilen oder gar zu verurteilen. Wenn man selbst nicht im Sterben liegt, hat man leicht reden, was richtig und falsch ist. Statt dessen sollte man eher dem Sterbenden ein Gespräch anbieten, wenn man ihm oder ihr nahe genug steht.

Benutzeravatar

» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ich möchte mir da eigentlich auch kein wirkliches Urteil erlauben, weil ich nicht in dieser Situation stecke. Ich wünsche mir auch beim besten Willen nicht, dass ich jemanden schlechter behandel, weil ich sterben werde. Doch kann ich das mit Gewissheit sagen, dass es nicht passieren wird? Höchstwahrscheinlich nicht und deswegen möchte ich das nicht ganz so beurteilen, wie andere Thematiken.

Ich habe es zwar erlebt, dass man merkt, dass der Gegenüber im Sterbeprozess aufgibt, sich nicht mehr mit einem unterhält, starr die Blicke einen ansehen, dann vielleicht mal weint, aber das war es auch. Selbst das ist für mich schon grauenhaft gewesen, sodass ich mir nicht vorstellen mag, wie schlecht es einem Kind geht, welches "abgeschoben" wird, damit er/sie nicht besonders leiden muss.

Wir wissen wahrscheinlich alle selber, dass egal wie man es dreht und wendet, dass Kind am Ende tief traurig ist. Da kann ich das Kind wahrscheinlich vorher nur schlecht behandelt haben oder auch nicht. Kinder sind ja bekanntlich auch nicht doof, sodass sie diese Situation perfekt abschätzen können.

Ich finde es aber bemerkenswert interessant, dass hier Leute posten, die das auch in der Tat so kennen. Das hätte ich nie für möglich gehalten, was mir allerdings zeigt, dass es sowas wirklich des Öfteren gibt und offensichtlich mehr, als wir es für möglich gehalten haben.

Benutzeravatar

» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^