Kinder, die abrutschen, sind selber schuld?

Hier im Ort ist ein Mädchen im Teenageralter stark abgerutscht. Sie trinkt, lebt auf der Straße und die Polizei war regelmäßig Gast im Haus der Eltern, bevor das Mädchen in die Stadt gezogen ist und eben seit dem dort auf der Straße lebt. Kontakt zu den Eltern besteht keiner mehr.

Die Mutter des Kindes sagt, das Mädchen sei selbst schuld. Mit Beginn der Pubertät hätte sie die falschen Freunde gehabt. Außerdem hätte sie ja gar nicht mehr auf die Eltern gehört und gemacht was sie will. Ein Kind, in der Pubertät, sollte bereits eigene Entscheidungen treffen können und die eigene Verantwortung für ihr Leben übernehmen können.

Ich finde die Aussagen ziemlich heftig. Ist ein Kind, wenn es in die Pubertät kommt, wirklich schon so weit, wirklich sein eigenes Handeln komplett alleine überblicken zu können? Haben nicht auch die Eltern bei einem pubertierendem Kind die Aufsichtspflicht und vor allem auch die Erziehungspflicht? Kann man es sich als Mutter wirklich so einfach machen, wenn die Erziehung eines Kindes so schief läuft?

Ich finde die Aussagen der Mutter sind echt extrem. Wie kann man sein eigenes Kind nur so ins offene Messer laufen lassen. In meinen Augen hört Erziehung nie auf! Auch wenn es in den späteren Jahren nur die gut gemeinten Ratschläge sind.

Es ist richtig, dass falscher Umgang einen Menschen formt, aber zu sagen das ist die eigene Schuld, ist in meinen Augen eine Aussage mit der man es sich sehr einfach zu machen scheint. Ich bin Mutter und bleibe es auch, egal wie schwer es die Kinder haben, dafür muss ich mir selbst auch an die Nase fassen. Man muss seine eigenen Fehler auch überdenken und sicherlich nicht nur sagen, das Kind ist auf die schiefe Bahn gekommen und muss da alleine raus kommen. Hier ist auch die Initiative der Eltern gefragt!

Da macht es sich die Mutter aber sehr einfach. Mal ehrlich, dass ist natürlich irgendwie die Schuld des Kindes, da es ihr passiert ist, aber es ist eben auch durch ihre Erziehung so weit gekommen und da muss man doch eher darüber nachdenken, was man selber gemacht hat und warum das Kind all diese Dinge macht und es letztendlich auch zu dem Unfall gekommen ist. Die Tochter scheint unvorsichtig gewesen zu sein, aber die Eltern sind dran Schuld dass sie in dem Moment dort war.

Ich denke, da ist schon lange vor der Pubertät etwas falsch gelaufen, denn ansonsten wäre das Mädchen wohl gar nicht erst abgerutscht, sondern hätte bessere Entscheidungen getroffen. Allerdings kann ich die Mutter insofern verstehen, dass sie kaum noch Möglichkeiten hat, auf das Mädchen einzuwirken.

Ich habe einige Eltern gesehen, die eine Menge versucht haben, ihre Kinder doch noch auf die richtige Bahn zu bekommen. Aber wenn die Kinder nicht wollen, wollen sie einfach nicht und widersetzen sich allem. Und da man sie auch nicht einsperren oder erfolgreich zwingen kann, kann man sich die Mühe auch fast sparen. Zur Schule gehen sie nicht, eine Ausbildung suchen sie sich nicht und gehen auch gar nicht erst hin.

Die Kinder machen was sie wollen, beklauen die Eltern und Geschwister, zerstören den Besitz von anderen, beschimpfen und beleidigen jeden, der ihnen über den Weg läuft und torpedieren alles, womit man ihnen helfen will. Ich würde also nicht sagen, dass sie selbst schuld sind, aber eine wirksame Möglichkeit, ihnen zu helfen, sehe ich auch nicht.

Ich würde diesem Kind nur immer die Möglichkeit offen halten, zurück zu kommen und um Hilfe zu bitten, wenn es denn wirklich endlich will. Solange es nicht selbst will, sehe ich keine Chance für Hilfe, denn erfahrungsgemäß machen sie jede Bemühung kaputt.

Ich finde, wenn Eltern so etwas behaupten, dann machen sie sich vieles zu leicht. Es stimmt schon, dass Kinder in der Pubertät unberechenbar werden und nur noch schwer in die richtigen Bahnen zu lenken sind, aber dann ist doch vorher schon eine Menge schief gelaufen, sonst würde es meiner Meinung nach doch gar nicht soweit kommen.

Daher denke ich, dass die Eltern in diesem Fall komplett versagt haben, es aber nicht wahrhaben wollen und deswegen die Schuld gezielt beim Kind suchen und nicht bei sich selbst. So belügt man sich in meinen Augen nur selbst und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das irgendjemand der Mutter glaubt, wenn sie so einen Unsinn von sich gibt.

Kennt jemand von euch die Mutter oder Eltern, um zu wissen, was sie vielleicht alles versucht haben? Ich denke mal nicht und als Mutter zweier Teenager sehe ich das ein wenig anders. Irgendwann kommt der Punkt, wo man erkennt, dass man das Kind erst mal tief sinken lassen muss. Das ist ähnlich bei Suchtkranken. Auch diese müssen meist erst ganz unten ankommen, bevor sie überhaupt bereit sind zu akzeptieren, dass sie Hilfe benötigen.

Als Teenager sind die Freunde eh wichtiger als die eigenen Eltern und damit nimmt man auch eher deren Aussagen an. Da kann man als Eltern sonst was veranstalten, es wird nichts bringen. Es muss da auch nichts vor der Pubertät schief gelaufen sein in der Erziehung.

Da macht die Mutter sich das ganze aber sehr leicht, das mögliche Fehlverhalten der Tochter, einfach auf die Pubertät zu schieben und sich somit da als Unschuldsengel hinzustellen. Ich denke, das es auch immer mit ein großer Teil daran liegt, wie die Erziehung generell zu Hause ist. Klar ist es, wenn die Kids in die Pubertät kommen, schwieriger, aber selbst dann muss ein Kind nicht abrutschen. Die Eltern sollten immer im Hintergrund stehen und versuchen ihren Kindern den richtigen Weg zu zeigen.

Ich selber bin alleinerziehende Mama von zwei pubertierenden Söhnen und ich komme auch oft an meine Grenzen mit der Erziehung, denn beide versuchen ihre Grenzen abzustecken. Wir haben zuhause aber ein sehr offenes Verhältnis und ich bin nicht nur Mama für sie. Ich bin auch wie eine Freundin und wir haben zuhause auch keine richtigen festen Regeln. Hier läuft eigentlich alles Hand in Hand und damit fahre ich auch sehr gut und denke meine Söhne auch.

Zu meinen Söhnen kann ich sagen, bin ich sehr stolz auf sie, denn sie sind zwar momentan auch in diesem schwierigen Alter, aber sie rutschen nicht ab. Sie achten auch sehr auf ihren Umgang und obwohl ich als Rocker Mama nicht unbedingt so eine normale Mama bin, haben meine Kids sehr großen Respekt gegenüber anderen Mitmenschen. Das ist mir auch sehr wichtig. Meine Kids wissen auch, das sie jederzeit mit jedem Problem zu mir kommen können. Auch wenn sie mal ein Problem mit mir haben, reden wir viel darüber.

Meiner Meinung nach belügt die Mutter sich selber, indem sie sagt, die Tochter sei schuld, weil sie nicht mehr hört. Die Mutter sollte sich mal fragen, was sie falsch gemacht hat, das ihre Tochter ihr keinen Respekt erweist und sich so gegen sie stellt. Es liegt, wie ich finde, immer daran, wie das Zuhause ist, bzw. was man den Kids vorlebt. ich hoffe die Tochter findet ihren eigenen Weg und rutscht nicht zu weit ab, denn letztendlich tut sie ihrer Mutter damit nicht weh, sondern verbaut sich eher die eigene Zukunft. Das wäre natürlich sehr schade.

Viele Eltern machen sich es sehr einfach, wenn sie sagen, dass das Kind abgerutscht ist, ist nicht mein Problem. Es ist auch immer einfach zu sagen, die Freunde waren für den negativen Einfluss verantwortlich und ich habe damit nichts zu tun.

Eltern vergessen, dass sie ihre Kinder auf das Erwachsen werden einstellen. Sie vergessen aber auch, dass in der Pubertät nicht selten die Rebellion stattfindet und das Abkapseln. Dadurch entsteht nicht selten die Rebellion gegen alles, was Mama und Papa sagt. So sind angeblich falsche Freunde die besten Freunde der Welt. Der angeblich schlechte und nicht gute Freund, wird abgöttisch geliebt.

Kinder die abrutschen, sind nicht immer ganz alleine dafür verantwortlich. Oftmals findet man die Ursprünge schon in einem Familienhaus, was nicht gut war. Es muss keine Bilderbuchfamilie sein, aber wenn Polizeieinsätze, Schläge unter den Eltern usw. zum Beispiel da waren, jetzt mal allgemein gesprochen, ist die Chance verdammt groß, dass das Kind abrutscht.

Von meiner Bekannten die Tochter ist über 33 Jahre alt und muss seit Jahren in Therapie. Schläge bei den Eltern, wenig Aufmerksamkeit und vieles mehr, haben sie zum seelischen Wrack gemacht. Das zog sich wie ein Kaugummi durchs Leben. Ganz unverantwortlich sind gewisse Eltern daher nicht, wenn Kinder abrutschen.